#23 Wajikra – „Und er rief“
Wajikra
3. Mose 1,1-5,26
Hesekiel 45,16-46,18; Lukas 22,1-13
Damit wir uns Gott nähern können, müssen wir Opfer bringen. Tatsächlich hat das hebräischen Wort qorban, welches mit Opfer übersetzt wird, seinen Ursprung in der Idee des Annäherns. Doch welche Opferungen, also welche Formen des Annäherns, dem Allmächtigen wohlgefällig sind, darüber klärt uns Wajikra ausführlich auf.
Wir wollen uns in diesem Kommentar nur auf den einleitenden Aspekt der Opfer beschränken. Dafür schauen wir uns nur die ersten beiden Verse der Lesung an. Doch auch aus diesen beiden Versen können wir viel Weisheit ziehen.
Die Voraussetzung für die Opfer
Bevor wir in die tiefere Betrachtung einsteigen, wollen wir uns die beiden Verse ansehen, um die es im Folgenden gehen soll.
Und YHWH rief Mose, und er redete zu ihm aus der Stiftshütte und sprach: Rede zu den Kindern Israels und sprich zu ihnen: Wenn jemand von euch YHWH eine Opfergabe darbringen will, so sollt ihr eure Opfergabe vom Vieh darbringen, [und zwar] vom Rind und vom Kleinvieh. (3. Mose 1,1-2)
Bereits in dieser ersten Aussage Gottes bezüglich der Opfergaben, stecken viele wichtige Details, die wir nicht übersehen sollten.
Zuerst fällt auf, dass es sich um einen Konditionalsatz handelt. Wir lesen also keinen Befehl und kein ausdrückliches Gebot, zu opfern. YHWH lässt den Kindern Israels vielmehr die Wahl. Wenn ihr opfern wollt, dann tut es so.
In einer Ehebeziehung würden wir es wahrscheinlich ähnlich machen. Wir können unseren Partner ja nicht zwingen, bestimmte Dinge zu tun, wenn wir zusammen sind. Doch wir können ihm mitteilen, welche Dinge wir besonders mögen, wenn wir mit ihm oder ihr Zeit verbringen.
Gott tut es hier ganz genau so. Er teilt uns mit, was ihm gefällt.
Doch auch das Wörtchen „jemand“ aus der obigen Übersetzung des Verses 2 ist interessant. Im hebräischen Text steht dort adam, was mit Mensch oder auch Menschheit übersetzt werden kann.
Mit anderen Worten: Gott stellt klar, dass diese Opferbestimmungen für jeden gelten, der sich YHWH nähern will.
Gleichzeitig ist Adam aber auch eine Referenz auf den ersten Priester im Garten Eden.
Singular und Plural
Im obigen Vers sehen wir auch einen interessanten Wechsel vom Singular in den Plural. Es heißt zuerst
… Wenn jemand von euch YHWH eine Opfergabe darbringen will, …
Tatsächlich handelt es sich auch im hebräischen Text um die dritte Person Singular (männlich). Also wenn ein Mensch ein Opfer darbringen will, dann
… sollt ihr eure Opfergabe vom Vieh darbringen, …
Plötzlich wird aus dem Mensch eine Gruppe. Was hat es damit auf sich?
In der jüdischen Überlieferung finden wir die Idee, dass ein Opfer grundsätzlich auch durch zwei oder mehr Menschen dargebracht werden kann. Dann ist es ein Gemeinschaftsopfer. Möglicherweise ist dies auch die Intension von Gott. Beziehungen sind ein wichtiger Grundstein in der hebräischen Gesellschaft. Wie könnten wir Gott ein Opfer bringen, ohne Beziehungen?
Tatsächlich ist jedes Opfer eine Gemeinschaftsarbeit, da der Opfernde mindestens die Hilfe des Priesters benötigt. Opfer sind nicht dafür gedacht, im Verborgenen gebracht zu werden. Sie sind für die Öffentlichkeit bestimmt – zur Ehre Gottes.
Welche Tiere durften geopfert werden
Als Opfertiere kamen lediglich Zuchttiere wie Rinder, Ziegen oder Schafe infrage. In keinem Fall durften Wildtiere geopfert werden.
Diese Idee machte jedes Opfer zu etwas Besonderem und Persönlichem. Der Opfernde hatte viel Zeit, Pflege und Arbeit in dieses Tier gesteckt, bevor er es dem Ewigen übergab.
Noch einmal übertragen auf eine Ehe macht es auch durchaus Sinn. Wir freuen uns doch dann besonders über Geschenke unserer Männer oder Frauen, wenn diese
- unseren Geschmack treffen und
- mit Liebe extra für uns gemacht oder beschafft wurden.
Ein Geschenk, welches wir einfach irgendwo gefunden haben und es weiter verschenken, weil wir es selbst nicht brauchen, hat weit weniger Wert, als ein Geschenk, welches extra für den Beschenkten angefertigt wurde.
Der Tod und das Opfer
Die Tiere, welche als Opfer dargebracht wurden, repräsentieren etwas Kostbares in unserem Leben. Wenn wir uns Gott nahen wollen, dann müssen wir andere Dinge in unserem Leben opfern. Wir müssen sie ruhen lassen.
Noch einmal die Analogie zur Ehe: Wenn wir als Paar ein intensives Gespräch führen wollen, dann wird das nicht funktionieren, wenn Einer am Handy spielt und der Andere nebenher noch arbeitet.
Beide Partner müssen sich aufeinander einlassen, um sich wirkliche tiefer kennenzulernen. Damit also die Beziehung mit Leben gefüllt werden kann, muss anderen Dingen das Leben und damit die Aufmerksamkeit entzogen werden.
In der Beziehung mit Gott ist es nicht anders. Wenn wir ihm wirklich tief begegnen wollen, dann müssen wir andere Dinge lassen. Dann muss der Alltag einmal still stehen.
Nur wenn unsere Aufmerksamkeit voll und ganz auf YWHW liegt, könne wir uns ihm vollkommen annähern. Mögen dies uns immer mehr gelingen!
Bildquelle: Pixabay.com
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