Auf die Details kommt es an (Teil 1) – Was befand sich in der Bundeslade?
Wie oft haben wir es schon bemerkt: Textstellen, die wir schon so oft gelesen haben, erscheinen uns durch ein bestimmtes Detail plötzlich in einem ganz neuen Licht. Ein einziges Detail kann eine ganze Erzählung verändern und ihr eine andere Richtung geben.
In letzter Zeit sind mir einige dieser Details im Wort Gottes aufgefallen, die mein bisheriges Denken über einen bestimmten Sachverhalt in der Bibel verändert haben. Unabhängig davon, wie gewichtig diese Details für mein persönliches alltägliches Leben waren, haben sie mich doch der Oberflächlichkeit im Umgang mit der Heiligen Schrift überführt.
Diese Reihe ist als Ermutigung gedacht, sich gründlich mit der Schrift auseinander zu setzen.
Was befand sich in der Bundeslade?
Als Ausgangspunkt zur Klärung der Frage, was sich in der Bundeslade befand, nutzen wir eine Beschreibung im Hebräerbrief:
Hinter dem zweiten Vorhang aber befand sich das Zelt, welches das Allerheiligste genannt wird; zu diesem gehört der goldene Räucheraltar und die Bundeslade, überall mit Gold überzogen, und in dieser war der goldene Krug mit dem Manna und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes; (Hebräer 9,3-4)
Es scheint recht eindeutig, dass es drei Teile in der Bundeslade gab: Das Manna, der Stab Aarons und die Tafeln des Bundes.
Doch nun sehen wir eine andere Bibelstelle, die uns etwas ganz anderes sagt:
Es war nichts in der Lade als nur die zwei steinernen Tafeln, die Mose am Horeb hineingelegt hatte, als YHWH mit den Kindern Israels einen Bund machte, als sie aus dem Land Ägypten gezogen waren. (1. Könige 8,9)
Als Salomo die Bundeslade in den Tempel brachte befand sich nichts darin, als nur die zwei Tafeln des Bundes vom Horeb. Das stellt uns natürlich vor die Frage, was denn in der Zwischenzeit mit dem Stab und dem Manna passiert waren. Oder waren diese beiden Objekte nie in der Lade gewesen?
Lege sie vor das Zeugnis!
Und tatsächlich, wenn wir uns die Aufträge ansehen, die Mose von YHWH bezüglich der Aufbewahrung der oben genannten Gegenstände erhielt, lesen wir nie, dass er sie in die Bundeslade legen sollte.
Der Aufbewahrungsort des Manna:
Und Mose sprach zu Aaron: Nimm einen Krug und fülle einen Gomer voll Manna hinein und stelle es vor YHWH, zur Aufbewahrung für eure Nachkommen! Wie YHWH dem Mose geboten hatte, so stellte es Aaron dort vor das Zeugnis, zur Aufbewahrung. (2. M ose 16,33-34)
Der Aufbewahrungsort von Aarons Stab:
YHWH aber sprach zu Mose: Trage den Stab Aarons wieder vor das Zeugnis, dass er aufbewahrt wird als ein Zeichen für die Widerspenstigen, damit ihr Murren vor mir aufhört und sie nicht sterben müssen! (4. Mose 17,25)
Wir sehen also, dass weder Aarons Stab noch der Krug mit Manna in die Lade, sondern davor gelegt werden sollten.
Doch was wird jetzt mit der Aussage aus dem Hebräerbrief? Ein Fehler in der Bibel? Nicht unbedingt!
Worin befanden sich Stab und Manna?
Die entscheidende Frage im entsprechenden Vers im Hebräerbrief ist, wer ist mit „dieser“ gemeint:
zu diesem gehört der goldene Räucheraltar und die Bundeslade, überall mit Gold überzogen, und in dieser war der goldene Krug mit dem Manna und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes; (Hebräer 9,4)
Nun können wir wohl davon ausgehen, dass der Hebräerbrief ursprünglich in Hebräisch geschrieben war, ist er doch an die hebräischen Gläubigen gerichtet. Wir lesen aber einen Text in deutscher Sprache, der wiederum aus einem griechischen Text übersetzt wurde. Wenn ein Text so oft bearbeitet wird, können sich einige Flüchtigkeiten einschleichen.
Möglicherweise war ein griechischer Übersetzer nicht so ganz firm darin, was sich tatsächlich in der Lade befand und evtl. auch gar nicht so sattelfest in den Genera der hebräischen Worte.
Eine mögliche Erklärung wäre, dass mit „dieser“ der Vorhang gemeint war, in bzw. hinter dem sich der Stab und das Manna befanden.
Im Hebräischen ist die Bundeslade (aron) männlich, der Vorhang welcher die Bundeslade verdeckt (porekhet) weiblich (Vgl. 2. Mose 26,33). Im griechischen hingegen ist der Vorhang (katapetasma) neutral, aber die Bundeslade (kibótos) weiblich. Könnte es also sein, dass mit „in dieser“ der Vorhang gemeint ist?
Aus dem Hebräischen kommend würde diese Deutung Sinn machen, da die Genera der Wörter in dem Falle passen würden. Wir müssten lediglich annehmen, dass der griechische Übersetzer nicht so recht Bescheid wusste, was ja nicht der einzige Fall im Neuen Testament wäre.
Die Verse 3 bis 4 aus dem Hebräerbrief Kapitel 9 würden sich dann im Original in etwa so lesen:
Hinter dem zweiten Vorhang aber befand sich das Zelt, welches das Allerheiligste genannt wird; zu diesem gehört der goldene Räucheraltar und die Bundeslade, überall mit Gold überzogen, und in/hinter diesem [Vorhang] war der goldene Krug mit dem Manna und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes;
Und so sehen wir eine Möglichkeit, wie ein scheinbarer Widerspruch, sich leicht auflösen könnte und das Neue mit dem Alten Testament übereinstimmen würden.
Natürlich bieten diese Verse im Hebräerbrief noch eine andere Merkwürdigkeit, nämlich den Räucheraltar hinter dem Vorhang, der doch eigentlich vor dem Vorhang stehen sollte (Vgl. 2. Mose 30,6). Doch dieses Thema könnte Gegenstand einer weiteren Betrachtung innerhalb dieser Reihe werden.
Bildquelle: Pixabay.de
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