Der 9. Av (Sonntag, 14. August 2016)
Diesen Sonntag (14.August) gedenkt man den großen Tragödien, die über die Jahrhunderte am 9. Av passierten – insbesondere den beiden Tempelzerstörungen (die Babylonier zerstörten den ersten, die Römer den zweiten Tempel, jeweils am 9.Av). Es ist einer der höchsten Fastentage.
Doch was hat es mit diesem Tag auf sich?
Wir lesen in 4.Mose 13+14 von den zwölf Kundschaftern, die ins verheißene Land geschickt wurden. Zehn von ihnen kommen mit einem äußerst negativen und pessimistischen Bericht zurück, so dass sie damit „das Land in Verruf bringen“.
Das Schlimme ist: Die Kinder Israels glauben ihnen mehr als den anderen beiden Kundschaftern (Kaleb und Josua) und fangen an, zu schreien, zu klagen und zu trauern.
In der aktuellen Parashah (Devarim) wird diese Begebenheit nacherzählt. Und das ist kein Zufall: Die Überlieferung sagt, dass dieses Ereignis an einem 9. Av stattfand. (Und der 9. Av ist es auch, der in der Parashah-Devarim-Woche liegt.)
Das Volk hörte den Bericht der Kundschafter und trauerte – obwohl es definitiv keinen Grund zum Trauern gab! Sie schimpften über das Land, über Mose und über Gott selbst. Mose sagt, dass dem Volk der Glauben fehlte:
5.Mo 1,32: Aber in dieser Sache wolltet ihr dem Herrn, eurem Gott, nicht glauben.
Dies führte dazu, dass Gott das ganze Volk ausrotten wollte. Doch Mose trat wieder einmal für das Volk ein. Dennoch waren die Folgen tragisch: Die Wüstenwanderung wurde auf 40 Jahre verlängert, und die ganze Generation (alle Männer über 20) starb in dieser Zeit.
Doch nicht nur das: Der Tag, der 9. Av, wurde sozusagen verflucht! Viele schreckliche Ereignisse fielen in den folgenden Jahrhunderten eben auf diesen Tag.
Und somit wurde er zu einem großen Trauertag!
Interessanterweise finden sich die vier „jüdischen“ Fastentage sogar im Propheten Sacharja indirekt Beachtung. Und nicht nur das: Es wird sogar prophezeit, dass sie zu messianischen Zeiten zu Freudentagen werden (Av ist der fünfte Monat):
Sach 8,19: So spricht der Herr der Heerscharen: Das Fasten im vierten und das Fasten im fünften und das Fasten im siebten und das Fasten im zehnten Monat wird dem Haus Juda zur Freude und Wonne werden und zu fröhlichen Festtagen. Liebt ihr nur die Wahrheit und den Frieden!
Auch wenn also das Fasten und Tauern nicht in der Torah vorgeschrieben wird (die Tempelzerstörungen fanden ja auch erst später statt), hat es dennoch einen stark biblischen Bezug.
Geschehnisse am 9.Av
Wir finden eine ganze Reihe von Ereignissen, die am 9. Av stattfanden. Folgende Liste ist aus Wikipedia:
- Salomons Tempel (Der erste Tempel) und das Königreich Juda wurden 586 v. Chr. von den Babyloniern unter König Nebuchadnezzar zerstört, und die Judäer wurden gefangen nach Babylon verbannt. (Die Zerstörung begann am 9. Av und endete am 10. Av.)
- Der zweite Tempel wurde 70 n. Chr. durch die Römer zerstört.
- 132 n. Chr. Bar Kochba Revolte niedergeschlagen. Betar zerstört – über 100.000 Personen getötet.
- 133 n. Chr. Turnus Rufus pflügte das Areal des Tempels. Römer erbauten heidnische Stadt Aelia Capitolina auf den Ruinen von Jerusalem.
- 1099 n. Chr. Papst Urban II. deklarierte den Ersten Kreuzzug 1095. 10.000 Juden wurden im ersten Monat des Kreuzzugs getötet, Mainz, Speyer, Köln. Der Kreuzzug brachte Tausenden von Juden Tod und Zerstörung, totale Auslöschung vieler Gemeinden im Rheinland und Frankreich. In Jerusalem um 1099.
- 1290 n. Chr. Ausweisung von Juden aus England, begleitet durch Pogrome und Beschlagnahme von Büchern und Besitz.
- 1492 n. Chr. Inquisition in Spanien und Portugal kulminierte in der Ausweisung der Juden von der Iberischen Halbinsel mit dem Alhambra-Edikt. Familien getrennt, viele starben durch Ertränken, massive Verluste von Grund und Boden. Damit begann das Exil der Sephardim unter anderem nach Nordafrika. Am 3. August am Morgen nach dem Ablauf der Ausweisung, verlängert vom 31. Juli, segelte Columbus nach Amerika.
- 1914 n. Chr. Großbritannien und Russland erklärten Deutschland den Krieg. Der Erste Weltkrieg begann. Fragen des Ersten Weltkrieges bleiben ungelöst, schlussendlich den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verursachend. 75 Prozent aller Juden in Kriegsgebieten. 120.000 Jüdische Gefallene in den Armeen. Über 400 Pogrome unmittelbar nach dem Krieg in Ungarn, Ukraine, Polen und Russland.
- 1942 n. Chr. Deportationen vom Warschauer Ghetto in das Konzentrationslager Treblinka begannen.
- 1994 n. Chr. Bombenattentat auf das Gebäude der AMIA (das Jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires, Argentinien), das 86 Menschen tötete und mehr als 300 verletzte.
Gerade wegen des starken Bezugs zu den Tempeln, macht es Sinn, sich in diesen Tagen mit dem Tempel auseinanderzusetzen. Schließlich ist den meisten von uns das ganze Tempel-Konzept sehr fremd. Doch Hesekiel prophezeit, dass es Tempel und Opfer wieder geben wird, wenn Yeshua zurückkommt.
Warum also nicht mal wieder Hesekiel 40 bis 48 studieren?
Lies dazu auch:
Jüdische “Zwillingstürme”
Vielen ist bekannt, dass Juden zwischen unterschiedlichen Jahresbeginnen unterscheiden. So definiert etwa Gott selbst den allgemeinen Jahresstart für den 1.Aviv (oder Nissan) – 15 Tage vor Pessach. Doch zusätzlich sehen Juden im 1. des siebten Monats (Tischrei; der Monat der Herbstfeste) einen weiteren Jahresstart (hier mehr dazu).
Man mag davon halten was man möchte – das soll hier nicht das Thema sein – doch es ist interessant, wenn man probeweise mal am siebten Monat mit der Zählung beginnt (nicht, dass wir das generell machen würden!). Dann wäre nämlich der siebte, der erste Monat. Der achte, der zweite. usw.
Und so wäre der Monat Av (der eigentlich der 5.Monat ist) der elfte Monat – und damit der 9.Av der 9.11.!
Juden besitzen also ihren „eigenen“ nine eleven. Nicht dass man darauf stolz sein müsste. Es ist ein Trauertag. Noch…
Sach 8,19: So spricht der Herr der Heerscharen: Das Fasten im vierten und das Fasten im fünften und das Fasten im siebten und das Fasten im zehnten Monat wird dem Haus Juda zur Freude und Wonne werden und zu fröhlichen Festtagen. Liebt ihr nur die Wahrheit und den Frieden!
PS: Übrigens wird dieses Jahr der Trauertag auf den 10. Av (Sonntag, 14. August) verschoben, da er sonst auf einen Schabbat fallen würde.
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