Jerusalem und ihr Weg zur Braut – Teil 1
Durch die Bibel beschreibt Gott uns seine Sicht auf uns und unsere Geschichte. Hierbei gebraucht er viele Bilder, wie die eines Vaters und seinem Sohn oder das des Bräutigams und seiner Braut.
Diese (Ur-)Bilder und Gleichnisse bieten uns die Möglichkeit, uns hineinzufühlen in das Erleben Gottes und ihn damit ein bisschen besser zu verstehen. Gleichzeitig sehen wir daran aber auch, wie außergewöhnlich der Allmächtige ist. Und nicht zuletzt helfen sie uns auch unseren Platz in der Geschichte, die Gott erzählt, zu finden.
In Hesekiel 16 bekommen wir ein ganz besonderes Gleichnis, welches wir uns in diesem Beitrag ansehen wollen. Es steckt voller Bilder und beschreibt unseren Weg ins ewige Leben.
Die Identität Jerusalems
Zunächst wollen wir klären, an wen das Gleichnis gerichtet ist. Wer ist angesprochen?
Gott gab dem Propheten Hesekiel folgenden Auftrag:
Menschensohn, halte Jerusalem ihre Gräuel vor, (Hesekiel 16,2)
Hesekiel sollte also zu Jerusalem sprechen. Interessant ist dabei, dass der Prophet uns als einer der Gefangenen in Babylon vorgestellt wird (Vgl. Hesekiel 1,1). Das bedeutet, dass er sich zum Zeitpunkt dieser Prophetie schon gar nicht mehr in der Stadt Jerusalem aufhielt, sondern in Babylon. Wie also konnte Hesekiel Jerusalem die Gräuel vorhalten?
Hier hilft es uns zu sehen, wie Gott Jerusalem definiert. Was versteht er unter dieser Bezeichnung? Einerseits handelt es sich dabei um die Stadt Davids.
Damals versammelte Salomo die Ältesten von Israel und alle Häupter der Stämme, die Fürsten der Vaterhäuser der Kinder Israels, zum König Salomo nach Jerusalem, um die Bundeslade YHWHs hinaufzubringen aus der Stadt Davids, das ist Zion. (1. Könige 8,1)
Wir sehen in diesem Vers auch, dass Jerusalem mit Zion geichgesetzt wird. Doch Zion hat noch eine andere Bedeutung.
Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und dich mit dem Schatten meiner Hand bedeckt, um den Himmel auszuspannen und die Erde zu gründen und zu Zion zu sagen: Du bist mein Volk! (Jesaja 51,16)
Zion entspricht also nicht nur der Stadt Davids, sondern auch dem Volk Gottes. Und dieses Volk ist Israel. Wenn YHWH seine Worte nun an Jerusalem richtet, dann richtet er sie an ganz Israel und damit auch an jeden, der zu diesem Volk gehört.
Jerusalem, das hilflose Baby
Die Prophetie Hesekiels beginnt mit dem Bild Jerusalems als hilfloses Baby, welches von seinen Eltern verachtet, von Gott aber gefunden und aufgepäppelt wurde. Die Herkunft der Eltern spricht dabei Bände.
und sage: So spricht GOTT, der Herr, zu Jerusalem: Nach Herkunft und Geburt stammst du aus dem Land der Kanaaniter; dein Vater war ein Amoriter und deine Mutter eine Hetiterin. (Hesekiel 16,3)
Wenn wir uns daran erinnern, dass die Amoriter das Volk waren, welches das Maß der Sünde voll ausschöpfen würde (vgl. 1. Mose 15,16) und die hethitischen Frauen der Stammmutter Rebekka einigen Ärger bereiteten (Vgl. 1. Mose 26,34-35), dann können wir erkennen, dass Gott das Elternhaus Jerusalems mit den obigen Worten zumindest als schwierig beschrieb.
Dies wird dadurch deutlich, dass das neugeborene Jerusalem offensichtlich gar keine Beachtung von seinen Eltern bekam. Niemand kümmerte sich um das hilflose Baby. Es war dem Tode preisgegeben (Vgl. Hesekiel 16,4-5).
Erst als Gott dieses Baby fand, hatte es eine Überlebenschance.
Da ging ich an dir vorüber und sah dich in deinem Blut zappeln und sprach zu dir, als du dalagst in deinem Blut: »Du sollst leben!« Ja, zu dir in deinem Blut sprach ich: »Du sollst leben!« (Heskeile 16,6)
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass die Praxis der Kindstötung in der Antike sehr verbreitet war. Entsprach ein Kind nicht den Wünschen des Vaters, weil es missgebildet oder einfach ein Mädchen war, wurde es aktiv getötet oder ausgesetzt. Die Prophetie von Hesekiel deutet darauf hin, dass auch die Hethiter und die Amoriter mit ihren Kindern so verfuhren.
Doch Gott, der Vater, ging an diesem Baby vorüber, nahm es auf und ließ es zu einer schönen Frau heranwachsen (Vgl. Hesekiel 16,6-7).
Jerusalem als Braut Jeschuas
YHWH konnte nicht anders, als sich um das hilflose Baby namens Jerusalem zu kümmern. Er nahm es auf und unter seiner Fürsorge wuchs es zu einer schönen Jungfrau heran. Doch eines fehlte noch:
…. aber du warst noch nackt und bloß. (Hesekiel 16,7b)
Die junge Frau, wuchs heran, aber sie war noch nicht gereift. Ihr fehlte noch ein Teil. Welcher Teil war das?
Im Vers 8 unseres Kapitels kommt es nun zu einem Switch. Dort heißt es nämlich:
Als ich nun an dir vorüberging und dich sah, siehe, da war deine Zeit da, die Zeit der Liebe. Da breitete ich meine Decke über dich und bedeckte deine Blöße. Ich schwor dir auch und machte einen Bund mit dir, spricht YHWH, der Herr; und du wurdest mein. (Hesekile 16,8)
Hier spricht nicht mehr der Vater. Es spricht der Sohn, der sich in die herangewachsene Jungfrau verliebte. Der Vater zog also das Mädchen auf, um aus ihr eine Braut für seinen Sohn zu machen.
Der Sohn nahm sich dieses Mädchen dann zur Frau und bedeckte seine Blöße. Doch es fällt noch weiteres ein wichtiges Detail auf:
Da badete ich dich mit Wasser und wusch dein Blut von dir ab und salbte dich mit Öl. (Hesekiel 16,9)
Der Sohn wusch das Blut des Mädchens ab. Es scheint, als ob sich der Vater nicht darum gekümmert hätte. Erst als der Sohn sich Jerusalem zur Frau nahm, konnte das Blut abgewaschen werden. Doch was hat dies zu bedeuten?
Da es sich bei der Prophetie um ein Gleichnis handelt, können wir das Blut auch als Sinnbild für die Verletzungen oder Traumata des Mädchens deuten. Diese Verletzungen stammen aus dem Verhalten der Eltern gegenüber dem Neugeborenen. Das Kind war nicht gewollt und dem Tode preisgeben.
Jerusalem wuchs also im Haus des Pflegevaters heran, aber erst in der Beziehung zu Jeschua konnten diese tiefen Wunden tatsächlich angegangen werden. Erst jetzt konnte das Blut abgewaschen, die Tränen getrocknet und die Kleider gewechselt werden.
Damit konnte die Schönheit des Mädchens erst an der Seite Jeschuas wirklich zur Geltung kommen.
Die Deutung des Bisherigen
Tatsächlich wollte ich über Hesekiel Kapitel 16 nur einen Artikel schreiben, um eine bestimmte Kernbotschaft herauszustellen. Im Schreiben des Textes habe ich aber erst bemerkt, welche tiefen Urbilder in dieser Prophetie stecken, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, das Thema auf mehrere Artikel aufzuteilen.
Aus diesem Grund sind wir noch gar nicht zur entsprechenden Kernaussage vorgedrungen, was ich in einem späteren Teil nachholen werde.
Was wir bisher gesehen haben, erzählt unsere Geschichte, wie wir auf die Welt gekommen sind. Wir betreten die Welt – das Lad Kanaan oder das Land der Händler – und werden im Grunde wie eine Ware behandelt. Tatsächlich arbeitet die ganze Maschinerie Ägyptens daran, unseren Geist (unser Inneres Kind?) zu töten.
Als Kinder mit echten Bedürfnissen werden wir von der kalten Welt in Ägypten nicht gesehen. Wir alle sind diese Babys, die bereits als Neugeborenen auf die ein oder andere Art vernachlässigt wurden. Wir haben alle unsere individuellen Biografien mit dieser Thematik.
Doch Gott lässt uns nicht fallen. Er sieht uns und lässt uns leben. Doch unsere Wunden, Verletzungen oder Traumata fasst er zunächst nicht an. Er will, dass wir eine bewusste Erfahrung von Heilung und Befreiung durchleben. Er möchte, dass wir ihn, durch Jeschua, kennenlernen. Er möchte, dass wir unser Vertrauen in ihm finden.
Zum Bündnisschluss gehören immer zwei. Er bietet uns einen Bund an. Wir müssen dem zustimmen. Aber wenn wir das tun, dann erleben wir, welche Bestimmung Gott wirklich für unser Leben hat. Dann erleben wir, dass wir einen Platz als Königin an der Seite des Königs der Könige haben sollten.
Im nächsten Teil werden wir uns ansehen, wie sich Jerusalem in der Geschichte weiterentwickelte.
Bildquelle: Pixabay.com
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