Die zwei Zeugen (Teil 1) – Am Tag des Herrn
Das Buch der Offenbarung ist ein Buch vieler Mysterien. Es enthält Bilder, die nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln sind. Es bedarf etwas Zeit im Studium der Schrift, um die Geheimnisse der Offenbarung zu lüften. Wer ist die Hure Babylon? Was hat es mit den sieben Posaunen, den sieben Siegeln und den sieben Zornschalen auf sich? Und die sieben Sendschreiben? Wer sind die beiden Tiere aus Kapitel dreizehn?
Ich lerne immer mehr, dass die Bibel aus einem Guss und in einem hebräischen Geist geschrieben ist. Selbst in den griechischen Texten, ist dieser hebräische Geist noch erkennbar. Somit ist auch das Buch der Offenbarung nur vor dem Hintergrund der hebräischen Schriften ausleg- und verstehbar.
In dieser Reihe wollen wir uns ein Element aus dem Buch der Offenbarung etwas genauer ansehen. Es handelt sich dabei um die Zwei Zeugen.
Es wurde bereits viel geschrieben und gelehrt über diese beiden mysteriösen Personen. Namen wie Henoch, Elia oder Mose wurden als mögliche Kandidaten gehandelt, die in der Drangsal wieder kommen werden, um ein besonderes Zeugnis zu geben. Andere Theorien sehen in den zwei Zeugen eher eine Metapher auf Juden und Christen. Wieder andere auf Jeschua und den Heiligen Geist.
Viele Theorien zum Thema der Zwei Zeugen haben eins gemeinsam: Sie weisen einen hohen Grad an Spekulation auf. Natürlich ist die Auslegung biblischer Prophetie in einem gewissen Maße immer spekulativ. Doch sollte es unser Ziel sein, so viele Informationen wie möglich aus der Heiligen Schrift zu ziehen, um eine Prophetie entschlüsseln zu können. In vielen Fällen, bietet die Heilige Schrift an anderen Stellen, die Puzzlestücke, die wir brauchen, um eine bestimmte prophetische Aussage entschlüsseln zu können.
Wir wollen uns in dieser Reihe etwas eingehender mit den Aussagen beschäftigen, die über die Zwei Zeugen im Buch der Offenbarung gemacht werden und schauen, ob wir diese Aussagen durch verwandte Prophetien in der Bibel spezifizieren können.
In diesem ersten Teil wollen wir klären, in welchem Kontext diese beiden Gestalten auftreten werden.
Das Buch der Offenbarung wurde von dem Apostel Johannes während seiner Verbannung auf der Insel Patmos zwischen den Jahren 94-96 unserer Zeitrechnung geschrieben. Er erhielt Visionen von Jeschua und schrieb diese auf.
Der allgemeine Kontext dieser Visionen ist in einem Auftrag an Johannes am Anfang des Buches auch genannt. Alles, was er sah und aufschrieb, ist im Kontext des Tages des Herrn einzuordnen:
Ich war im Geist am Tag des Herrn, und ich hörte hinter mir eine gewaltige Stimme, wie von einer Posaune, die sprach: Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte!, und: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es den Gemeinden, die in Asia sind: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamus und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea! (Offenbarung 1,10-11)
Johannes hatte den Auftrag, alles, was er in seinen Visionen zum Tag des Herrn sah, in ein Buch aufzuschreiben und den sieben genannten Gemeinden zu übermitteln. Das Ergebnis von Johannes Aufzeichnungen ist das Buch der Offenbarung. YHWH sei Dank, dass auch wir es heute lesen können!
Der Tag des Herrn ist eine Formulierung, die eine Zeitperiode von dreieinhalb Jahren, 1260 Tagen bzw. 42 Monate zu umfassen scheint. Wir werden noch sehen, dass dieses Zeitangabe wiederholt im Bericht von Johannes auftaucht. Wir kennen diese Zeitperiode auch unter dem Begriff der großen Drangsal. Obadja nutzt gar die Formulierung „Tag der Drangsal“ (Vgl. Obadja 12.14). Somit liegt es nahe, dass wir die große Drangsal und den Tag des Herrn gleich setzen können.
Ein Teil der Visionen, die Johannes auf Patmos erhielt, war die der Zwei Zeugen. Sie begann wie folgt:
Und mir wurde eine Messrute gegeben, gleich einem Stab; und der Engel stand da und sagte: Mache dich auf und miss den Tempel Gottes samt dem Altar, und die, welche darin anbeten! Aber den Vorhof, der außerhalb des Tempels ist, lass aus und miss ihn nicht; denn er ist den Heidenvölkern übergeben worden, und sie werden die heilige Stadt zertreten 42 Monate lang. (Offenbarung 11,1-2)
Zur Zeit von Johannes’ Vision war der zweite Tempel in Jerusalem bereits seit über 20 Jahren durch die Römer zerstört. Er sah dennoch einen Tempel in dieser Vision. Es muss also mindestens ein dritter Tempel gewesen sein, den Johannes sah – ein dritter Tempel, den das Tempelinstitut in Jerusalem bis heute zu bauen plant. Die Messrute impliziert möglicherweise, dass Teile des Tempels in Johannes’ Vision noch nicht fertig gestellt sind und sich noch in Planung bzw. Vermessung befinden (Vgl. Jesaja 44,13). Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass YHWH diesen Tempel zum Gericht und zur Zerstörung bestimmt hat (Vgl. 2. Samuel 8,2; Jesaja 34,11).
Dennoch wird dieser Tempel von Johannes als Tempel Gottes prophezeit. Er ist mit einem Altar ausgestattet, es gibt Menschen, die darin anbeten und einen Vorhof, der den Heidenvölkern überlassen ist. Diese werden die heilige Stadt Jerusalem für 42 Monate zertreten. Sie werden sie verunreinigen.
In diesem Kontext treten die Zwei Zeugen in Erscheinung, was durch ein „Und“ als Satzbeginn unterstrichen wird.
Und ich will meinen zwei Zeugen geben, dass sie weissagen werden 1 260 Tage lang, bekleidet mit Sacktuch. (Offenbarung 11,3)
Die Zeitspanne des Wirkens der Zwei Zeugen beträgt 1260 Tage, was 42 Monaten bei jeweils 30-Tage-Monaten genau entspricht. Ein Monat von 30 Tagen kommt im hebräischen Kalender auf jeden Fall dann vor, wenn es keine Sichtung der Mondsichel zum Ende des 29.Tages des Monats gab (siehe auch hier).
In der Schrift haben wir Aussagen in Bezug auf die Drangsal, dass sie sich sowohl über 1260 Tage erstreckt, als auch, dass diese Zeit sehr dunkel sein wird, was mindestens auf schlechte Sichtverhältnisse hindeuten kann. Somit hätten wir auch eine mögliche Erklärung für andauernde 30 Tage Monate.
Wird nicht der Tag des YHWH’s Finsternis sein und nicht Licht, Dunkelheit und nicht Glanz? (Amos 5,20)
Siehe, der Tag YHWH’s kommt, unbarmherzig, mit Grimm und Zornglut, um die Erde zur Wüste zu machen und die Sünder daraus zu vertilgen. Ja, die Sterne des Himmels und seine Sternbilder werden nicht mehr glänzen; die Sonne wird sich bei ihrem Aufgang verfinstern und der Mond sein Licht nicht leuchten lassen. (Jesaja 13,9-10)
Hier einige Stellen zu den 1260 Tagen, 42 Monaten oder dreieinhalb Zeiten – die Dauer der Drangsal bzw. des Tages des Herrn:
Und es wurde ihm [dem Tier] ein Maul gegeben, das große Worte und Lästerungen redete; und es wurde ihm Macht gegeben, 42 Monate lang zu wirken. (Offenbarung 13,5)
Und er wird [freche] Reden gegen den Höchsten führen und die Heiligen des Allerhöchsten aufreiben, und er wird danach trachten, Zeiten und Gesetz zu ändern; und sie werden in seine Gewalt gegeben für eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit. (Daniel 7,25)
Und die Frau floh in die Wüste, wo sie einen von Gott bereiteten Ort hat, damit man sie dort 1 260 Tage lang ernähre. (Offenbarung 12,6)
Da hörte ich den in Leinen gekleideten Mann, der oberhalb der Wasser des Flusses war, wie er seine Rechte und seine Linke zum Himmel erhob und bei dem schwor, der ewig lebt: Eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit; und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes vollendet ist, so wird das alles zu Ende gehen! (Daniel 12,7)
All die oben genannten Stellen, stehen im Selben Kontext. Es wird ein großer antichristlicher Führer auftreten, der Krieg gegen das Volk Gottes führen wird, wobei er danach trachtet das Gesetz (die Torah) zu verändern. Glaubwürdigkeit versucht er durch große Zeichen und Wunder zu erlangen (Vgl. Offenbarung 13,13) und indem er sich selbst als Gott ausgeben und seinen Thron in Gottes Tempel setzen wird (Vgl. 2. Thessalonicher 2,3-4).
Wir werden also einen zumindest im Bau befindlichen Tempel mit einem intakten Altar in dieser Zeit erkennen.
Die Braut Gottes wird verfolgt, aber von Ihm an einem sicheren Platz in der Wüste versorgt werden.
Und auch die Zwei Zeugen werden diese 1260 Tage lang wirken.
Es liegt sehr nahe, dass all diese Geschehnisse in dem Selben Zeitraum von dreieinhalb Jahren oder 42 Monaten stattfinden werden.
Dies ist der Kontext, in dem wir die Zwei Zeugen verorten sollten. Eine dunkle antichristliche Zeit, in der der Tempel Gottes und die heilige Stadt Jerusalem besudelt werden.
Die Zeugen werden in Sacktuch bekleidet weissagen. Sie werden prophetisch wirken und als Zeugen des Allmächtigen die gefallene Menschheit zu ihrem Schöpfer zurück rufen. Das Sacktuch deutet auf Buße und Umkehr hin (Vgl. Nehemia 9,1; Jona 3,8).
Somit wird Gott Zwei Zeugen in die dunkle Zeit der Drangsal entsenden, um der Menschheit eine letzte Chance der Umkehr zu geben. Sie stellen das Gegengewicht zum Wirken des Antichristen dar. Sie werden vom wahren Gott und Schöpfer zeugen und auf Ihn hinweisen.
Wie großartig und barmherzig ist unser Gott!
Im folgenden Teil werden wir die Identität der beiden Zeugen auf Grundlage der hebräischen Prophetien der Tenach versuchen, zu entschleiern.
Bildquelle: https://pixabay.com/de/%C3%B6lbaum-mehr-olive-der-alte-baum-333973/ (Bild wurde bearbeitet)
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Ottmar Schaffert
12. Januar 2019 @ 16:36
Schalom Naftali,
ich weiß nicht ob es schon aufgefallen ist.
Es sind keine 3,5 Jahre bei Daniel,
sondern eine Zeit dann zwei Zeiten und dann nochmals eine halbe Zeit.
Grüße
Ottmar ( nazarin )
Naphtali
14. Januar 2019 @ 0:41
Schalom Ottmar,
Danke für Deine Anmerkung. Du hast recht, wörtlich steht bei Daniel nichts von 3,5 Jahren.
Doch da sich diese Zeitangabe in der Offenbarung in direktem Zusammenhang mit der Angabe von 1260 TaAgen, was 3,5 Jahren entspricht, befindet (Vgl. Offenbarung 12,6.14),, denke ich, kann sie gut als dreieinhalb JAhre gedeutet werden.
Liebe Grüße
Naphtali