#02 Noach – „Noah“
1. Mose 6,9-11,32
Jesaja 54,1-55,5; Lukas 17,20-27
In unserer aktuellen Lesung “Noach” begegnen wir zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Wir lernen den gerechten Noach kennen, den Gott als Einzigen mit samt seiner Familie vor dem Gericht der Sintflut rettete.
Und wir lernen Nimrod kennen, der recht bald nach der großen Flut, Gottes Zorn erneut hervorrief und damit zum Prototyp für jeden falschen Propheten wurde. Man könnte auch sagen, dass er als Blaupause für den endzeitlichen Antichristen dient.
Zwei Menschen, zwei Biografien – die doch enger zusammenhängen als es auf den ersten Blick scheint.
Noach war der Urgroßvater von Nimrod. Beide lebten noch mindestens 250 Jahre miteinander. Wie kam es aber, dass Nimrod mit so einem berühmten und gerechten Vorfahren einen solchen Weg der Rebellion – Nimrod heißt aus dem Hebräischen übersetzt „wir werden rebellieren!“ – einschlug?
Wir werden sehen, dass Noach dabei möglicherweise eine entscheidende Rolle spielte.
Es heißt in der Schrift:
Auch zeugte Kusch den Nimrod; der war [oder besser: wurde] der erste Gewalthaber auf Erden. (1. Mose 10,8)
Nimrod wurde nicht als Gewalthaber und Tyrann geboren. Er wurde zu einem solchen und entschied sich diesen Weg einzuschlagen. Welche Faktoren könnten seine Entscheidung und seine Entwicklung hin zum Tyrannen beeinflusst haben?
Wir wollen uns zur Beantwortung dieser Frage eine Begebenheit aus Noachs Leben, lange vor Nimrods Geburt, ansehen. Noachs Verhalten könnte eine bedeutende Rolle für die Entwicklung Nimrods gespielt haben.
Als Noach aus der Arche stieg und sein Leben wieder neu anfangen musste, heißt es:
Noah aber wurde nun ein Landmann und legte einen Weinberg an. Als er aber von dem Wein trank, wurde er betrunken und entblößte sich in seinem Zelt. Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und erzählte es seinen beiden Brüdern draußen. (1. Mose 9,20-22)
Aus welchen Gründen auch immer sich Noach betrank, soll uns hier nicht interessieren. Doch offensichtlich war Noach so stark betrunken, dass er nicht mehr bei Bewusstsein war und unter völligem Kontrollverlust litt.
Ham nutzte diese Situation aus. Dass Ham die Blöße Noachs sah, kann durchaus als sexuelle Sünde bzw. Vergewaltigung verstanden werden.
Du sollst die Scham deines Vaters und die Scham deiner Mutter nicht entblößen. Es ist deine Mutter; du sollst ihre Scham nicht entblößen! Du sollst die Scham der Frau deines Vaters nicht entblößen, denn es ist die Scham deines Vaters. (3. Mose 18,7-8)
Es ist gut möglich, dass Ham sich an seinem Vater oder seiner Mutter sexuell vergangen hatte und damit auch noch vor seinen Brüdern prahlte. Schwerer kann ein Sohn seinen Vater wohl kaum entehren.
Noachs Reaktion war entsprechend heftig.
Als nun Noah von dem Wein erwachte und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn getan hatte, da sprach er: „Verflucht sei Kanaan! Ein Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern!“ (1. Mose 9,24-25)
Als Noach von der Tat Hams erfuhr, verfluchte er nicht Ham, sondern seinen Sohn Kanaan. Wer war Kanaan?
Es ist gut möglich, dass Kanaan der erstgeborene Sohn Hams gewesen war. Es war Hams Aufgabe als Vater von Kanaan ihn mit dem Segen des Erstgeborenen auszustatten.
Indem Noach Kanaan verfluchte, griff er direkt in das Privileg seines Sohnes Hams ein, seine eigenen Söhne segnen zu können. Indem Noach Kanaan verfluchte, entzog er ihm definitiv die Rolle als Erstgeborener in der Familie, der Noach als Oberhaupt beerben würde. Ham hatte dabei kein Mitspracherecht mehr.
Nun hatte Noach natürlich das Recht, seinen Sohn Ham zu verfluchen. Dass er aber direkt in die väterlichen Belange seines Sohnes Hams eingriff, konnte von Ham nur als weiterer Affront verstanden werden, welcher die Vater-Sohn-Beziehung zwischen beiden, die sowieso schon angeschlagen schien, nicht verbessern würde.
Die Botschaft von Noach an Ham lautete in etwa: „Ich möchte nicht, dass deine Sippe eines Tages die Führung unserer Familie übernimmt. Ich traue dir und deinem erstgeborenen Sohn diese Aufgabe nicht zu.“
Es sollte dabei erwähnt werden, dass der Erstgeburtssegen prinzipiell kurz vor dem Tod des Vaters vergeben wurde (Vgl. 1. Mose 27,2-4; 1. Mose 49,33). Dies hatte den Grund, dass der Vater den Segen nicht voreilig vergeben oder entziehen konnte. In seinen letzten Augenblicken sah der Vater den Lebenslauf seiner Söhne und konnte einschätzen, wer wirklich bereit war die Verantwortung als Familienoberhaupt zu tragen, wenn er nicht mehr in der Familie war. Selbst der größte Sünder konnte sich bis zum Tod des Vaters noch gewandelt haben. Und ein gerechter Sohn konnte auch noch auf falsche Wege geraten.
Als Noach Kanaan verfluchte, sehen wir keinen Hinweis darauf, dass Noach bald sterben würde. Er legte sich sehr frühzeitig fest, dass Hams Sohn niemals Familienoberhaupt werden würde und drückte damit deutlich sein Misstrauen gegenüber Ham und seiner Famile aus.
Wie sollte sich Ham als Sohn von Noach zu dieser Botschaft stellen?
Wir sehen in der späteren Familie Hams, dass aus dieser lediglich Völker hervorgingen, die Israel und Gott gegenüber feindlich gesinnt waren.
Und dies sind die Söhne Hams: Kusch [der Vater Nimrods], Mizraim [Ägypten], Put und Kanaan [das Volk, welches von Israel im Zuge der Landnahme komplett ausgerottet werden sollten]. (1. Mose 10,6)
Wir erkennen eine Familie, die den Weg Noachs, als gerechte Männer vor YHWH, nicht gehen wollte. Sie rebellierten.
Und somit wuchs auch Nimrod in einer Familie auf, in der der Großvater sich von seinem Vater abwandte und sein Onkel von seinem Großvater direkt verflucht wurde. Könnte es sein, dass Noach und der Gott, dem er folgte, von der Familie Hams gegenüber Nimrod verleumdet wurde? Kann es sein, dass Ham sich nie wieder mit seinem Vater versöhnte und eine Familienfehde an seine Söhne und Enkel weitergab, wobei Nimrod all den Hass seiner Vorfahren in sich bündelte?
Letztlich wissen wir es nicht genau. Es könnte aber gut sein, dass Noachs Fluch von Kanaan der Ausgangspunkt für eine unversöhnliche Familienfehde war, die in der Rebellion eines großen Teils der Menschheit gegenüber Gott gipfelte – den Turmbau zu Babel.
Wir können Noach natürlich nicht die Verantwortung für die Entscheidungen seiner Nachkommen geben. Letztlich folgte sein Fluch einer Sünde Hams. Wir können aber festhalten, dass Noach die Rebellion und Verbitterung in dieser Familienlinie durch seinen Fluch weiter begünstigt haben könnte.
Sollten wir da nicht aufpassen, wie wir mit unseren Familienangehörigen umgehen und was wir zu ihnen sprechen? Ist es im Angesicht der späteren Folgen, die aus Noachs Fluch, den er wohl im Zorn oder gar in Trunkenheit gesprochen hatte, entstanden sind, nicht wichtig, genau darauf zu achten, dass wir mit unseren Kindern nicht im Zorn sprechen? Dass wir uns in Selbstbeherrschung üben? Dass wir uns nicht für begangenes Unrecht rächen? Dass wir Vergebungsbereitschaft signalisieren, auch wenn wir verletzt oder gedemütigt wurden?
Lasst uns stärker darauf achten, wie wir mit unseren Kindern, Familienmitgliedern, Freunden und Mitmenschen umgehen. Unser Handeln und unsere Worte können entscheidend dazu beitragen, ob sie sich zu Jeschua hingezogen fühlen oder sich von ihm abwenden.
Möge jeder, der mit uns zu tun hat, Jeschua in uns erkennen!
Bildquelle: http://www.freebibleimages.org/illustrations/noah-ark/
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