Hebrew vs. Greek – Die Wiederherstellung biblischen Lebens
Im Zuge des Artikels „Prophetische Schritte ins Verheißene Land – Tel 2 – Über den Jordan“ wurde erneut der Konflikt von Praktisch und Geistlich angestoßen. Aus diesem Grunde möchte ich an dieser Stelle nochmals etwas ausführlicher auf die hebräische und griechische Gesinnung eingehen.
Das Thema Entrückung ist ein Paradebeispiel dafür. Die Lehre des Dispensationalismus brachte diese Lehre hervor und wirkt bis heute wie Gift im Leben vieler Gläubigen.
Dabei wird Entrückung so verstanden, dass der Messias eines Tages wiederkommt und alle Christen mit von der Erde wegnehmen wird. Danach kann dann die große Trübsal kommen, aber natürlich, der Herr sei gepriesen, ohne uns (dafür müssen die Juden erneut durch).
Allein in dieser kurzen Erklärung stechen Dinge wie Unlogik und Antisemitismus heraus. Zudem fehlen wichtige biblische Hintergründe wie das geteilte Königreich Israels, Einpfropfung, Tenach-Endzeitprophetien im Kontext (z.B. “die zerfallene Hütte Davids wird wieder aufgerichtet” Am 9,11-15, d.h. ein vereintes Königreich mit allen 12 Stämmen “in ihrem Land”) und eben das hebräische Denken. Dieses hat immer etwas mit Taten zu tun.
Und das ist absolut gegensätzlich zur Entrückungslehre, bei der man sich zurücklehnen und abwarten kann.
Die Wiedervereinigung von Juda und Ephraim
Wenn wir verstehen, dass Juda und Ephraim im Land Israel eins werden müssen, und sehen, dass Juda schon dort ist, dann haben Ephraimiten noch einiges zu TUN! Denn diese leben zum Großteil noch weit verstreut in der ganzen Welt. Das heißt, sie müssen noch irgendwann zurückkommen und irgendwie eins mit Juda werden. Eine Entrückung in den Himmel und „nach mir die Sintflut“ passt in dieses Konzept nicht hinein.
Das Gegenteil ist der Fall. Juda brauchte leider viel Verfolgung und Trübsal, um sich auf den Weg nach Israel zu machen. Würde es da nicht genauso Sinn ergeben, dass die „große“ Trübsal dazu da ist, die restlichen Stämme Israels nach Hause zu „treiben“ (weil die meisten sich alleine nicht aufmachen)?
Der Unterschied zwischen dem hebräischen und dem griechischem Endzeit-Konzept ist also gravierend. Beim hebräischen macht man sich auf, lässt Gewohntes hinter sich, kommt ins Verheißene Land, besiedelt und bebaut es und sucht die Verbindung, Gemeinschaft und Vereinigung mit Juda. Das ist Praxis pur!
Beim griechischen Denken dagegen kommt der Messias, entrückt alle Gläubigen und macht Juda und Ephraim irgendwie wieder EINS – am besten indem Er die anderen (Juda) zurechtweist.
(Beachte hier geht es nicht unbedingt um Richtig und Falsch, sondern zunächst um unterschiedlich geartete Interpretationen – auch wenn im Hebräischen wohl mehr Wahrheit liegt.)
Nächstes Beispiel: Kindererziehung
Das griechische Denken hat viel mit Denken, Philosophieren und damit auch in gewissem Sinne mit Passivität zu tun. Beim Thema Kindererziehung kommt das stark zum Ausdruck.
Unser Ziel ist es, dass wir unsere Kinder in der Bibel, im Gebet und in der Beziehung zu Gott erziehen. Wie geschieht das?
Beim griechischen Verständnis werden diese Dinge anerzogen, indem darüber gelehrt wird, z.B. in der “Sonntagsschule”. Beim Hebräischen geschieht dies dagegen durch Vorleben.
Wenn wir uns beispielsweise fragen, wo jüdische Kinder während der Versammlung in der Synagoge sind, überrascht die Antwort keineswegs: Sie sind mittendrin! Schließlich sollen sie sehen, wie die Erwachsenen beten und singen, damit sie es nachmachen.
Doch nicht nur die Methoden unterscheiden sich. Auch der Lerninhalt ist verschieden.
Die hebräische Erziehung ist gespickt mit Taten: Lernen, Gutes zu tun – helfen, schenken, beten, vergeben, loben… All das sind praktische Aspekte unseres Lebens, die unsere Kinder üben müssen. Das geschieht nicht (nur) durch Lehre, sondern vor allem durch Taten – einüben, antrainieren und abschauen. Ein bekanntes jüdisches Sprichwort besagt, wenn du deinen Sohn lehrst, die Torah zu studieren, aber es nicht selbst tust, dann wird er zu einem, der seinen Sohn lehrt, die Torah zu studieren, ohne es selbst zu tun. Lebst du es ihm vor, wird er selbst darin leben.
Übrigens ist auch der christliche (griechisch geprägte) und jüdische (hebräisch geprägte) Gottesdienst bezeichnend unterschiedlich. Während Christen häufig berieselt und von vorne geprägt werden, sind jüdische Versammlungen Gemeinschaftsveranstaltungen, bei denen gemeinsam gebetet wird.
Die Liebe
Liebe ist ein weiteres Paradebeispiel.
Für griechisch geprägte Menschen ist Liebe ein Begriff, der mit Gefühlen und Denken gefüllt ist. Und viel weniger mit Taten.
Doch wie merkt zum Beispiel meine Frau, dass ich sie liebe, wenn nicht dadurch, dass ich es ihr mit Taten zeige (inkl. Worten). Wie vergeblich ist es doch, jemandem täglich zu sagen, dass man ihn liebt, wenn man ihn nicht auch dementsprechend behandelt!?
Auch in der Bibel ist Liebe (zu Gott) nicht philosophisch (griechisch), sondern praktisch (hebräisch; vgl. 2.Mo 20,6 und 5.Mo 11,1).
Teshuva
Ein kleines „Tut mir leid“ und alles ist wieder gut? Nicht so im hebräischen Denken!
Teshuva bedeutet nicht nur Umkehr, Umdenken und Vergeben, sondern es entspricht einem Wiedergutmachen. Das erkennen wir zum Beispiel daran, dass die Torah beim Stehlen eine vielfache Erstattung fordert.
Und wir spüren es auch in Beziehungen. Wenn ich meinen Gegenüber enttäuscht habe, reicht es nicht, einfach „Entschuldigung“ zu sagen. Gesten, die zeigen, dass tatsächliche Buße geschieht, sind nötig: Umarmungen, Geschenke, Aufmerksamkeiten…
Leiterschaft
Auch der Bereich Leiterschaft kann von hebräischem oder griechischem Denken beeinflusst sein.
Zum einen geht es um das Ausleben von Leiterschaft. Lebt man es durch Vorleben (Hebräisch) oder durch Aufforderung (Griechisch)?!
Doch auch in der Qualifikation eines Leiters lassen sich Unterschiede erkennen. So konnte nach der Überlieferung niemals jemand zum Hohepriester werden, wenn er nicht verheiratet war und selbst Kinder hatte. Und es macht durchaus Sinn, wenn man etwas über den Charakter eines Leiters erfahren möchte. Im Umgang mit der Familie, in seinen Taten, nicht in seinen Worten, wird so einiges sichtbar.
In hebräischer Leiterschaft bewährt man sich also durch Taten. Menschen folgen einem Leiter, weil sie sein Leben sehen (!): Sie sehen seine guten Taten und sehen, dass Gott mit ihm ist. Ein hebräischer Leiter hat eine Vorbildsfunktion inne. Sein guter Ruf eilt ihm voraus, seine Familie wächst und gedeiht, seine barmherzigen Taten sind weithin bekannt.
Ein griechischer Leiter zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen ihm folgen, weil er große Worte oder wichtige Reden schwingt. Statt Taten liegen ihm die Rhetorik, Stilmittel, Ausdruck und Aussehen am Herzen – wie komme ich bei den Menschen an? Wie kann ich mein “Publikum” bestmöglichst unterhalten?
Er spricht gerne über eher philosophische Konzepte, gerade wenn es um den Glauben geht. Sein Ziel ist es, sein Publikum mitzureißen und zu animieren, nicht wirklich “Talmidim (Schüler/Jünger) zu haben.
Hingegen wird im Hebräischen die Lehrer/Rabbi-Schüler-Beziehung als eine der kostbarsten überhaupt angesehen. Ein hebräischer Lehrer ist bemüht, immer für seine Schüler da zu sein und sein Leben mit ihnen zu teilen.
Natürlich sind Menschen sensibel für diesen Unterschied. Ganz klar folgt man viel eher einem Leiter, der sich bewährt hat. Der mit Taten seine Reden unterstrichen hat. Vor allem in Extremsituationen.
Denn den wahren Charakter von Menschen erkennt man dann, wenn sie unter Druck sind. Wie verhalten sie sich in Krisen? Wie groß ist ihr Glaube und Vertrauen in Gott?
Leiter in der Bibel
Für diese Thematik finden wir in der Bibel wunderbare Beispiele.
So haben sich etwa Abraham, Mose und König David zunächst durch Taten bewährt und ausgezeichnet, bevor sie gesegnet oder als Leiter/König eingesetzt wurden.
Andere Personen dagegen wollten zu Macht kommen, ohne dass sie sich zuvor durch Taten profilierten. Denken wir an Absalom. Dieser redete (!) auf viele Menschen ein, um sie auf seine Seite zu ziehen:
Und so stahl sich Absalom die Herzen der Männer von Israel. (2.Sam 15,6b)
Gesunde Autorität erhält man nur durch Profilierung. Auch Josef, Jakobs Sohn, musste diese Erfahrung machen. Schon in frühen Jahren bekam er durch Träume die Zusagen über seine spätere Herrschaft und versuchte diese auch gleich zu erhalten. Doch nachdem dies nicht funktionierte musste er durch die Wüste. Er erlebte, dass er nur zur königlichen Leitung kommen kann, wenn er sich bewährt (auch gegenüber Gott und Seiner Torah).
König David kann davon ein Lied singen (hat er sogar). Schon als junger Mann wurde er zum König über Israel gesalbt. Angetreten hat er diesen Dienst aber erst nach vielen Jahren – und das nachdem er viele Herausforderungen und Prüfungen positiv gemeistert hatte. Seine Taten führten dazu, dass sich ihm immer mehr vom Volk Israel anschlossen.
Bei ihm sticht sogar seine Loyalität gegenüber den gesalbten König Saul heraus. Trotz Feindschaft und Verfolgung, tastete er diesen nie an.
Leiterschaft, Kindererziehung, die Endzeit-Lehre… viele Bereiche unseres Lebens können hebräisch oder griechisch geprägt sein. Sicherlich wird schnell klar, welche Seite eher der biblischen Lehre entspricht: “Schma Yisrael” – das bedeutet: “Höre und handle danach”!
Auf dem Weg der Wiederherstellung sind wir gefordert, viele unserer Glaubens- und Lebenskonzepte durchleuchten zu lassen.
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