#41 Pinchas – „Pinchas“
Pinchas
4. Mose 25,10-30,1
Jeremia 1,1-2,3; Johannes 2,13-22
In diesem Kommentar zu Pinchas wollen wir einmal versuchen, die Szenerie rund um den namensgebenden Protagonisten zum Leben zu erwecken. Wir wollen versuchen, uns in den mutigen Priester hineinzuversetzen. So können wir etwas nachempfinden, was es wirklich beutetet, ein Priester Gottes zu sein.
Als Pinchas die Augen erhob, sah er ein einziges Blutbad. Fürsten aus allen Stämmen hingen der Sonne entgegen auf hölzernen Pfählen. Es war bedauerlich, dass die wenigen Akazienholzbalken, keine bessere Verwendung fanden.
Auf dem Boden lagen die Leichen der Götzendiener. Es gab immer noch Richter, die sich um die Übeltäter kümmerten und sie töteten. Rings herum war Wehklagen und Weinen zu hören. Mütter verloren ihre Söhne. Ehefrauen ihre Männer. Und das alles nur, weil sie sich nicht beherrschen konnten.
Pinchas erinnerte sich, unter welchen Jubelgesängen sein Volk damals aus Ägypten gezogen war. Die Freude war überwältigend. Israel war endlich frei und sah mit großer Erwartung einer Zukunft im Reich Gottes entgegen.
Tatsächlich hatte das Volk vor einiger Zeit die Freude von damals wiedergefunden. Gott war in der Mitte Israels. Er war der anerkannte König. Die Kinder Israels beteten ihn mit fröhlichem Herzen an. Es ging sogar das Gerücht im Lager um, dass Balak, der König von Moab, einen Wahrsager engagiert hatte, um Israel zu verfluchen. Doch der vermochte es nicht, weil YHWH sich schützend vor das Volk stellte. Das war fast wie damals am Roten Meer.
Umso verwunderlicher war es, dass einige Hebräer sich von den moabitischen Priesterinnen, die eines Tages ins Lager kamen, verführen ließen. Gerade als Israel den göttlichen Weg wieder gefunden hatte, waren es ausgerechnet die Fürsten und Oberhäupter, die das Volk davon wieder abbrachten.
Es war ein abscheuliches Bild. Nicht nur die öffentlichen Orgien, die Nacht für Nacht im Lager veranstaltet wurden, mussten Gott erzürnen. Besonders die Opfer von Schweinen und das Trinken von Blut war für jedes heilige Auge widerwärtig. Auch das Gerücht von geopferten Babys ging durchs Lager.
Pinchas verstand, dass Gott dem ein Ende bereiten musste. Auch er konnte sich diese Gräuel nicht mehr länger ansehen. Doch das Bild, welches sich ihm in Folge des Gerichts zeigte, war nicht weniger grauenhaft. Er hoffte, dass die verbliebenen Obersten ihre Lektion gelernt hatten. Nie wieder durfte ein solcher Gräuel in Israel begangen werden. Nie wieder sollten so viele Menschen wegen der Sünde sterben müssen.
Als Pinchas sich umsah, erkannte er Simri, den Simeoniter, wie er in den Armen einer Midianiterin zur Stiftshütte ging. Die Frau war Kosbi, eine bekannte midianitische Prinzessin. Der Ruf ihrer Ruchlosigkeit eilte ihr voraus, wo immer sie hinkam.
Die beiden hatten ihr Ziel fest im Blick. Sie gingen an den vielen weinenden und klagenden Menschen vorbei. Mit einem furchterregenden Lächeln auf den Lippen durchschritten sie Hand in Hand den Vorhang zum Vorhof. Sie nahmen Kurs auf das Heiligtum und begannen sich wild und leidenschaftlich zu küssen. Höhnisches Gelächter war zu hören, als sich der Vorhang schloss und die Sicht auf die beiden versperrte.
Doch es war gar nicht notwendig, zu sehen, was dahinter passierte. Jeder wusste es. Pinchas war geschockt. Er konnte kaum an sich halten. Warum tat denn niemand etwas? Warum sahen die Richter und die Fürsten regungslos zu? Hatten sie Angst vor Simri? Oder vor Kosbi?
Der junge Priester hielt es nicht länger aus. Er ergriff seinen Speer und stürmte auf das Zelt zu. Hinter sich hörte er seinen Namen rufen. Doch es war zu spät. Niemand würde ihn jetzt noch aufhalten können. Nur Gott konnte jetzt noch das Leben von Simri und Kosbi retten. Doch dafür hätte er Pinchas töten müssen.
Mit einem lauten Schrei stürmte der Priester in das Heiligtum und rammte den beiden Frevlern seinen Speer in den Unterleib. Beide starben auf der Stelle. Pinchas blieb regungslos stehen. Was würde mit ihm passieren? Wie würden die Israeliten reagieren? Was würde YHWH tun?
Zu seiner Überraschung passierte zunächst nichts. Es war totenstill, bis die Herrlichkeit Gottes wieder auf die Wohnung kam und YHWH begann mit Mose zu reden. Pinchas sollte mit einem ewigen Priestertum geehrt werden.
Die geschilderte Darstellung soll vorrangig dazu dienen, dass wir uns in die Erlebniswelt von Pinchas hineinversetzen können. Sie erhebt nicht den Anspruch, geschichtlich akkurat zu sein. Letztlich fehlen uns dafür zu viele Details.
Dennoch können wir die Erfahrung, die Pinchas gemacht haben könnte, und sein Handeln mit unserem Erleben und Wandel im Glauben abgleichen.
Einmal angenommen, wir wären in Pinchas Situation gewesen: Hätte Gott auch in uns einen wahrhaftigen Priester gefunden?
Bildquelle: Wong Chim Yuen / freebibleimages.org
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