#27 Acharei Mot/Kedoschim – „Nach dem Tod/Heilige“
Acharei Mot / Kedoschim,
3. Mose 16,1-20,27
Amos 9,7-15; Matthäus 15,10-20; Markus 12,28-34
Erlaubt die Bibel Polygamie? Zwar kommt es immer wieder vor, dass Männer in der Bibel mit mehreren Frauen zusammen lebten, doch wollen wir in diesem Kommentar zu Acharei Mot der Frage nachgehen, wie Gott dazu steht. Außerdem betrachten wir, was wir aus seinem Handeln lernen können.
Polygamie in der Bibel
Zunächst einmal lässt sich unbestreitbar festhalten, dass es für einige große Männer im Glauben eine Realität war, mit mehr als einer Frau zusammenzuleben.
Wir können mit dem Vater des Glaubens, Abraham, beginnen. Seine Liaison mit Hagar war zwar rein geschäftlicher Natur, dennoch war sie die Mutter seines ersten Sohnes Ismael. In dieser Postion stand sie auch unter der Fürsorge des Hausvaters Abrahams.
Viel offensichtlicher war das polygame Verhältnis von Jakob mit seinen beiden Frauen Lea und Rahel. Hinzu kamen deren Mägde als Mütter einiger seiner Söhne. Wenn wir allerdings den Bericht dieser Familie lesen, dann sehen wir, dass es große Eifersucht zwischen den Frauen gab. Einfach hatten es Jakob und seine Damen ganz sicher nicht miteinander.
Auch der große König David lebte mit mehreren Ehe- und Nebenfrauen zusammen. Doch genau wie Abraham, der ein Freund Gottes genannt wurde (Vgl. Jakobus 2,23), galt auch David als gottesfürchtiger gerechter Mann (Vgl. 1. Könige 3,6). Bedeutet dies, dass Gott mit deren polygamen Lebensstil einverstanden war?
Das göttliche Ideal
Es ist wohl offensichtlich, dass YHWH sich für die Ehe ein Ideal überlegt hat, welches wir im Garten Eden sehen können. Dort wurde dem Mann Adam eine Frau gegeben.
Sie sollte ihm eine Gehilfin sein, die ihm entspricht (Vgl. 1. Mose 2,18). Tatsächlich sollten es nicht viele Gehilfinnen für Adam sein. Eine würde genügen.
Darüber hinaus sehen wir, dass die polygamen Beziehungen insbesondere im Falle Jakobs, aber auch im Falle Salomos, meist mit Problemen behaftet waren. Deshalb gebot YHWH auch, dass ein König sich mit einer Frau begnügen sollte.
Er soll auch nicht viele Frauen nehmen, damit sein Herz nicht auf Abwege gerät; auch soll er sich nicht zu viel Silber und Gold aufhäufen. (5. Mose 17,17)
Interessant an diesem Gebot ist die Warnung, die darin inbegriffen ist. Viele Frauen könnten das Herz des Königs auf Abwege bringen. Ausdrücklich heißt es nicht fremde Frauen (auch dafür besteht ja eine Warnung s. 5. Mose 7,1-4), sondern viele Frauen. Die Anzahl war also entscheidend.
Hier erkennen wir bereits eine erste göttliche Bewertung von Polygamie, denn worin unterscheidet sich das Herz des Königs vom Herzen eines anderen Mannes?
Doch in der Lesung Acharei Mot finden wir noch eine deutlichere Aussage dazu.
Das göttliche Verbot von Polygamie in Acharei Mot
Es heißt im Text von Acharei Mot:
Du sollst auch nicht eine Frau zu ihrer Schwester hinzunehmen, sodass du Eifersucht erregst, wenn du ihre Scham entblößt, während jene noch lebt. (3. Mose 18,18)
Wenn ein Mann eine Frau hatte, sollte er nicht noch ihre Schwester zu dieser hinzunehmen. Die entscheidende Frage in diesem Vers lautet: Bezieht sich das Wort Schwester auf die tatsächlich leibliche Schwester der Frau oder ist es ein Idiom für alle Frauen?
Ich glaube, dass Letzteres der Fall ist und dass es sich bei obigem Vers um ein generelles Verbot von Polygamie handelt. Folgende Gründe sprechen dafür:
- In den Versen 9-12 desselben Kapitels werden bereits einige inzestuöse Verbindungen angesprochen und verboten. Dabei fällt die genaue Definition beispielsweise einer Schwester auf. Sie wird als die Tochter des eigenen Vaters beschrieben. Dieser eindeutige Zusatz fehlt in 3. Mose 18,18.
- Eifersucht oder Rivalität würde auch bei Frauen entstehen, die nicht miteinander verwandt sind, s. Hanna und Penina (Vgl. 1. Samuel 1).
- Wenn der Schwerpunkt des Gebots der familiäre Hintergrund der Frauen wäre, warum kann der Mann die Schwester nehmen, wenn seine ursprüngliche Frau gestorben ist? Was ist der Hintergrund dafür?
- Die hebräische Formulierung אִשָּׁ֥ה אֶל־ אֲחֹתָ֖הּ (ischah el-achotah) kann damit übersetzt werden, dass zu einer Frau ihre Schwester hinzukommt. Es gibt aber auch Beispiele innerhalb der Schrift, wo dieselbe Formulierung einfach bedeutet, dass zwei gleiche Dinge aneinandergefügt werden. Nachfolgend zwei Beispiele dafür:
Fünf Zeltbahnen sollen [zu einem Ganzen] zusammengefügt sein, eine an der anderen, und wieder fünf Zeltbahnen, eine an der anderen. (2. Mose 26,3)
[Ich hörte auch] das Rauschen der Flügel der lebendigen Wesen, die einander berührten, und das Geräusch der Räder neben ihnen, und den Schall eines gewaltigen Getöses. (Hesekiel 3,13)
Nun kann man den Vers 3. Mose 18,18 auch durchaus anders interpretieren, doch erscheint mir ein generelles Verbot von Polygamie aus den genannten Gründen naheliegend.
Gottes Gande
In jedem Fall sehen wir aber, dass Gottes Gnade über allem steht. Er hat sich sehr wohl Menschen erwählt, die von seinem Ideal, von seinen Geboten abgewichen sind und aus ihnen ein heiliges Volk gebaut oder es durch sie geführt.
Mindestens im Fall Jakobs, der ja mit zwei Schwestern verheiratet war, sehen wir, dass Gott nicht blind einem Gebot folgte, sondern für die Bewertung der Situation auch das komplette Bild ansah.
Wie hätte die ganze Situation um den Hochzeitsbetrug rund um Jakob und Lea gelöst werden können, ohne weiteren Schaden anzurichten? Gott hat hier eine Situation geduldet und mit Jakob und seinen Frauen weiter gearbeitet. Er ist allmächtig und kann auch aus suboptimalen Bedingungen noch etwas Gutes schaffen.
Und so sollten wir auch mit unseren Mitmenschen umgehen, die wir in Sünde wähnen. Kennen wir das ganze Bild? Wissen wir, ob nicht Gott bereits Schlimmeres verhindert hat? Und ist es an uns, zu verurteilen, wenn Gott damit auch sehr vorsichtig ist?
Bildquelle: Pixabay.com
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