#44 Wa‘etchanan – „Und ich flehte“
Wa’etchanan
5. Mose 3,23-7,11
Jesaja 40,1-26; Lukas 3,2-15
Auf welcher Basis gibt Gott seinem Volk das Land Israel? Die Lesung Wa‘etchanan gibt uns eine eindeutige Antwort auf diese Frage.
Und weil er deine Väter liebte und ihren Samen nach ihnen erwählt hat, hat er dich mit seinem Angesicht durch seine große Kraft aus Ägypten herausgeführt, (5. Mose 4,37)
Weil Gott die Stammväter liebte und mit ihnen einen Bund geschlossen hat, hatte auch Israel das Anrecht, das Land einzunehmen. Doch tatsächlich besaßen weder Abraham noch Isaak oder Jakob das Land. Lediglich die Höhle Machpela und später Sichem konnten die Patriarchen ihr Eigen nennen. Wie konnten sie also ein Erbe an ihre Nachkommen austeilen?
Die tiefere Bedeutung des Erbes
Der obige Vers geht weit tiefer und in geistliche Bereiche hinein, asl es auf den ersten Blick scheint. Es heißt, dass YHWH den Samen der Stammväter erwählt hätte.
Wir sehen dies beispielsweise in diesem Vers, in dem Gott einen Bund mit Abraham schloss und seinen Samen in diesen inkludierte:
Und ich will meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinem Samen nach dir von Geschlecht zu Geschlecht als einen ewigen Bund, dein Gott zu sein und der deines Samens nach dir. (1. Mose 17,7)
Folglich ist das Bündnis, welches die Väter mit Gott geschlossen haben, die Grundlage für das Erbe der Kinder. Diese können ihr Erbe ausschlagen, indem sie den Geboten Gottes nicht gehorsam sind. Doch wenn sie ihr Leben nach den Mitzwot des Allmächtigen ausrichten, bekennen sie sich zu ihrem Erbe und wollen es auch annehmen.
Tatsächlich ist das der Kern unseres Gottesdienstes. Als Kinder, die ihrem Vater gehorsam sind, ehren wir ihn und er möchte uns gern ein Erbe hinterlassen. Durch den Bund, der bereits zwischen Gott und unseren Vätern geschlossen ist, ist dieses Erbe auch rechtmäßig unseres. Alles, was wir tun müssen, ist es in Besitz zu nehmen.
Und nun, Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechtsbestimmungen, die ich euch zu tun lehre, damit ihr lebt und hineinkommt und das Land in Besitz nehmt, das euch YHWH, der Gott eurer Väter, gibt. (5. Mose 4,1)
Doch was ist tatsächlich unser Erbe?
Das Land als Territorium
Das hebräische Wort für Land lautet אֶרֶץ (eretz) und könnte auch als Territorium übersetzt werden. Ein Territorium ist ein Herrschaftsgebiet, in dem die Gesetze eines Staates, eines Stammes oder einer Institution gelten. Diese Verwendung sehen wir in der Torah in Formulierungen wie „das Land Ephraim“ oder „das Land Judah“ (Vgl. 5. Mose 34,2).
In einem Territorium gilt ein bestimmtes Gesetz und herrscht ein König oder ein anderes Oberhaupt. Die konkreten geografischen Grenzen sind dabei zweitrangig, weil sich Territorien ausbreiten oder verkleinern können. Das entscheidende Element eines Territoriums ist die Autorität, die über selbigem steht.
Vor diesem Hintergrund verstehen wir den folgenden Vers viel besser:
Mose hat uns ein Gesetz befohlen, ein Erbteil [für] die Gemeinde Jakobs. (5. Mose 33,4)
Wenn wir das hebräische Wort eretz vorrangig als Territorium verstehen, können wir leicht erkennen, welches Erbe uns die Stammväter hinterlassen haben. Es geht nicht in erster Linie um ein geografische eingrenzbares Land. Es ist zunächst der Herrschaftsbereich Gottes, der durch die Torah definiert ist, der uns als Erbe zusteht.
Folglich leben wir bereits in dem Erbe, welches Gott unseren Vätern gegeben hat, wenn wir in der Torah wandeln. Das Erbe Gottes erreicht uns also im Hier und Jetzt – in der Gegenwart.
Das ewige Erbe
Jeschua sagte einmal, dass seine Worte nicht vergehen würde, (Vgl. Matthäus 24,35). An derselben Stelle meinte er aber auch, dass Himmel und Erde vergehen würden. Auch wenn die Geografie sich verändern kann, bleibt sein Gesetz in Ewigkeit bestehen und definiert seinen Herrschaftsbereich, sein Territorium.
Da Gott ewig ist, werden wir ihn vorrangig in den Momenten erleben, die ewig sind. Der einzige Moment, in dem wir Ewigkeit erleben können, ist JETZT. Es ist die Gegenwart, die ewig ist, denn sie bleibt für immer.
Der Vergangenheit ist geschehen und die Zukunft ist ungewiss. Die Gegenwart, das JETZT, hingegen ist ewig.
Und so haben wir Zugriff auf das Eretz Israel als unser Erbe, wenn wir jeden Moment bewusst in der Gegenwart Gottes leben. Letztlich ist dies unser Erbteil, denn als Sünder waren wir von diesem Privileg komplett abgeschnitten. Nur durch das Bündnis, welches Gott mit unseren Vätern geschlossen hat, steht auch uns der Weg wieder frei, mit dem Schöpfer von Himmel und Erde verbunden zu sein.
Lasst uns dieses Erbe ergreifen und nie mehr loslassen!
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