Auf die Details kommt es an (Teil 2) – Die Form der Stiftshütte
Die Form der Stiftshütte ist uns allen wohl bekannt. Sie hatte einen rechteckigen Grundriss. Die Seitenlängen des Vorhofs betrugen 100 x 50 Ellen. Auch das Zelt selbst war rechteckig geformt, wobei schwere Akazienholzbretter, welche mit Gold überzogen waren, die Außenwand darstellten. Über diese Bretter wurden vier Schichten unterschiedlicher Stoffe gelegt, um das Zelt zu bedecken. So wird uns die Stiftshütte in fast allen Quellen dargestellt – sowohl christlichen als auch jüdischen.
Doch was wäre, wenn diese Darstellung nicht der Wahrheit entspräche? Was wäre, wenn die Stiftshütte eine ganz andere Form aufweisen würde?
Was die Position des Räucheraltars über die Form der Stiftshütte offenbart
Es gibt eine Stelle im Hebräerbrief, die uns in diesem Zusammenhang stutzig machen sollte. Es handelt sich dabei um diese Verse:
Hinter dem zweiten Vorhang aber befand sich das Zelt, welches das Allerheiligste genannt wird; zu diesem gehört der goldene Räucheraltar und die Bundeslade, überall mit Gold überzogen, und in dieser war der goldene Krug mit dem Manna und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes; (Hebräer 9,3-4)
An dieser Stelle wird der Räucheraltar als Teil des Allerheiligsten bezeichnet. Andere Übersetzungen sagen auch, dass der Räucheraltar sich in diesem Allerheiligsten befand.
Doch diese Aussage ist nie im Einklang mit den rechteckigen Darstellungen der Stiftshütte. Und auch der Bibeltext scheint auf Grundlage des rechteckigen Modells etwas anderes über die Position des Altars auszusagen:
Und du sollst ihn vor den Vorhang stellen, der vor der Lade des Zeugnisses hängt, und vor den Sühnedeckel, der auf dem Zeugnis ist, wo ich mit dir zusammenkommen will. (2. Mose 30,6)
In den bekannten Modellen der Stiftshütte finden wir dann folgende Anordnung:
Doch diese Anordnung ist mit dem Vers aus dem Hebräerbrief nicht zu vereinbaren. Es gibt jetzt also zwei Möglichkeiten, wie wir diesen Widersprich lösen können:
1. Wir gehen von einem Fehler in der Bibel aus, was bedeuten würde, dass Autor oder Übersetzer des Hebräerbriefes nicht so recht Bescheid wussten
2. Wir gehen von einem Fehler in unserer Vorstellung von der Form der Stiftshütte aus, was bedeutet, dass wir nicht so recht Bescheid wissen.
Das Project 314
Im Jahr 2015 entwarf Andrew Hoy einige Zeichnungen, die eine alternative Anordnung der Zeltbahnen der Stiftshütte darstellten. Andrew Hoy ist ein gläubiger Bruder, der einen technischen Hintergrund hat, aber auch an der Hebrew University in Jerusalem studiert hat. Er versteht den biblischen Urtext also fließend und kann gleichzeitig die Bauanleitung der Stiftshütte aus der Sicht eines Ingenieurs beurteilen.
Bei der Beurteilung der bekannten rechteckigen Darstellungen der Stiftshütte sind ihm allerdings einige Merkwürdigkeiten aufgefallen. Tatsächlich hat er je 10 Gründe aufgeführt, warum er diese Modelle sowohl aus statisch/technischer Sicht als auch auf Grund von des Bibeltextes für nicht realistisch einschätzt. Im Folgenden führe ich euch je zwei Gründe an. Die vollständige Auflistung in englischer Sprache findet ihr hier.
Technische Probleme mit der rechteckigen Form der Stiftshütte
1. Schlechte Regenabweisung: Die meisten rechteckigen Stiftshüttenmodelle verwenden flache oder fast flache Dächer (fast flache Dächer werden aus der Beibehaltung einer Zelthöhe von 10 Ellen laut Exodus 26:16 abgeleitet). Während einige Modelle einen erhöhten, zentralen, stachelähnlichen Balken aufweisen, der oben durch die Ost-West-Mittellinie verläuft, haben die meisten flache Dächer, bei dem sich das Wasser nach jeder Regenzeit in großer Menge auf dem Dach sammeln würde. Darüber hinaus fließt das vom Dach der Stiftshütte abfließende Wasser auf den Boden und nicht in das goldene Waschbecken. Das würde zu mehr vergeblicher Mühe führen – besonders in einer Wildnis, in der Wasser gelegentlich knapp war.
Anmerkung von mir: Im Übrigen ist der Querbalken, welcher in manchen Darstellungen das Flachdach zu einem Spitzdach macht, nicht im Bauplan der Siftshütte enthalten. Es ist ein zusätzliches Teil. YHWH hat aber den Anspruch, dass sein Wort genügt:
Das ganze Wort, das ich euch gebiete, das sollt ihr bewahren, um es zu tun; du sollst nichts zu ihm hinzufügen und nichts von ihm wegnehmen! (5. Mose 13,1)
2. Windbelastung und -widerstand: Rechteckige Gebäude sind asymmetrischen Windbelastungen viel stärker ausgesetzt als eine runde Struktur (die wesentlich aerodynamischer ist). Da sie einen großen Windwiderstand bieten, müssen sie fest verankert werden, um Wüstenwinden standzuhalten. Dies zeigt das in Timna, Israel, installierte rechteckige Tabernakel-Modell, das zur Verankerung hochbelastbare Niederzurrgurte verwendet.
Probleme auf Grund des Bibeltextes
1. Nichtübereinstimmung der Anzahl der Pfosten und deren Abstände im Vorhof: Rechteckige Stiftshüttenmodelle können die Pfostenmenge und den Vorhangabstand nicht genau berücksichtigen (nach Exodus 27 9-18 sind für jede Seite, Nord und Süd, 20 Pfosten zugeteilt, die 100 Ellen lang sind, mit drei Pfosten im Abstand von 15 Ellen auf der Hofseite). Bei einem Pfostenabstand von 5 Ellen wären an der Nord- und Südseite 21 Pfosten erforderlich (vorausgesetzt, es würde ein Eckpfosten verwendet), wie Charles Foster daraus ableitet und in seinem Buch “Bibelbilder und was sie uns lehren” von 1897 vermittelt.
2. Quadratische “Ringe”: Rechteckige Modelle gehen von einem quadratischen Rahmen oder “Ecken” um die Oberseite des Gebäudes aus. Im Hebräischen wird jedoch das Wort טבעת verwendet, das traditionell mit “Ring” übersetzt wird. Dieses Wort wird nicht verwendet, um Objekte mit quadratischen Ecken oder rechten Winkeln zu beschreiben, sondern um runde Dinge zu beschreiben, z.B. einen “Siegelring” (Genesis 41:42).
Die oben von mir übersetzten und angeführten vier Punkte stammen von der Webseite des Project 314, allerdings aus den Archiven der Jahre 2016 bzw. 2017 der Wayback-Machine. Den Link findet ihr oben.
Es lohnt sich, sich alle 20 Probleme, die Andrew Hoy in Zusammenhang mit den bekannten Darstellungen der Form der Stiftshütte darstellt, anzusehen.
Als Andrew dann versuchte, aus dem Bauplan der Stiftshütte selbst eine Zeichnung zu erstellen, stieß er auf folgende Entdeckung:
In buchstäblicher Anlehnung an die Exodus-Texte sollten die Stiftshüttenbauer die elf gleichartigen Zeltbahnen über die “Endkanten” in Längsrichtung (d.h. kurze Kante zu kurzer Kante) miteinander verbunden, wodurch ein extrem schmaler Streifen entstand. Natürlich würde der schmale Streifen mit nur 4 Ellen Breite, aber 330 Ellen Länge kaum als praktisches Dach zur “Bedeckung” eines Zeltes dienen. Wenn jedoch alle Bahnen an beiden Rändern miteinander verbunden würden (siehe Bild unten), ergäbe sich letztlich ein zylindrischer Aufbau, der sich für die “Bedeckung” der Seiten eines Gebäudes eignet (genau wie in Exodus 27:13 beschrieben), wobei die “Bedeckung” nicht als Dach, sondern stattdessen als Sperrwand fungiert!
Quelle: https://project314.org/learn-about/tabernacle-discovery (16.07.2020)
Hier findet ihr die Zeichnung, die er anführt.
Was Andrew Hoy also entdeckte, war, dass die Zeltbahnen grundsätzlich auch an ihren kurzen Seiten miteinander verbunden werden konnten und somit eine lange Bahn entstand. Er experimentierte dann damit, diese langen Bahnen als Zylinder anzuordnen und sie statt als Zeltdach, als Zeltwand zu gebrauchen. Damit schuf er eine kreisrunde Grundfläche für sein Stiftshüttenmodell.
Letztlich schlägt er dieses Modell der Stiftshütte vor.
Und wo befand sich nun der Räucheraltar?
Ich weiß, dass der Vorschlag von Andrew nicht unseren geprägten Vorstellungen entspricht und auf den ersten Blick auch nicht mit unserem Verständnis des Bibeltextes überein stimmen mag.
Ich habe mir die Pläne von Andrew schon vor einigen Jahren angesehen und bin zu der Einschätzung gekommen, dass er sauber gearbeitet hat. Er übersetzt und erklärt in diesen Plänen jeden Vers des Bauplans der Stiftshütte und findet für jedes Einzelteil eine sinnvolle Verwendung. Dieser Artikel soll nun nicht dazu dienen Andrews Arbeit im Detail vorzustellen. Bitte beschäftigt euch selbst damit, wenn es euch interessiert. Hier nochmal der Link zu seiner Webseite: https://project314.org/
Was ich aber hochspannend an seinem Modell finde, ist, dass er den scheinbaren Widerspruch aus unserem oben genannten Vers im Hebräerbrief auflöst.
Andrew stellt die Bundeslade ins Zentrum der runden Stiftshütte. Das Allerheiligste ist dann ein Vorhang (die uns aus dem letzten Teil bekannte porekhet), der die Bundeslade wie ein Zylinder umgibt. Der Eingang zu diesem Allerheiligsten wird von einem separaten Vorhang gebildet, in dem sich der Räucheraltar befinden dürfte.
Somit würde Andrews Modell nicht nur mit dem Bauplan aus 2. Mose sondern auch mit dem Text aus dem Hebräerbrief in Einklang stehen. Denn der Räucherltar würde dann tatsächlich zum Allerheiligsten gehören.
Ob Andrew Hoys Modell das endgültig richtige Modell ist, weiß ich nicht. Aber es erscheint mir weitaus schlüssiger als die üblichen Darstellungen. Doch ganz gleich welches Modell nun die richtige Form der Stiftshütte abbildet, so lehrt uns dieses Beispiel in jedem Fall, dass sich hinter jedem scheinbaren Widerspruch in der Schrift eine Offenbarung verbirgt und die Wahrheit nur durch gründliches Studium gefunden werden kann.
Bildquellen:
Rev. Yves Langevin/FreeBibleimages.org (Creative-Commons-Lizenz)
Pixabay.de
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Dirk
15. Februar 2022 @ 20:16
Hallo Naphtali,
über die Form der Stiftshütte heißt es in Deinem Artikel:
Damit schuf er eine kreisrunde Grundfläche für sein Stiftshüttenmodell.
Ja, was mich gar nicht mehr so verwundert, seid ich weiß, daß es zwischen der Bibel und der Kreiszahl pi vielerlei Verbindungen gibt. Durch die Konstante pi wird das Verhältnis von Umfang und Durchmesser eines Kreises beschrieben.
So weist schon allein der Titel G-tt, hebräisch elohim (Alef-Lamed-He-Yud-Mem) in 1.Mo.1,1 auf die ersten 5 Stellen von pi = 3,1415… hin:
Die Standardwerte der Buchstaben des Wortes lauten:
Alef 1
Lamed 30
He 5
Yud 10
Mem 40
1, 30, 5, 10, 40
Im hebräischen Zahlensystem gibt es keine Notation für Null. Durch Streichen der Null ergeben sich die Ziffern
1,3,5,1,4
Durch Permutation (Vertauschung) gelangen wir zu pi
31415
pi = 3,1415…
Ein zweites Beispiel:
In 3.Mo.23,39 heißt es:
Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag.
Der Festkreislauf YHWHs endet mit dem achten oder letzten großen Tag, das ist der 22. Tag des 7. Monats.
Die einfachste und leicht zu merkende Näherungsformel für pi ist der Bruch 22 geteilt durch 7
22/7 = 3,14…
pi = 3,14…
und vieles mehr.
Gruß,
Dirk
Naphtali
16. Februar 2022 @ 8:39
Schön 🙂