#49 Ki Tavo – „Wenn du kommst“
Ki Tavo
5. Mose 26,1-29,8
Jesaja 60,1-22; Lukas 23,26-56
Die Lesung Ki Tavo beginnt mit der Aufforderung Gottes an Israel, die ersten Früchte des Landes zum Tempel zu bringen. Diese sollten in einem Korb zum Priester gebracht werden. Dabei sollte der Überbringer Folgendes laut aussprechen:
Da sollst du das Wort ergreifen und vor YHWH, deinem Gott, sprechen: »Mein Vater war ein umherirrender Aramäer; und er zog nach Ägypten hinab und lebte dort als Fremdling mit wenigen Leuten, und er wurde dort zu einem großen, starken und zahlreichen Volk.
Aber die Ägypter misshandelten uns und bedrückten uns und legten uns harte Arbeit auf.
Da schrien wir zu YHWH, dem Gott unserer Väter. Und YHWH erhörte unsere Stimme und sah unser Elend und unsere Mühsal und Unterdrückung;
und YHWH führte uns aus Ägypten mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm und mit gewaltigen, furchtgebietenden Taten und durch Zeichen und durch Wunder,
und brachte uns an diesen Ort und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließt.
Und siehe, ich bringe nun die ersten Früchte des Landes, das du, o YHWH, mir gegeben hast!« — Und du sollst sie vor YHWH, deinem Gott, niederlegen und sollst vor YHWH, deinem Gott, anbeten; (5. Mose 26,5-10)
Anschließend heißt es, dass der Hebräer, welche seine Erstlingsfrüchte dargebracht hatte, fröhlich sein sollte, wegen all des Guten, was YHWH ihm und seinem Haus gegeben hatte. (Vgl. 5. Mose 26,11).
Wir wollen uns das beschriebene Gebot etwas genauer ansehen und schauen, welche Rolle es für uns spielt, auch wenn wir nicht zu der Generation gehören, die damals ins verheißene Land gekommen ist.
Die Früchte des Landes
Unter jüdischen Kommentatoren besteht weitgehend Einigkeit, dass es sich bei den Erstlingen der Früchte des Landes um die sieben Früchte handelt, die wir aus 5. Mose 8,8 kennen. Sollte also jemand einen Apfelbaum gepflanzt haben, so würde er seine Erstlinge von diesem Baum dennoch zu den Priestern gebracht haben, aber nicht im Zusammenhang des Gebots aus Ki Tawo.
Das beschriebene Gebot bezieht sich ausdrücklich auf die sieben Früchte des Landes, die da wären:
ein Land, in dem Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel gedeihen, ein Land voller Olivenbäume und Honig; (5. Mose 8,8)
Wenn wir uns die hebräischen Wörter dieser Früchte ansehen, dann können wir sehr interessante Zusammenhänge feststellen. Und wenn wir diese Zusammenhänge kennen, dann verstehen wir auch, was Gott uns mit dem Gebot aus Ki Tavo mitteilen möchte.
Die Früchte und ihre hebräischen Wurzeln
1. Der Weizen
Das hebräische Wort für Weizen lautet חִטָּה (chitta) und ist eng verwandt mit dem hebräischen Wort für Sünde oder sündigen. Wenn also der Hebräer seinen ersten Weizen in einem Korb zum Tempel brachte, übergab er damit symbolisch auch seine Sünden dem Allmächtigen. Dem ging natürlich voraus, dass er sich von ihnen löste.
2. Die Gerste
Das hebräische Wort für Gerste lautet שְׂעֹר (seor) und teilt sich die Wurzel mit dem Wort für Angst oder Furcht. Damit befand sich im Korb des Hebräers auch ein Symbol für seine Ängste, die er YHWH übergab.
3. Der Weinstock
Das hebräische Wort für Weinstock lautet גֶּפֶן (gaphen). Dessen Wurzel גפפ (gaphaph) kann mit umkreisen oder winden übersetzt werden. Wenn etwas gewunden ist, so ist es nicht gerade. So befindet sich im Korb des Hebräers auch ein Symbol für all seine krummen Wege.
4. Die Feigen
Das hebräische Wort תְּאֵן (te’en) für Feigen steht mit Worten in Verbindung, die mit Schwere oder Bürde übersetzt werden können. Damit gibt der Hebräer in seinem Korb auch all seine Lasten und Bürden an Gott ab.
5. Die Granatäpfel
רִמּוֹן (rimmon) ist das hebräische Wort für Granatapfel und kommt von der Wurzel rammah, welche mit erhöhen oder auftürmen übersetzt werden können. Im geistlichen Sinne wird die Erhöhung auch mit Überheblichkeit oder Arroganz gleichgesetzt. Auch ein Symbol für diese Eigenschaften hatte der Hebräer in seinem Korb und übergab sie dem Allmächtigen.
6. Die Oliven
Das Öl der Oliven steht für Fettigkeit. Aus der Schrift wissen wir, dass Israel Gott verwarf, als es fett und feist geworden war (Vgl. 5. Mose 32,15). Doch mit dem Korb der Erstlingsfrucht gab der Hebräer auch seine Rebellion ab, die aus seinem Wohlstand resultierte.
7. Der Honig
Beim Honig handelte es sich nicht um Bienenhonig, sondern um eine Art Dattelmus. Dieses hat eine zähe und klebrige Konsistenz. Als Israel durch die Wüste zog, war dies auch ein zähes Unterfangen, denn tatsächlich hätte der ganze Weg vom Sinai bis zur Grenze nach Kanaan in elf Tagen (Vgl. 5. Mose 1,2) gegangen werden können. Doch tatsächlich dauerte es 40 Jahre. Grund dafür war das Murren und der Ungehorsam Israels. Mit der Übergabe des Korbs an den Priester löste sich der Hebräer auch von seinem Murren.
Die Erstlingsfrüchte aus Ki Tavo
Wir sehen, dass die Gabe der Erstlingsfrüchte, wie sie in Ki Tavo beschrieben ist, weit mehr Bedeutung hatte, als einfach einen Korb Obst und Getreide zum Tempel zu bringen. Tatsächlich möchte Gott, dass wir ihm unsere Rebellion, unsere Arroganz, unsere Ängste und alle unsere Sünden bringen. Und wir ehrlich sind, sind dies oft die Eigenschaften, die sich als Erstes in uns manifestieren.
Wenn wir diese Charaktereigenschaften YHWH übergeben, können wir uns im Ergebnis darüber freuen, dass Er uns so viel Gutes tut, denn er möchte uns von all unserer Last befreien.
Und so können wir das Dasein unseres Vaters, der ein umherirrender (es könnte auch mit sterbender) Aramäer war, überwinden und ein besseres Leben im Segen des Allmächtigen führen.
Bildquelle: Pixabay.com
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