Jom Kippur – durch den Tod zu Gott

Die Bibel beschreibt uns im Zusammenhang mit Jom Kippur recht eindeutig, dass die direkte Gegenwart Gottes uns den Tod bringen würde.
Und YHWH sprach zu Mose: Sage deinem Bruder Aaron, dass er nicht zu allen Zeiten in das Heiligtum hineingehen soll, hinter den Vorhang, vor den Sühnedeckel, der auf der Lade ist, damit er nicht stirbt; denn ich will auf dem Sühnedeckel in einer Wolke erscheinen. (3. Mose 16,2)
Sollte Aaron oder irgend ein anderer Mensch einfach im Heiligtum vor dem Sühnedeckel erscheinen, so würde er sterben. Der Sühnedeckel war YHWH’s Thron. Im Allerheiligsten befand sich Aaron demnach in der direkten Gegenwart Gottes.
Es war also für niemanden möglich, zu einem selbst gewählten Zeitpunkt auf eine selbst gewählte Weise vor Gott zu treten. Doch schuf YHWH mit Jom Kippur ein Protokoll, welches den Zugang zu Ihm dennoch frei machte.
Der Tod als Wegbereiter
Tatsächlich war es so, dass nur derjenige Zugang zu Gott bekam, der bereit war, ein Opfer zu bringen. Wie wir aus den Beschreibungen der Opfer entnehmen können, waren diese – mit Ausnahme des Speisopfers – immer mit dem Tod eines Tieres verbunden (Vgl. 3. Mose 1-7). Erst wenn das Tier sein Blut ließ, war der Weg zum Vorhof frei. Und das Tier war letztlich nur Repräsentant des Opfernden selbst.
Doch um das Heiligtum oder gar das Allerheiligste zu betreten, bedurfte es noch einiger Eigenschaften mehr.
Zunächst war es ausschließlich dem Hohepriester gestattet ins Allerheiligste zu kommen. Der Hohepriester war durch einen besonders heiligen Wandel geprägt, der es ihm etwa verbot mit einem Toten in Berührung zu kommen oder eine Frau zu heiraten, die keine Jungfrau mehr war (vgl. 3. Mose 21,10-15). Somit war der Hohepriester bereit, sein Leben als normaler Israelit hinzulegen und es abgesondert für YHWH zu führen.
Ein Hohepriester war kein normaler Volksangehöriger mehr. Er starb einigen Privilegien, die jeder Israelit hatte, um Gott noch näher sein zu können.
Und selbst dieses Sterben wird in der Liturgie zu Jom Kippur deutlich.
Der Weg des Hohepriesters an Jom Kippur
Zunächst bekam der Hohepriester nur Zugang zum Allerheiligsten, um für das Volk Israel und seine Sünden einzustehen. Es ging für ihn also nicht um ein besonderes persönliches Privileg, sondern vielmehr darum, seinen Dienst für das Volk zu erfüllen. Es ging nicht um ihn, es ging um Israel.
Des Weiteren sehen wir in der Abfolge der Handlungen des Hohepriesters, dass auch er nur durch eine Art geistlichen Sterbeprozess vor YHWH treten durfte.
Er legte seine Hohepriesterliche Kleidung ab und trug ein weißes leinenes Gewand.
und er soll den heiligen leinenen Leibrock anziehen und soll ein leinenes Unterkleid an seinem Fleisch haben und sich mit einem leinenen Gürtel gürten und einen leinenen Kopfbund umbinden, denn das sind die heiligen Kleider; und er soll sein Fleisch im Wasser baden und sie anziehen. (3. Mose 16,4)
Noch heute wird ein jüdischer Verstorbener traditionell in ein weißes Totengewand (Tachrichim) gekleidet. Dieses Gewand drückt seine Reinheit aus. Zeigt aber auch, dass er für diese Welt gestorben ist. Äußerlich ist die hohepriesterliche Kleidung an Jom Kippur dem Tachrichim sehr ähnlich.
Außerdem musste der Hohepriester an Jom Kippur zunächst einmal ein Opfer für seine eigenen Sünden bringen, was wiederum den Tod für einen Jungstier bedeutete.
Und Aaron bringe den Jungstier des Sündopfers herzu, das für ihn selbst bestimmt ist, und erwirke Sühnung für sich und sein Haus; und er schächte den Jungstier des Sündopfers, das für ihn selbst bestimmt ist. (3. Mose 16,11)
Erst als der Hohepriester blutbefleckt aus dem Tempel bzw. der Stiftshütte heraustrat, war die Erlösung des Volkes gesichert. Die Sünden waren vergeben und der Tod hatte keine Macht mehr.
Jeschuas Weg als Hohepriester
Wir sehen in der Heiligen Schrift, dass Jeschua einen sehr ähnlichen Weg gegangen ist, wie es für den Hohepriester an Jom Kippur bestimmt war. Jeschua starb in einem weißen Gewand, um die Sünden seines Volkes zu sühnen.
In der Konsequenz hatte er Zugang zum Thron seines himmlischen Vaters, ja setzte sich sogar zu seiner Rechten (Vgl. Psalm 110,1-2).
Da Jeschua uns voran geht und wir ihm nachfolgen, sehen wir dieses Muster auch für unser Leben. Auch wir müssen einen Tod sterben, um letztlich in der Gegenwart Gottes sein zu können. Auch wir sind dafür geschaffen, wie der Hohepriester an Jom Kippur, ein Segen für andere zu sein, indem wir ihnen dienen.
Somit weist uns Jom Kippur unter anderem darauf hin, dass uns unser Leben in dieser Welt nur zu einem Zweck gegeben wurde: Die Bestimmung Gottes für uns zu erfüllen und anderen ein Segen zu sein.
Lasst uns diese Berufung gerade in diesen besonderen Zeiten erneut ergreifen, denn in der Folge erwartet uns ein Platz in der Gegenwart Gottes!
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