#39 Chukkat – „Satzung“
Chukkat
4. Mose 19,1-22,1
Richter 11,1-33; Johannes 19,38-42
Die Lesung Chukkat erzählt uns eine Begebenheit, die uns veranschaulicht, wie wichtig es ist, unseren ersten Eindruck noch einmal genauer zu prüfen.
In diesem Kommentar werden wir uns auch ein wenig der jüdischen Überlieferung bedienen und sehen, was wir daraus lernen können.
Der König von Arad
Zunächst wollen wir uns die Verse ansehen, um die es gehen soll:
Und als der Kanaaniter, der König von Arad, der im Negev wohnte, hörte, dass Israel auf dem Weg nach Atarim heranzog, kämpfte er gegen Israel und führte Gefangene von ihm weg. Da legte Israel ein Gelübde ab vor YHWH und sprach: Wenn du dieses Volk wirklich in meine Hand gibst, so will ich an ihren Städten den Bann vollstrecken! Und YHWH erhörte die Stimme Israels und gab die Kanaaniter [in ihre Hand], und Israel vollstreckte an ihnen und an ihren Städten den Bann, und man nannte den Ort Horma. (4. Mose 21,1-3)
Nachdem Aaron gestorben war, kam der Kanaaniter und König von Arad und zog gegen das Volk in die Schlacht. Wenn wir uns an dem Midrasch Bamidbar Rabbah 19,20 orientieren, scheint es in dieser Erzählung einige Ungereimtheiten zu geben.
Zunächst einmal befindet sich das Volk Israel ja immer noch östlich des Jordans. Warum waren es nicht die Könige Sihon und Og, deren Länder ja direkt das Lager Israels angrenzten, die den ersten Schlag führten? Warum kam zuerst Arad aus dem Süden? Und was hatte er gesehen bzw. gehört?
Nach der jüdischen Überlieferung verschwand die Wolke, die Herrlichkeit Gottes, nachdem Aaron gestorben war. Der König von Arad sah seine Chance gekommen und zog gegen Israel ins Feld.
Das Volk Gottes sah in Aaron wohl mehr als einen menschlichen Priester. Es scheint, als sei das Klagen und Weinen mehr als einfache Trauer gewesen zu sein (Vgl. 4. Mose 20,29). Sie fühlten sich wohl von ihm abhängig – und weniger von Gott.
Und wann immer Israel begann gegen YHWH zu murren, war Amalek nicht weit. Schauen wir uns die nachfolgenden Beispiele an:
- Amalek erschien in Rephidim, nachdem Israel gegen YHWH gemurrt hatte und die Frage formulierte: Ist YHWH in unserer Mitte oder nicht? (Vgl. 2. Mose 17,1-8)
- Amalek erschien außerdem, als Israel sich eigene Anführer geben (Vgl. 4. Mose 14,4) und entgegen der Anweisung Gottes, das Land einnehmen wollte (Vgl. 4. Mose 14,39-45)
Und nun scheint es nach jüdischer Überlieferung wieder einmal Amalek zu sein, der sich in der Form des Königs von Arad dem Volk Israel in den Weg stellte.
Was noch auf Amalek hindeutet
Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich in dem oben genannte Person um Amalek handelte, ist der Wohnort des Königs von Arad. Der Negev (oder Süden) ist nämlich auch der Wohnort von Amalek.
Die Amalekiter wohnen im Land des Negev; die Hetiter, Jebusiter und Amoriter aber wohnen im Bergland, und die Kanaaniter am Meer und entlang des Jordan. (4. Mose 13,29)
Die Israeliten schienen den Braten aber zu riechen, denn sie gaben ein Gelübde ab, welches besagte, dass sie an allen Städten Amaleks den Bann vollstrecken würden. Wir könnten meinen, dass sie dies als eine Art Erstlingsgabe verstanden. Doch Josua sah die Eroberung Jerichos wohl als Erstlingsfrucht für YHWH, denn er befahl ebenfalls, dass alles in der Stadt dem Bann verfallen sollte (Vgl. Josua 6,17).
Zwar sollten die Kinder Israels die Kanaaniter ausrotten, doch es war ihnen sehr wohl erlaubt, die Städte zu nutzen, denn es heißt:
Wenn dich nun YHWH, dein Gott, in das Land bringen wird, von dem er deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, es dir zu geben, große und gute Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser, voll von allem Guten, die du nicht gefüllt hast, und ausgehauene Zisternen, die du nicht ausgehauen hast, Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast; und wenn du isst und satt geworden bist, … (5. Mose 6,10-11)
Doch in Bezug auf Amalek war klar, dass sein Gedenken komplett unter dem Himmel ausgetilgt werden würde.
Da sprach YHWH zu Mose: Schreibe das zum Gedenken in ein Buch und präge es den Ohren Josuas ein: Ich will das Andenken Amaleks ganz und gar austilgen unter dem Himmel! (2. Mose 17,14)
Die List Amaleks
Was wir aus der Lesung Chukkat und der Begebenheit rund um den König von Arad lernen können, ist, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Amalek, ein Enkel Esaus, wird sich verstellen. Er wird versuchen, Israel in eine Falle zu locken.
Rashi spekuliert, dass Amalek durch sein Versteckspiel die Gebete Israels in eine falsche Richtung locken wollte. Wenn das Volk für einen Sieg über die Kanaaniter beten, aber gegen Amalek kämpfen würde, wären seine Bitten umsonst gewesen.
Man könnte auf der anderen Seite auch überlegen, dass Israel, wenn es die Stadt Amaleks genommen hätte, aktiv daran beteiligt gewesen wäre, das Andenken Amaleks unter dem Himmel zu bewahren. Das wäre eine Sünde Israels gewesen.
Welche Version auch immer der Wahrheit entspricht. Wir sollten einfach auf der Hut sein und uns immer wieder daran erinnern, dass der äußere Schein nicht immer die Wahrheit abbildet.
Diese Tatsache sollte uns veranlassen, die Dinge genau zu prüfen, bevor wir uns ein Urteil erlauben. Das betrifft einerseits die politischen Geschehnisse, andererseits aber auch unser Alltagsleben und unsere Beziehungen und Menschen, von denen wir umgeben sind.
Lasst uns unseren Blick schärfen und in allen Belangen etwas genauer hinsehen!
- 36 Beha’alotcha – “Wenn du aufsetzt” - 17. Juni 2024
- #35 Nasso – “Erhebe!” - 9. Juni 2024
- Es ist Zeit weiterzuziehen - 6. Juni 2024