Jom Kippur und die Kraft der Vergebung
Jom Kippur wird auch der Versöhnungstag genannt. An eben diesem Tag möchte Gott seinem Volk Israel alle Sünden erlassen.
Es heißt dazu in der Heiligen Schrift:
Denn an diesem Tag wird für euch Sühnung erwirkt, um euch zu reinigen; von allen euren Sünden sollt ihr gereinigt werden vor YHWH. (3. Mose 16,30)
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Bedeutung der Vergebung und welche Kraft für uns darin steckt.
Gnade und Gesetz
Zuvor sollten wir uns allerdings die Frage stellen, weshalb YHWH den Feiertag überhaupt eingesetzt hat.
Im Sinne der Torah wäre es durchaus gerecht, wenn Gott uns in unserer Sünde sterben ließe. Schließlich fordert er uns auf zu wählen.
Ich nehme heute Himmel und Erde gegen euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt; so erwähle nun das Leben, damit du lebst, du und dein Same, indem du YHWH, deinen Gott, liebst, seiner Stimme gehorchst und ihm anhängst; denn das ist dein Leben und bedeutet Verlängerung deiner Tage, die du zubringen darfst in dem Land, das YHWH deinen Vätern, Abraham, Isaak und Jakob, zu geben geschworen hat. (5. Mose 30,19-20)
Indem wir sündigen, haben wir den Tod gewählt. Welchen Grund hätte Gott also dafür, unser Leben zu retten?
Es ist wohl derselbe Grund, aus dem Eltern ihre Kinder nicht verstoßen oder Ehemänner ihre Frauen nicht verlieren wollen. Es ist die Liebe.
Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat. (Johannes 3,16)
Gott hat durch den Tod seines Sohnes einen Ausweg für uns geschaffen, sodass wir nicht in der Sünde sterben müssen, sondern leben können.
Für diesen Ausweg ist die Vergebung der Sünden notwendig.
Warum Gott uns vergibt
Jeder, der Beziehungen zu anderen Menschen pflegt, weiß, dass diese Beziehungen nicht immer reibungslos verlaufen. Es kann in jeder Konstellation zu Konflikten und Streits kommen.
Wenn der Streit wirklich heftig ist, gibt es nur zwei Möglichkeiten, Frieden zu schließen. Entweder die beiden Konfliktparteien trennen sich oder sie versöhnen sich.
Das schafft aber nur äußerlich Frieden und sagt nichts darüber aus, wie es im Inneren der Beteiligten aussieht und was sie füreinander empfinden.
Gott strebt die Versöhnung an. Und dieser muss die Vergebung vorausgehen.
Wir sind Gottes widerspenstige und halsstarrige Kinder. Der Allmächtige weiß das. Er kündigt es Mose schon vor dem Einzug der Israeliten ins Land Kanaan an.
Denn ich werde sie in das Land bringen, das ich ihren Vätern zugeschworen habe, in dem Milch und Honig fließt, und sie werden essen und satt und fett werden, und sie werden sich anderen Göttern zuwenden und ihnen dienen, und mich werden sie verachten und meinen Bund brechen. Und wenn sie dann viele Übel und Drangsale getroffen haben, soll dieses Lied gegen sie Zeugnis ablegen; denn es soll nicht vergessen werden im Mund ihrer Nachkommen; denn ich kenne ihre Gedanken, mit denen sie jetzt schon umgehen, ehe ich sie in das Land bringe, das ich [ihnen] zugeschworen habe! (5. Mose 31,20-21)
Vergebung ist das Medium, mit dem Gott die Kluft zwischen dem Schmerz über die Sünde seiner Kinder und seiner Liebe zu ihnen überbrückt.
Der Allmächtige macht deutlich, dass er uns nicht vergibt, weil wir es verdient hätten. Er vergibt uns vielmehr, um sich selbst zu entlasten:
Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen, und an deine Sünden will ich nie mehr gedenken! (Jesaja 43,25)
Die Kraft der Vergebung
Wenn wir nun den Menschen vergeben, gegen die wir gesündigt haben, entlasten wir zunächst uns selbst.
Das deutsche Wort „vergeben“ bedeutet ja nichts anderes, als dass wir die gerechte Beurteilung eines Konflikts Gott überlassen. Er vollstreckt die Vergeltung. Aber er spricht auch von Schuld frei.
Im Gegensatz dazu schaden wir uns nur selbst, wenn wir Zorn oder Wut gegen einen anderen Menschen behalten. Auch hier ist die deutsche Sprache sehr treffend, denn wer “sich beschwert”, belastet nur sich selbst. Der andere, der das Ziel der Klage ist, merkt davon vielleicht gar nichts.
Durch die Vergebung ist es uns möglich, nach einem Konflikt wieder Frieden in unserem Herzen zu finden. Deshalb lasst uns diese Zeit des Jom Kippur nutzen, um zu prüfen, gegen wen wir vielleicht noch Groll im Herzen tragen und mit wem wir uns noch versöhnen sollten.
Ich wünsche einen gesegneten und befreienden Jom Kippur!
Bildquelle: Unsplash.com
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