Was ist ein Bund?
Der biblische Begriff „Bund“ gehört zu den Themen, die in ihrer eigentlichen Bedeutung in Gemeinden so gut wie kaum Erwähnung finden. Die Tiefen dieses Bundes, des hebräischen „berits“, ist in der Regel nicht bekannt – sehr häufig wird nur sehr oberflächlich über diese Thematik gesprochen, wenn überhaupt. Teilweise habe ich schon recht abfällige, ja überhebliche Gegenüberstellungen von „Altem“ und „Neuen“ Bund gehört – denen aber fast immer das biblische Fundament fehlt(e). Ohne Kenntnis dessen, was einen „Bund“ ausmacht, wird die hierüber gebrachte Lehre leider sehr häufig schief bis irreführend. Da wir aber der Schrift nach in einem „Bund“ mit IHM stehen, egal welchem und egal ob und wie weit uns das bewusst ist, gilt es zunächst zu erarbeiten, was dieser Begriff beinhaltet. Dieses ist in der gesamten Thematik von Bräutigam und Braut umso wichtiger, da der Begriff „berit“ für Bund auch den Bund zwischen Braut und Bräutigam bei Verlobung und Hochzeit bezeichnet. … und die Modalitäten dieser biblischen und orientalischen Vertragskultur sind uns heute so unbekannt – und dabei sind sie doch so existentiell wichtig.
Fangen wir einmal vorne an:
- Mose 6, 18: Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du sollst in die Arche gehen, du und deine Söhne und deine Frau und die Frauen deiner Söhne mit dir
Es ist Elohim selbst(!), der diesen Begriff erstmals in der Schrift verwendet. Dieser Tatsache ist deswegen ein hohes Maß an Bedeutung beizumessen, weil aus diesem Umstand abgeleitet werden kann, dass ein Bund nicht ein weltlich-menschliches Rechtsverhältnis darstellt. Er ist vielmehr eine aus dem Munde YHWHs kommende Realität und ist damit eine aus der himmlischen, unsichtbaren Welt gesetzte Rechtsnorm. Somit haben wir in der Schrift nach Modalitäten und Eigenschaften von Bünden zu forschen. Es ist fatal und führt in die Irre, wenn wir diesen aus dem Himmel kommenden Begriff mit Inhalten der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts füllen.
Aus dem bisher gesagten ergibt sich, dass, wenn der Begriff von YHWH kommt, Bünde nicht nur im Diesseits, sondern auch zwischen Himmel und Erde geschlossen werden können.
Einiges zu dem hebräischen Wort „berit“
- H. Baader schreibt zu diesem Begriff[1] Bund, hebr. „BöRI´T“:
„Ein Bund wurde gemäß der Geschriebenen nicht geschlossen, sondern geschnitten. Ein Bund hat es daher stets mit Beschneidung zu tun, da in ihm Rechte eingeräumt werden, die Abgrenzungen zueinander und nach außen hin schaffen. Damit bewirkt ein Bund eine Klärung (auch diese besteht in einer Abgrenzung) und ist als Klarstellung zu verstehen. …“
Heinrich Langenberg schreibt[2]: „Bund … berit = Bestimmung, Festsetzung, Entscheidung, Bündnis: … Bei Bündnissen zwischen Menschen handelt es sich um feierliche Verträge mit gegenseitigen Verpflichtungen, bei einem Bunde Gottes mit Menschen dagegen um eine Verfügung Gottes, die von ihm allein ausgeht. … Der Inhalt eines solchen Bundes wird von Gott allein festgesetzt, während der Mensch nur zustimmen kann… Der Bund „ist also ein Rechtsverhältnis, und er enthält die stärkste Garantie für ein menschliches Gemeinschaftsverhältnis“[3].
Der Begriff „Bund“ lautet im aramäischen Urtext „kjami“. Dieses Wort ist wörtlich zu übersetzen mit „Ich werde erfüllen“, „meine erfüllte Verheißung“[4].
In der Bibel sind an keiner Stelle die vollständigen Bestandteile eines Bundes katalogisiert. Wie Baader schreibt, werden „berits“ eigentlich geschnitten. Hierbei spielt Blut eine ganz zentrale Rolle. Dieses lässt sich bereits aus dem hebr. Begriff für Blut, „DaM“, erkennen. „DaM“ ist Bestandteil des Wortes „DeMuTh“, Ebenbild, dessen Wortstamm „DaMaH“ die Bedeutung „Ähnlichkeit, Nachbild, Entsprechung“ besitzt[5]. Gott hat den Menschen als sein(e) „DeMuTh“ auf dieser Erde erschaffen[6]. Daraus lässt sich der hohe Stellenwert menschlichen Blutes ablesen. Entsprechend dieser Begriffe ist das menschliche Blut in seiner spezifischen Einmaligkeit der Bestandteil des Menschen, der die Gottebenbildlichkeit repräsentiert. Das „Organ“ Blut hat, wenn man die immunologische Markierung untersucht, die feinste, detallierteste Oberflächenmarkierung aller menschlichen Körperbestandteile. Und nach
- Mose 17, 11 Denn des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch für den Altar gegeben, dass ihr damit entsühnt werdet. Denn das Blut ist die Entsühnung, weil das Leben in ihm ist.
ist das Leben im Blut.
Wenn Bündnisse mit Blut geschlossen werden, dann bedeutet dies, dass die Bundespartner sich mit ihrem Leben, ihrem Sein, den vereinbarten Bundesinhalten verpflichten. Damit ist ein Bund etwas völlig anderes als ein Vertrag in seiner heutigen Bedeutung, den man eben jederzeit wieder kündigen kann. Hiermit wird dann ein Zustand von vor der Vertragsunterzeichnung wieder hergestellt. Weiterhin sind Bündnisse auch nicht folgenlos umgehbar oder außer Kraft zu setzen.
Wenn in einem Vertrag, beispielsweise Mietvertrag, eine Seite einem Teil der Verpflichtungen nicht nachkommt, so hat das zur Folge, dass
- Dieser nicht erfüllte Teil ggf. per Gericht durchzusetzen ist oder Ersatzleistungen (Zahlungen) vereinbart werden können,
- das übrige Vertragswerk aber davon nicht berührt bleibt und
- die leibliche Existenz der Vertragspartner nicht betroffen ist.
Dies ist bei biblischen Bündnissen anders.
Zum einen ist es so, dass nach
Jak 2,10: Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig.
eine „Teilnichterfüllung“ ausreicht, um den gesamten Bund nicht erfüllt zu haben. Die jüdische Übersetzung des NT (David H. Stern) übersetzt hier so:
Jak. 2,10: Denn ein Mensch, der die ganze Torah hält, und doch in einem Punkt stolpert, hat sich schuldig gemacht, alle Gebote zu brechen.
Damit hat ein Bund nur Bestand, wenn er von beiden Seiten ausnahmslos eingehalten wird. Ein „Teilversagen“ kann nicht für sich kompensiert werden – der gesamte Bund wird damit hinfällig. Damit haftet der Bundes-„brecher“ mit seiner gesamten Existenz – also nicht nur Besitz, sondern mit dem, womit er den Bund unterschrieben hat – seinem Blut, seinem Sein.
Dieses finden wir in
Jer 34,18 Und ich will die Leute, die meinen Bund übertreten und die Worte des Bundes nicht halten, den sie vor mir geschlossen haben, so zurichten wie das Kalb, das sie in zwei Stücke geteilt haben und zwischen dessen Stücken sie hindurchgegangen sind,
wieder. Dieser Vers lässt an den Bundesschluss zwischen YHWH und Abram denken. In 1. Mose 15 lässt der Ewige Abram eine Kuh, eine Ziege und ein Schaf mittig, längs halbieren, um aus den Tieren eine Gasse zu bilden, die am Ende durch zwei (nicht geteilte) ungleich große Tauben abgeschlossen wird. Durch diese Gasse zieht dann Elohim, beschrieben als ein „rauchender Ofen“ – damit geht ER mit SEINER gesamten Existenz diesen Bund ein, Abra(ha)m Nachkommenschaft und das Land zu geben. Mit diesem Ritus wurde zum Ausdruck gebracht, dass es dem Bundespartner, der durch diese Gasse geht, im Falle eines Bundesbruches so gehen wird, wie den halbierten Tieren.
Ein weiterer, sehr wichtiger Unterschied zu der Vertragskultur heutzutage ist noch darzulegen. Auch die Dauer von Bündnissen entspricht nicht dem, was wir heute aus unserer Vertragskultur kennen. Bestandteil eines Vertrages heute ist die Dauer, beispielsweise in Mietverträgen, Arbeitsverträgen … Es wird also im Vertrag hier schon festgelegt, wann – oder zumindest wie diese Vertrag wieder rückgängig zu machen ist. Dieser Bestandteil ist frei verhandelbar. Bei biblischen Bündnissen ist da anders.
In der Schrift finden sich eindeutige Aussagen über die drei wesentlichen Bundesschlüsse des AT hinsichtlich ihrer nicht begrenzten Gültigkeitsdauer:
Elohim sagt Noah Seinen Bund „auf ewige Generationen hin“ zu.
- Mose 12, 9 Und Elohim sprach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und jedem lebenden Wesen, das bei euch ist, auf ewige Generationen hin:
Entsprechende zeitliche Angaben im Rahmen des Bundesschlusses des abrahamitischen Bundes verspricht Elohim Abram in 1. Mose17 / 7[7] und 1. Mose 17 / 9[8]. Weiter lesen wir von der zeitlich unbegrenzten Gültigkeit, dieser eingegangenen Verpflichtungen zwischen Gott und Israel in
- Mose 31, 16 So sollen denn die Söhne Israel den Sabbat halten, um den Sabbat in all ihren Generationen zu feiern, als ewigen Bund.
In 5. Mose 7 / 9[9] verpflichtet ER sich gegenüber denen, die IHN lieben, zu einer über „1000 Generationen“ andauernden, ununterbrochenen Gnade[10].
Die gleiche Aussage findet sich in 2. Mose 34 / 7[11] der Begegnung zwischen Elohim und Mose, wo sich ER(!) Mose gegenüber charakterisiert.
Auch in den Psalmen finden wir die Tatsache erwähnt, dass der Bund mit SEINEM Volk ein ewiger Bund ist.
Ps. 111 / 9: Er hat Erlösung gesandt zu seinem Volk, seinen Bund verordnet auf ewig. …
Bündnisse haben somit die Eigenschaft, „auf ewig“ zu bestehen. Erklärbar ist dieser Punkt ebenfalls aus der Tatsache, dass sie mit Blut geschlossen werden. Die Existenz der Bundespartner lebt ihn ihren Nachkommen weiter – und diese Nachkommen stehen genau wie ihre Vorfahren, die Bündnisse geschlossen/geschnitten haben, in exakt den gleichen Verpflichtungen – mit allen Rechten und aber auch Pflichten. Auch wenn es zunächst schwer verständlich erscheint, gilt dieses auch dann, wenn die Nachfahren nach x Generationen nichts mehr von den irgendwann einmal geschlossenen Bündnissen wissen…
Bündnisse sind somit Übereinkünfte von absoluter Verbindlichkeit.
Wenn wir diese Eigenschaft von biblischen Bündnissen nicht wissen, bleibt vieles unverständlich und nebulös – welche Bünde wer mit wem wie einging, – darum wird es in der nächsten Folge gehen – mit Auswirkungen bis in die heutige Zeit und unsere Existenz.
Zusammenfassung:
- Der „Bund“, „berit“, ist eine Rechtsnorm, die aus dem Himmel kommt – also nicht einem menschlichen Kulturkreis entstammt.
- Bünde/Bündnisse werden mit der gesamten Existenz der Bundespartner geschlossen.
- Bünde sind nicht veränder- oder kündbar.
- Bündnisse gelten unbegrenzt für die Bundespartner sowie ihre gesamte Nachkommenschaft.
- Das Nichterfüllen eines Bestandteiles der Vereinbarung führt zum Gesamtversagen des betreffenden Bundespartners.
- Mit dem Brechen, dem Nichterfüllen eines Bundes hat der Bundes-„brecher“ sein Existenz-, Lebensrecht verwirkt, da Bündnisse mit Blut als Träger des Lebens unterschrieben werden.
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Stephan Bauer
[1] F. H. Baader: Wortkunde der Bibel, S. 242
[2] H. Langenberg: Biblische Begriffskonkordanz, hier S. 49 ff
[3] G. v. Rad: Theologie des Alten Testamentes Bd. 1 u. 2, hier I S. 144
[4] mündliche Auskunft von Pastor Shimon Nahum, Jerusalem, eines mit Aramäisch als Muttersprache aufgewachsenen Juden
[5] Bräumer: Wuppertaler Studienbibel Bd. 1; hier S. 56
[6] 1. Mose 1 / 27
[7] 1. Mose 17 / 7: Und ich werde meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir durch alle ihre Generationen zu einem ewigen Bund, um dir Gott zu sein und deinen Nachkommen nach dir.
[8] 1. Mose 17 / 9: Und Gott sprach zu Abraham: Und du, du sollst meinen Bund halten, du und deine Nachkommen nach dir, durch ihre Generationen!
[9] 5. Mose 7 / 9: So erkenne denn, daß der HERR, dein Gott, der Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Güte bis auf tausend Generationen denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten,
[10] andere Übersetzungen: Güte
[11] 2. Mose 34 / 7: der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft läßt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten Generation
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