Jerusalem und ihr Weg zur Braut – Teil 3
Jerusalems Weg zur Braut Jeschuas war steinig und alles andere als geradlinig. Wie wir in Teil 1 dieser Reihe gesehen haben, wurde sie als Neugeborenes vom himmlischen Vater vor dem sicheren Tod gerettet. Das Baby wuchs zu einem schönen Mädchen heran, in welches sich der Sohn des Vaters verliebte. Er nahm sie zur Braut, doch wie wir in Teil 2 feststellten, fiel diese von ihrem Bräutigam ab. Sie wurde zur Hure.
In diesem dritten Teil wollen wir uns einige Besonderheiten dieses Hurendaseins genauer anschauen. Wir behalten dabei immer im Hinterkopf, dass die Beschreibung Jerusalems in Hesekiels Prophetie letztlich ein Gleichnis für unser aller Lebensweg ist.
Jerusalem die Hure
Das letzte Mal schlossen wir unsere Betrachtung des Bibeltextes mit folgender Stelle:
Und bei allen deinen Gräueln und deinen Hurereien hast du nicht an die Tage deiner Jugend gedacht, wie du damals nackt und bloß dalagst und in deinem Blut zappeltest! (Hesekiel 16,22)
Jerusalem war so trunken von ihren Sünden, dass es die eigene Herkunft und die eigene Identität vergaß. Damit schwand aber auch der Halt, den die eignen Wurzeln verliehen. Es mussten andere Stützen her.
Und diese fand sie auch in den vielen Freiern unter den Heiden.
Du hurtest mit den Söhnen Ägyptens, deinen Nachbarn, die großes Fleisch hatten, und hast immer mehr Hurerei getrieben, um mich zum Zorn zu reizen. (Hesekiel 16,26)
Einen Teil ihrer Freier fand Jerusalem unter den Söhnen Ägyptens. Das hebräische Wort für Ägypten lautet Mizraim und kommt von der Wurzel tzur, welche die Idee eines Feindes oder eines Belagerers in sich trägt. Aber auch der harte Fels, kann mit tzur ausgedrückt werden. Tatsächlich dürften die Freier Jerusalems nicht ihre Freunde gewesen sein. Sie kamen aus Ägypten und hatten nicht das beste der Hure im Sinn.
Das große Fleisch kann in vielerlei Hinsicht verstanden werden. In jedem Fall deutet es darauf hin, dass die Braut Jerusalem die Herrlichkeit Gottes gegen fleischliche und irdische Gelüste eintauschte.
Doch es waren nicht nur die Söhne Ägyptens, mit denen sie hurte.
Da hurtest du mit den Söhnen Assyriens, weil du unersättlich warst. Du hurtest mit ihnen, wurdest aber doch nicht satt. (Hesekiel 16,28)
Das Wort Assur kommt von der hebräische Wurzel aschar, welche mit Freude aber auch Fortschritt übersetzt werden kann. Somit gibt uns der obige Vers zu verstehen, dass Jerusalem freudig weiter hurte, auch wenn Gott sie schlug.
Letztlich werden auch die Chaldäer als Freier Jerusalems aufgeführt (Vgl. Hesekiel 16,29). Dabei stehen die Chaldäer im Zusammenhang mit Zauberern und Wahrsagern aus Babylon (Vgl. Daniel 2,2). Das lässt darauf schließen, dass die Freier Jerusalems die Hure verzauberten, sodass diese sich immer tiefer in den Strudel der Sünde ziehen ließ. Sie wurde nie satt von ihren Sünden. Ihre wahre Sehnsucht wurde damit nie gestillt.
Jerusalems Stockholm-Syndrom
Bei allen zuvor genannten Details verhielt sich Jerusalem nicht wie eine gewöhnliche Hure. Gott sagt über sie:
Sonst gibt man allen Huren Lohn; du aber gibst allen deinen Liebhabern Lohn und beschenkst sie, damit sie von allen Orten zu dir kommen und Hurerei mit dir treiben! (Hesekiel 16,33)
Statt einen Lohn für ihre Hurerei zu erhalten, bezahlte Jerusalem ihre Freier, damit sie kamen, um sich mit ihr zu vergnügen.
Wir wollen diesen Fakt etwas genauer betrachten. In der Psychologie wurden verschiedene Phänomene beobachtet, in denen sich Opfer an ihre Täter binden. Die sogenannte Traumabindung entsteht, wenn Opfer zwar einerseits gepeinigt werden, andererseits aber immer wieder vom selben Täter scheinbar aus der Qual gerettet werden. Mit der Zeit nimmt das Opfer seinen Peiniger als Freund wahr. Ein ähnliches Phänomen ist auch das Stockholm-Syndrom.
Je länger die entsprechende Täter-Opfer-Beziehung besteht, desto größer ist der Verlust der eigenen Würde und Identität des Opfers. Ein Mensch in Traumabindung kann nicht mehr entscheiden, was gut für ihn ist. Er hat keinen Bezug mehr dazu, was er eigentlich will und ist in letzter Konsequenz fremdgesteuert durch den Täter. Bei einer solch starken Bindung kann das Opfer das Gefühl haben, ohne den Täter nicht mehr leben oder existieren zu können.
Es scheint, als wäre Jerusalem in der Prophetie von Hesekiel genau in dieses Muster gefallen. Die Hure weiß nicht mehr, was gut für sie ist. Sie meint in ihren Freiern das Glück und das Leben zu finden und bezahlt diese sogar dafür, damit sie bei ihr sind.
Fazit
Wenn wir bedenken, dass die Sicht Gottes auf Jerusalem seiner Sicht auf uns entspricht, so können wir davon ausgehen, dass auch in unserem Leben Bereiche bestehen, in denen wir so stark in der geistlichen Hurerei verhaftet sind oder waren, dass wir es nicht einmal bemerk(t)en.
Es gibt bzw. gab Dinge, Gewohnheiten oder Menschen in unserem Leben, an denen wir unser Glück, ja unser Leben als Ganzes, fest gemacht haben, ohne zu bemerken, dass sie uns eigentlich schaden.
Darüber hinaus haben auch wir unsere tatsächliche Bestimmung und die Herrlichkeit, die wir an der Seite Jeschuas haben, größtenteils vergessen. Zwar können wir etwas davon erahnen, doch sind wir kaum in der Lage, die Fülle zu begreifen.
Die Welt, in der wir leben, ist geprägt von Missbrauch, Zwang und Gewalt. Das ist das Prinzip sämtlicher Systeme der Welt. Gott möchte aber, dass wir durch seine Liebe heilen und ganz werden. Doch wir sind so stark durch die Welt geprägt und zum Teil auch traumatisiert, dass es uns sehr schwerfällt, seine Liebe wirklich in der Tiefe zu begreifen und zu erfahren. Doch nur diese kann uns wirklich erfüllen und sättigen.
Da YHWH das weiß, hat er auch ein Rezept für uns. Und dieses Rezept sehen wir uns im nächsten Teil an.
Bildquelle: Pixabay.com
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