Zwischen Bethel und Ai – Wo siedelst Du?
In den nächsten Wochen werden wir uns in den Torahabschnitten verstärkt mit Abraham und seiner Familie beschäftigen. Abraham wird von Paulus als der Vater unseres Glaubens bezeichnet (Vgl. Römer 4,16-17). Dies bedeutet nicht weniger, als dass Abraham den Weg für jeden Gläubigen vorangegangen ist. Er dient uns als Beispiel, an dem wir einerseits das Handeln Gottes an einem sterblichen Menschen lernen können. Andererseits aber auch erkennen können, wie wir vor dem Allmächtigen wandeln sollten.
Natürlich ist Jeschua unser aller Vorbild – das war Er für Abraham auch. Doch sehen wir in Abraham eben auch einen Vater, der wie wir aus Sünde errettet werden wollte und auf die Gnade Gottes angewiesen war. Abrahams Leben, seine Siege und Niederlagen sind Muster und Orientierungshilfe für uns, die wir seine Erben sind (Vgl. Galater 3,29).
Somit wollen wir uns in diesem Artikel ein Detail aus dem Leben unseres Glaubensvaters ansehen, welches uns ausloten hilft, wo wir in unserem Wandel stehen.
Als Abraham aus Ur in Chaldäa auszog und ins Land Kanaan kam, erschien ihm YHWH zuerst in Sichem, woraufhin er dort einen Altar baute (Vgl. 1. Mose 12,6-7). Das Bauen eines Altars lässt darauf schließen, dass Abraham in Sichem auch eine bestimmte Zeit siedelte.
Als er weiterzog, kam Abraham in das Bergland östlich von Bethel.
Von da zog er weiter auf das Bergland östlich von Bethel und schlug sein Zelt so auf, dass er Bethel im Westen und Ai im Osten hatte. Und er baute dort YHWH einen Altar und rief den Namen YHWH’s an. (1. Mose 12,8)
Abraham siedelte zwischen Bethel und Ai und errichtete seinen Altar genau zwischen beiden Ortschaften. Beide Städte sind gar nicht weit voneinander entfernt. Wahrscheinlich befanden sie sich sogar in Sichtweite. Und wahrscheinlich konnte man Abrahams Zelt von beiden Städten aus sehen und umgekehrt.
Das würde bedeuten, dass Abraham immer, wenn er sich einer Stadt zuwandte, die andere im Rücken hatte.
Nun ist es beim Studium der Heiligen Schrift immer auch von Bedeutung, was die Namen von Personen oder Orten eigentlich bedeuten. Nichts ist in der Bibel überflüssig, alle Informationen tragen auch eine geistliche Lehre in sich (Vgl. Römer 7,14).
Bethel setzt sich im Hebräischen aus den Worten Haus und Gott zusammen, kann also gut mit „Haus Gottes“ übersetzt werden. Letztlich ist der Name der Stadt auch auf eine entsprechende Erkenntnis Jakobs zurück zu führen:
Und er [Jakob] fürchtete sich und sprach: Wie furchtgebietend ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes, und dies ist die Pforte des Himmels!…und er gab diesem Ort den Namen Bethel; zuvor aber hieß die Stadt Lus. (1. Mose 28,17.19)
Das Haus Gottes, der Tempel, ist ein Heiliger Ort. Er ist rein und unbefleckt und entspricht in seinen Maßen einem genauen Bauplan Gottes (Vgl. 2. Mose 25,9).
Ai hingegen finden wir als eigenständiges Wort in vier verschiedenen Bibelversen wieder. Nachfolgend ein Beispiel:
Ein Psalm Asaphs. O Gott, es sind Heiden in Dein Erbteil eingedrungen! Sie haben Deinen heiligen Tempel verunreinigt und Jerusalem zu Trümmerhaufen [hebräisch: Ai] gemacht! (Psalm 79,1)
Ai steht hier für eine Ruine oder einen Trümmerhaufen. Und ausgerechnet Jerusalem und der Tempel – das Haus Gottes – werden als dieser Trümmerhaufen identifiziert. Ruinen und Trümmerhaufen sind Folgen von Kriegen, Katastrophen und Zerstörung. Letztlich zeugen sie von einem vorhergehenden zerstörenden Ereignis.
Übertragen wir diese Gedanken wieder auf unsere Geschichte mit Abraham, ergibt sich folgendes Bild: Abraham schlug sein Zelt zwischen dem Haus Gottes und einem Trümmerhaufen auf. Er bewegte sich zwischen beiden Orten. Je nachdem wo er sich mit seiner Herde befand oder wohin er seinen Acker oder seine Zelte erweiterte, war er dem einen Ort näher und dem anderen ferner.
Ein weiteres Detail ist von Bedeutung. In welche Richtung richtete er seinen Altar aus? Wir wissen, dass Bethel sich im Westen und Ai sich im Osten befand. Wollte Abraham also in Richtung Bethel gewandt beten und opfern, so musste er dem Osten den Rücken kehren.
Wir finden diese Ausrichtung ebenfalls in der Stiftshütte mit dem Eingang im Osten, sodass der Priester sich bei Betreten des Zeltes nach Westen ausrichten musste (Vgl. 2. Mose 27,13-16).
Indem der Priester dem Osten den Rücken kehrte, kehrte er symbolisch auch jedem Sonnenkult – der Osten ist dort die traditionelle Anbetungsrichtung – den Rücken.
Bezogen auf Abraham sehen wir, dass er, wenn er seinen Altar nach Westen ausrichtete, immer Bethel, das Haus Gottes, vor Augen hatte. Richtete er ihn nach Osten aus, so wie im Sonnenkult üblich, sah er einen Trümmerhaufen.
Wir sehen in Abrahams Leben, dass beide Pole in Erscheinung traten. Sein Leben glich in Phasen einem gereinigten Tempel für Gott. Hier wären Momente wie die (Fast-)Opferung Isaaks als Abraham Gottes Wort bedingungslos gehorsam war, oder die Rettung Lots, als Abraham mit 318 seiner Männer im festen Glauben an die Befreiung seines Neffen gegen vier Könige zog, die kurz zuvor weite Teile des Nahen Osten eingenommen hatten, zu nennen.
Doch wir sehen auch wie sich Abrahams Familie drohte in ein Schlachtfeld zu verwandeln, als er sich auf die Idee Sarais einließ, ihr einen Sohn durch die Magd Hagar zu zeugen. Plötzlich hatte Abraham Krieg zwischen beiden Frauen in seinem Haus. Außerdem war seine Ehe nicht nur einmal bedroht, als er sich weigerte, Sarah als seine Frau vor den Ägyptern oder den Philistern zu bekennen.
Es lässt sich also festhalten, dass sich Abrahams Leben immer wieder zwischen den beiden Polen heilig und unheilig, Ordnung und Chaos, Reinheit und Unreinheit bewegte.
Die Grundlage, in welche Richtung sich Abrahams Leben entwickeln sollte, lag dabei immer in den Entscheidungen Abrahams. Er hatte es in der Hand sein Leben in einen Segen oder einen Fluch zu verwandeln.
Würde er zu seiner Frau stehen, wenn sie von anderen Männern begehrt wurde oder nicht? Würde er Gott bei der Nachwuchsfrage vertrauen oder nicht? Würde er seiner Verantwortung gegenüber Lot nachkommen oder nicht? Würde er in Richtung Bethel anbeten oder nicht?
Und so stellt sich auch für uns die Frage: Was haben wir im Blick, wenn wir Entscheidungen treffen? Schauen wir auf Bethel oder Ai? Was sind die Früchte in unserem Leben? Würde Gott in uns eine unbewohnbare und verlassene Ruine oder doch als viel mehr Seinen Tempel, in dem Seine Herrlichkeit wohnen kann, finden?
Bildquelle: http://www.freebibleimages.org/illustrations/abraham-canaan/
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