#46 Ha’asinu – „Höret!“
Ha’asinu
5. Mose 32,1-52
2. Samuel 22,1-51; Matthäus 18,21-35
In diesem Kommentar zu Ha’asinu wollen wir ein kleines Gedankenexperiment wagen. Damit wollen wir ansatzweise versuchen, uns in die Erlebniswelt Gottes hineinzuversetzen.
Nun mag es anmaßenden klingen, dass wir Gottes Erleben nachempfinden könnten. Doch es hat seinen Grund, dass der Allmächtige zu uns in bekannten und lebensnahen Bildern spricht. Die Beziehung eines Vaters zu seinem Sohn oder die Beziehung des Bräutigams zu seiner Braut können wir nachvollziehen. Sie sind Bestandteile unseres Lebens und ermöglichen uns bis zu einem gewissen Grad nachzuvollziehen, wie Gott die Beziehung zu uns sieht.
In Ha’asinu ist das Bild des Vaters und seiner Kinder sehr präsent. Im Folgenden schauen wir uns dies etwas genauer an.
Das Glück des Vaters
Stellen wir uns einmal vor, wir sind der Vater von mehreren Kindern. Wir geben uns die größte Mühe und überschütten sie mit unserer Liebe. Wir geben ihnen das Beste, was wir ihnen bieten können.
Wir kümmern uns nicht nur um ihr körperliches Wohl, sondern machen uns auch Gedanken darüber, wie unsere Kinder zu selbstständigen, selbstbewussten und gottesfürchtigen Erwachsenen werden können.
Wir tun alles, um ihnen eine gute Ausgangsposition für ihr Leben zu ermöglichen.
Die Väter und Mütter unter uns wissen, dass die Erziehung von Kindern auch mit Entbehrungen einhergeht. Viele Dinge, die wir als Singles oder kinderloses Paar wie selbstverständlich getan haben, sind mit Kindern nicht mehr so leicht oder gar nicht mehr möglich.
Darüber hinaus teilen wir unser Budget und all unsere materiellen Besitztümer mit unseren Kindern.
Wir tun dies aus Liebe, weil wir unserem Nachwuchs gute Voraussetzungen für ihr Leben bieten wollen. Wir wollen unsere Kinder auf dem Weg zu Erwachsenen bestmöglich begleiten.
Und auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, die Kleinen loszulassen, weil sie größer geworden sind, so steht am Ende doch eine große Freude, wenn es geschafft ist. Wenn die einstigen Kinder, mit beiden Beinen auf Gott vertrauend, fest im Leben stehen.
Der verstoßene Vater
Doch was ist, wenn die Kinder sich dafür entscheiden, von ihrem Vater nichts mehr wissen zu wollen? Was ist, wenn wir alles versuchen, um ihnen den Weg ins Leben zu ebnen, doch die Kinder wenden sich von uns ab?
Wir schlagen sie nicht. Wir belügen sie nicht. Wir lieben sie. Doch plötzlich wenden sie sich anderen Autoritäten zu und zeigen uns die kalte Schulter.
Doch nicht nur das, sie verleugnen uns sogar. Sie wollen nicht, dass wir als ihr Vater ins Gespräch gebracht werden. Sie verstoßen gegen unsere Regeln und machen unseren Namen vor anderen verächtlich.
Natürlich lieben wir unsere Kinder und versuchen sie zu erreichen. Doch sie wenden sich ab und reizen uns nur noch mehr mit Dingen, von denen sie genau wissen, dass wir sie hassen.
Wie fühlt sich das an? Und was können wir tun?
Der widerspenstige Sohn
In Moses Lied in Ha’asinu wird Gott in genau dieser Situation beschrieben. Er kümmerte sich um seine Kinder, doch diese haben sich von ihm abgewandt und sind anderen Göttern nachgelaufen.
Laut der Torah hat der Allmächtige für widerspenstige Kinder eine letzte Option:
Wenn jemand einen widerspenstigen und störrischen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und ihnen auch nicht folgen will, wenn sie ihn züchtigen, so sollen sein Vater und seine Mutter ihn ergreifen und zu den Ältesten seiner Stadt führen und zu dem Tor jenes Ortes, und sie sollen zu den Ältesten seiner Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist störrisch und widerspenstig und gehorcht unserer Stimme nicht; er ist ein Schlemmer und ein Säufer! Dann sollen ihn alle Leute seiner Stadt steinigen, damit er stirbt. So sollst du das Böse aus deiner Mitte ausrotten, dass ganz Israel es hört und sich fürchtet. (5. Mose 21,18-21)
In letzter Konsequenz, nachdem Vater und Mutter alles versucht haben, müsste ein widerspenstiger Sohn bzw. eine Tochter im Tor der Stadt gesteinigt werden. Das ist keine Option, sondern ein Gebot, welches den Frieden der ganzen Gemeinschaft wahren soll. In welcher inneren Zerrissenheit mussten sich Eltern in einer solchen Lage befinden? Wie muss es Gott mit seinen Kindern ergehen?
Wir wissen, dass der himmlische Vater bereits Gericht über die Welt beschlossen hat. Es wird der Tag kommen, an dem alle Widerspenstigen vernichtet werden. Spätestens mit dem Wurf in den Feuersee, findet diese Strafe ihre Vollendung (Vgl. Offenbarung 20,15).
Doch bis dahin gibt uns Gott immer noch die Möglichkeit der Umkehr. Sein letzter Versuch, uns dazu zu bewegen, ist das Exil unter den Völkern und Göttern, die Israel sich aussuchte.
Es heißt dazu:
Sie haben mich zur Eifersucht gereizt mit dem, was kein Gott ist, durch ihre nichtigen [Götzen] haben sie mich erzürnt; so will auch ich sie zur Eifersucht reizen durch das, was kein Volk ist, durch ein törichtes Volk will ich sie erzürnen! (5. Mose 32,21)
YHWH überließ seine Kinder ihrem selbstgewählten Pfad. Dort würden sie Feuer, Unheil, Pest, Hunger, Krieg und wilden Tieren begegnen (vgl. 5. Mose 32,22-25). Gott tat dies in der Hoffnung, dass seine Kinder zur Besinnung kommen würden. Nur so könnte er sie vor dem sicheren Tod retten.
Fazit zu Ha’asinu
Und so sind wir nun immer noch im Exil dieser Welt, getrennt von Gott und bestrebt, ihm zu zeigen, dass wir umkehren wollen oder umgekehrt sind.
Wir wollen nicht durch das Gericht der Torah fallen. Wir wollen gerettet werden.
Und wenn wir ein klein wenig nachvollziehen können, wie wir unseren himmlischen Vater entehrt und gedemütigt haben, dann sollte uns bewusst werden, wie sehr er uns liebt. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir keinen Anspruch auf irgendetwas anderes als den Tod hätten. Wir können dankbar sein, dass Gott kein Gefallen am Tod des Gottlosen hat.
Geben wir ihm die Ehre, denn Jeschua hat uns gerettet!
Bildquelle: Pixabay.com
- Betrachtungen zur Sukka - 28. September 2023
- Jom Kippur und die Kraft der Vergebung - 19. September 2023
- #46 Ha’asinu – „Höret!“ - 18. September 2023