#44 Ki Tetze – „Wenn Du ziehst“
Ki Tetze
5. Mose 21,10-25,19
Jesaja 54,1-10; Matthäus 24,29-42
Ist es laut Bibel verboten, Zinsen zu erheben? Unsere aktuelle Lesung Ki Tetze gibt darauf eine eindeutige Antwort. Doch bevor wir uns diese Antwort genauer ansehen, wollen wir klären, was der Zins eigentlich ist und wozu er in einer Volkswirtschaft dienlich ist. Schließlich sind die Zinsen durch das weltweit vorherrschende Fiatgeld-System ziemlich in Verruf geraten.
Was ist der Zins?
Laut Wikipedia ist der Zins ein Entgelt für vorübergehend überlassenes Kapital. Man könnte auch formulieren, dass Zinsen eine Art Leihgebühr oder Miete für die Überlassung des Kapitals ist.
Demnach wird ein Eigentümer von Kapital dafür entschädigt, dass er auf einen Teil seiner Kaufkraft zeitweise verzichtet, wenn er einem Schuldner einen Kredit gibt. Er tritt dann als Gläubiger auf. Im Gegenzug erhält er Zinsen vom Schuldner, sodass er am Ende mit einer höheren Kaufkraft ausgestattet ist.
Gleichzeitig soll der Zins dem Schuldner deutlich machen, dass er sich gut überlegen sollte, ob er das Kapital aufnimmt. Er wird am Ende mehr zurückzahlen müssen. Er muss mit dem Geld also etwas gewinnbringendes anfangen, damit er nicht noch tiefer in Armut fällt.
Ki Tetze und die Zinsen
In der Heiligen Schrift heißt es nun in Bezug auf Zinsen:
Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, weder Zins für Geld noch Zins für Speise, noch Zins für irgendetwas, das verzinst werden kann. Dem Fremden darfst du Zins auferlegen, deinem Bruder aber sollst du keinen Zins auferlegen, damit dich YHWH, dein Gott, segne in allem, was du unternimmst in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen. (5. Mose 23,20-21)
YHWH macht einen Unterschied zwischen dem Bruder und dem Fremden. Dabei ist der Bruder ein Nahestehender aus dem Volk. Der Fremde ist eben fremd und nicht näher bekannt.
Warum macht Gott diesen Unterschied?
Zinsen können Fluch und Segen zugleich sein. Im optimalen Fall hat der Schuldner eine renditeträchtige Geschäftsidee, mit der er den Zins locker bedienen kann und selbst noch Gewinn erzielt. Dann haben sowohl Gläubiger als auch Schuldner einen Vorteil von einem Kredit.
Doch natürlich können Schuldner auch zahlungsunfähig werden, was zu großen Streitigkeiten führen kann.
YHWH möchte mit der Zinsregelung aus Ki Tetze auf jeden Fall verhindern, dass enge familiäre Beziehungen unter finanziellen Risiken leiden. Kein Bruder soll den anderen bedrängen, weil er die Zinsen nicht zahlen kann.
Die Botschaft könnte auch wie folgt formuliert werden: Wenn Du Deinem Bruder gibst, dann verschenke lieber.
Auf der anderen Seite möchte Gott auch nicht, dass sein Volk durch Fremde ausgeplündert wird. Der Zins schützt den Schuldner vor leichtfertigen Entscheidungen. Gleichzeitig entschädigt er den Gläubiger für das Risiko des Totalverlustes.
Die Bibel verbietet Zinsen also nicht. Vielmehr setzt sie klare Regeln, unter welchen Rahmenbedingungen sie erhoben werden dürfen.
Wird es Banken im Reich Gottes geben?
Wird es im reich Gottes klassische Banken geben? Die eindeutige Aussage, die wir darauf geben können, lautet: Wir werden sehen.
Doch das ursprüngliche Geschäftsprinzip von Banken steht mit der Bibel nicht im Widerspruch. In der hebräischen Schrift sind die Worte für Silber und Geld identisch. Die Bibel kennt also kein anderes Geld als Silber.
Wenn eine Bank nun die Aufgabe übernimmt, das Geld (Silber) ihrer Kunden aufzubewahren, zu verwalten und auf Wunsch des Kunden als Kredit weiterzugeben, so bewegt sie sich vollkommen im Bereich der Torah.
Inwiefern überhaupt Kredite in Anspruch genommen werden, wird sich auch noch zeigen müssen. Dass es aber Schulden geben kann, ist mit dem regelmäßigen Schuldenerlass durch das Sabbatjahr zumindest angedeutet (Vgl. 5. Mose 15,1).
Prinzipiell werden die Schuldner (auch die fremden) aber recht gewissenhaft sein, denn ihnen ist Folgendes aufgetragen:
Seid niemand etwas schuldig, außer dass ihr einander liebt; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. (Römer 13,8)
Außerdem wissen sie:
Der Reiche herrscht über die Armen, und wer borgt, ist der Knecht des Gläubigers. (Sprüche 22,7)
Insgesamt werden wir wohl sehr viel weniger Kredite sehen als heute. Dennoch scheint Gott auch für die Zukunft die Möglichkeit von Krediten und Zinsen unter bestimmten Bedingungen einzuräumen. Die oben zitierten Verse aus Ki Tetze scheinen darauf jedenfalls hinzudeuten.
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