Sch‘mini Azeret und die Festversammlung
Sch‘mini Azeret ist der achte Tag nach dem Laubhüttenfest. Tatsächlich ist Sukkot auf sieben Tage angelegt, wie wir im entsprechenden Text lesen. Doch dann ist plötzlich die Rede vom achten Tag:
Sieben Tage lang sollt ihr YHWH ein Feueropfer darbringen; und am achten Tag sollt ihr eine heilige Versammlung halten und YHWH ein Feueropfer darbringen; es ist eine Festversammlung; da sollt ihr keine Werktagsarbeit verrichten. (3. Mose 23,36)
Der achte Tag gilt demnach als eine Art Verlängerung des Sukkotfestes. Außerdem solle zu diesem achten Tag eine Festversammlung gehalten werden. Dabei offenbart uns das hebräische Wort für Festversammlung eine tiefere Bedeutung.
Sch‘mini Azeret – die achte Festversammlung
Es handelt sich dabei um das hebräische Wort עֲצֶ֣רֶת (azeret). Dieses findet tatsächlich nur im Zusammenhang mit Sukkot und mit der Woche der ungesäuerten Brote Verwendung.
Sechs Tage lang sollst du Ungesäuertes essen; und am siebten Tag ist eine Festversammlung für den YHWH, deinen Gott; da sollst du kein Werk tun. (5. Mose 16,8)
Es fällt auf, dass die Azeret zum Ende des Festes der ungesäuerten Brote, also am siebenten Tag, gehalten werden sollte. Beide Feste sollen sieben Tage andauern. Doch warum ist die Azeret an Sukkot am achten Tag angesetzt und nicht am siebenten?
Dabei hilft uns zunächst, uns die Bedeutung von Azeret anzusehen. Die Wurzel azar bedeutet soviel wie zurückhalten, einschließen oder fernhalten. Wir sehen uns hierfür eine Bibelstelle an, um die Bedeutung in einem praktischen Bild zu beleuchten.
Und Sarai sprach zu Abram: Sieh doch, YHWH hat mich verschlossen, dass ich keine Kinder gebären kann. Geh doch ein zu meiner Magd; vielleicht werde ich durch sie Nachkommen empfangen! Und Abram hörte auf die Stimme Sarais. (1. Mose 16,2)
Sarai stellte im obigem Vers fest, dass Gott ihren Mutterschoß verschlossen hatte und ihr damit Nachwuchs verwehrte. Er hielt ihr im Grunde den Nachwuchs zurück bis zu einem bestimmten Tag.
Im Zusammenhang mit Sukkot verrät uns Rashi, wie der Sinn hinter Azeret verstanden werden kann.
Das Wort leitet sich von der Wurzel עצר “zurückhalten” ab und suggeriert: Ich halte dich noch einen Tag bei mir zurück. Es ist vergleichbar mit dem Fall eines Königs, der seine Kinder für eine bestimmte Anzahl von Tagen zu einem Festmahl einlud. Als die Zeit kam, dass sie abreisen mussten, sagte er: “Kinder, ich bitte euch, bleibt noch einen Tag bei mir; es fällt mir so schwer, mich von euch zu trennen!” (Quelle: Sefaria.org; n. Übers. d. Verf.)
Demnach hält Gott uns davon ab, zu unserem Alltag zurückzukehren. An Pessach für sieben Tage. Doch an Sukkot, nachdem alle Feste und Kreisläufe zur Vollendung gebracht werden sollen, behält er uns noch einen Tag länger bei sich – einen achten Tag, einen Tag des Neuanfangs.
Die Bedeutung der Zahl acht
Eigentlich ist die Zahl der Vervollkommnung die Zahl sieben. Wir sehen dies anhand der Schöpfungswoche, in der die Erde nach sieben Tagen komplett geschaffen war. Es brauchte keinen zusätzlichen Tag. Wenn wir nun bis acht weiterzählen, dann landen wir wieder im ersten Tag der nächsten Woche – wir beginnen mit dem achten Tag also einen neuen Sieben-Tage-Zyklus.
Dieses Prinzip finden wir bei der Zählung bis Schavuot, dem Fest, welches am 50. Tag und nach sieben Schabbaten stattfinden soll. Der 50. Tag ist gleichzeitig der achte nach dem siebenten Schabbat bzw. der erste Tag der achten Woche (vgl. 3. Mose 23,15-16).
Wir können also festhalten, dass die Zahl acht immer einen neuen Anfang symbolisiert.
Überdies ist die hebräische Bedeutung der Acht interessant. Das Wort schmoneh (von dem sich auch Sch‘mini ableitet) ist eng verwandt mit den Wörtern schemen (Öl oder Fett) bzw. schaman (fettig sein). Damit ist der Neuanfang, welcher durch die Zahl acht repräsentiert wird, kein karger, sondern ein Neubeginn in Fülle.
Für Sch‘mini Azeret bedeutet dies, dass Gott uns nach den sieben Tagen Sukkot noch ein wenig länger bei sich behalten möchte, um uns das kommende Friedensreich seines Sohnes zu zeigen – in dem wir Überfluss (Vgl. Johannes 10,10) erleben werden.
Dies ist der Neuanfang, auf den wir warten und die Erfüllung des Heilsplanes des Allmächtigen.
Ich wünsche allen einen gesegneten achten Tag – Sch‘mini Azeret.
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