Danke, Paulus: Endlich bin ich FREI und kann essen was ICH will!
Egal von welcher Seite man schaut: Die Briefe von Paulus sind nicht leicht zu verstehen. Zu viele Verse scheinen sich zu widersprechen. In einem anderen Artikel haben wir über das Leben von Paulus geschrieben, das unserer Meinung nach sehr eindrücklich zeigt, dass er ein Verfechter der Torah war: Der missverstandene Paulus!
Heute schauen wir uns ein paar Stellen an, die gegen diese Ansicht zu sprechen scheinen.
Richten wegen Speise oder Trank
Viele meinen, im Kolosserbrief schreibe Paulus, dass wir frei vom Gesetz sind:
Kol 2,16: So lasst euch von niemand richten wegen Speise oder Trank, oder wegen bestimmter Feiertage oder Neumondfeste oder Sabbate
Doch ist hiermit wirklich gemeint, dass die Speisegebote aus der Torah nicht mehr gelten?
Ein sehr bekannter christlicher Bibellehrer schreibt in einem Kommentar zu diesem Vers:
Die Irrlehrer versuchten, eine Art Speisegesetze aufzuerlegen, die wahrscheinlich auf den mosaischen Gesetzen gründeten. Da die Kolosser jedoch unter dem Neuen Bund standen (wie alle Christen), waren sie nicht verpflichtet, die Speisevorschriften des ATs zu beachten (vgl. Mk 7,14-19; Apg 10,9-15; Röm 14,17; 1.Kor 8,8; 1.Tim 4,1-5;…).
Wow, das ist mal eine Aussage!
Wenn das nicht mal ein Anreiz ist, diesen Stellen nachzugehen! Kann diese Auslegung stimmen? Leben wir in „Freiheit“ und dürfen nun ungesunde Nahrung zu uns nehmen?
Ok, bevor ich schon eine Wertigkeit hineinbringe, lasst uns mal diese Stellen anschauen.
Zunächst zum Ausgangsvers in Kolosser 2,16 (siehe oben)
Kolosser 2,16 – Auch heute aktuell
Lehrer in Bibelschulen trichtern es einem ein, Prediger rufen es von der Kanzel und trotzdem vergisst man ihn so oft: Den Kontext! Denn der ist hier wirklich wichtig!
Allerdings ist es hier auch etwas gemein! In meiner Bibel (Schlachter-Übersetzung) ist der inhaltlich zusammengehörige Abschnitt durch zwei Überschriften geteilt (nach Vers 8 und Vers 15). Auffallen müssen uns aber die Wörter „Denn“ in Vers 9 und „So“ in Vers 16. Es zeigt jeweils einen klaren Bezug zu den Abschnitten davor!
Ab Vers 4 beginnt (wenn überhaupt) ein kleinerer inhaltlicher Einschnitt. Beginnen wir also dort.
Nun stoßen wir in Vers 8 auf einen wichtigen Aspekt. Die Rede ist hier von menschengemachten Gesetzen, die kritisiert werden:
Kol 2,8: Habt acht, dass euch niemand beraubt durch die Philosophie und leeren Betrug, gemäß der Überlieferung der Menschen, gemäß den Grundsätzen der Welt und nicht Christus gemäß.
Das ist also der Kontext: Es geht nicht um Gebote der Torah, sondern um menschliche Gebote.
Oft wird auch Vers 17 missverstanden. Was steht hier?
Kol 2,17: die doch nur ein Schatten der Dinge sind, die kommen sollen, wovon aber der Christus das Wesen hat.
Speise, Trank, Feiertage, Neumondfeste, Schabbate deuten alle auf Christus hin. Das heißt, es geht (natürlich) um Ihn. Die Feste usw. sind genauso ein Abbild (oder Schatten) wie es zum Beispiel die Taufe ist (ein Bild unseres Todes in Christus).
Obwohl wir ja geistlich gesehen mit Christus gestorben sind, machen wir trotzdem im Physischen eine Taufe (hebr. „Mikwe“).
Und damit erkennen wir ein wichtiges Prinzip: Das Sichtbare wird nicht durch das Geistliche aufgehoben! Das finden wir bei vielen Geboten im Alten Testament.
- Wir sollen in Gedanken nicht ehebrechen, aber erst recht nicht im Natürlichen.
- In Gedanken morden (verurteilen) ist sicherlich nicht gut, im physischen morden aber erst recht nicht.
Und so ist es auch bei Festtagen oder dem Schabbat. Sie haben wunderbare geistliche Bedeutungen (indem sie auf Christus und sein Reich hinweisen). Aber deshalb sind sie nicht aufgelöst oder abgeschafft!
Kommen wir nun zu den Versen 21-23. Sie zeigen das eigentliche Problem in diesem Abschnitt: Bestimmte Gebote nach den Weisungen und Lehren der Menschen. Nicht dass diese schlecht oder verkerht seien. Aber sie müssen den richtigen Stellenwert haben!
Und sie dürfen nicht dazu dienen, das “eigene Fleisch zu befriedigen”. In den ersten Versen des dritten Kapitels zeigt Paulus auf, was das Wichtige ist: Ein Leben ohne Unzucht, Unreinheit (!), Leidenschaft, böse Lust und Habsucht. Natürlich sind das keine neuen Lehren. Es steht auch nicht im Widerspruch zur Torah. Im Gegenteil, sie wird hiermit sogar bestätigt.
Markus 7,14-19 – Waschen der Hände
Auch hier spielt der Kontext die entscheidende Rolle! Denn was ist das eigentliche Problem in dieser Auseinandersetzung mit den Pharisäern?
Das Essen mit ungewaschenen Händen (Vers 2)!
Y’shua geht auf die Frage ein, warum seine Jünger nicht vor dem Essen die Hände waschen würden?
Darauf antwortet er, dass man durch das was man zu sich nimmt unrein werden kann. Unabhängig davon, ob man sich die Hände gewaschen hat oder nicht.
Es geht hier nicht darum, dass nun plötzlich alles Essbare rein wäre zu essen (auch wenn das in manchen Bibelübersetzungen so zu lesen ist!).
Wenn man den Unterschied zwischen Sünde und Unreinheit beachtet, wird relativ schnell klar, dass hier einiges vermischt wird!
Hier geht es um die Frage, ob man unrein werden kann!
Doch Christen legen es so aus, dass man nun unreine Speisen essen könnte. Das ist aber Sünde (3.Mo 11)!
Übrigens ist hier die Rede von “Speisen”:
Mk 7,19: Denn es kommt nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und wird auf dem natürlichen Weg, der alle Speisen reinigt, ausgeschieden.
Hier sprechen ausschließlich Juden miteinander. Was glaubst du, was sie unter “Speisen” verstehen? Mit Sicherheit kein Schweinefleisch! (Oder andere unreine Tiere!)
Wenn wir heute über Speise reden, haben wir dann Mäusefleisch im Hinterkopf? Das ist das gleiche Prinzip – und in der Bibel wird Mäuse- und Schweinefleisch sogar miteinander verglichen:
Jes 66,17: Die sich heiligen und reinigen für die [Götzen-]Gärten, und einer anderen nachlaufen, inmitten derer, welche Schweinefleisch, Mäuse und andere Greuel essen — alle zusammen sollen sie weggerafft werden! spricht der Herr.
Noch ein Wort zum Händewaschen: Die jüdische Tradition vor dem Essen (von Brot) Hände zu waschen, ist eine sehr alte und – wie ich finde – aus bestimmten Gründen sehr gute. Primär gedenkt man damit dem Reinigungsprozess vor dem Betreten des Tempels. Interessanterweise wäscht man sich nur dann vor dem Essen (rituell) die Hände, wenn es Brot enthält. Und was ist die einzige Speise, die es im Tempel (oder in der Stiftshütte) gab?
Apostelgeschichte 10,9-15 – Unreine Menschen?
Petrus bekommt beim Gebet eine Vision, in der YHWH ihm unreines Essen präsentiert und sagt: „Iss davon!“
Sagt YHWH ihm damit, dass man ab jetzt unreine Speise essen darf?
Petrus ist sehr irritiert und sagt, er habe noch nie (!) etwas Unreines gegessen (Vers 14).
Das ganze passiert dreimal und Petrus ist weiterhin verwirrt.
Was will YHWH damit sagen? Ist die Speise jetzt rein?
Danach folgt etwas Entscheidendes! Petrus geht nach Cäsarea in das Haus eines Nicht-Juden!
Das ist ein Eklat!
Warum? Weil es damals für Juden verboten war. Allerdings ist das kein Gebot, das es auch heute gibt, geschweige denn eins, was in der Torah zu finden ist.
Und warum macht es Petrus nun? Weil er versteht, was YHWH ihm gesagt hat:
„doch mir hat Gott gezeigt, daß ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll.“ (Apg 10,28)
Das ist die Auslegung der Vision!
„Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.“ (Apg 10,15).
Es geht hier nicht um Essen, es geht um Menschen. Logisch?
1.Korinther 8,8 – Fleisch für Götzen
1.Kor 8,8: Nun bringt uns aber eine Speise nicht näher zu Gott; denn wir sind nicht besser, wenn wir essen, und sind nicht geringer, wenn wir nicht essen.
In diesem Abschnitt behandelt Paulus das Problem des Götzenopferfleisches.
In Korinth gab es auf Märkten oft Fleisch von Tieren, die vorher Götzen geopfert wurden. Verstößt man nun gegen die Torah, sollte man dieses Fleisch essen? Paulus scheint in diesem Abschnitt kein Problem damit zu haben.
Insofern müssen wir uns fragen, um was es hier geht. Sagt die Torah, dass es verboten ist Götzenopferfleisch zu essen? In einigen Bibelübersetzungen liest sich Apostelgeschichte 15 so, als ob es tatsächlich so wäre:
Apg 15,20: Allerdings sollten wir ihnen schreiben und ihnen auftragen, kein Fleisch zu essen, das den Götzen geopfert wurde, alle Unzucht zu meiden und weder Blut noch das Fleisch nicht ausgebluteter Tiere zu essen. (Neues Leben)
Wäre das so beschlossen worden, wie kann Paulus es dann gutheißen?
In anderen Bibelübersetzungen, wird die Lösung allerdings deutlich:
Apg 15,20: sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten.
Um was geht es also? Das Essen von Götzenopferfleisch war normalerweise damit verbunden, tatsächlich Götzen etwas zu opfern, sie anzubeten und (z.B. in Korinth) noch mit einer Tempelprostituierten zu schlafen. Das ist mit Sicherheit ein Verhalten, dass gegen die Torah verstößt!
Aber einfach nur das Fleisch zu essen, das vorher (von anderen) den Götzen geopfert wurde? Das ist für Paulus nicht unbedingt ein Problem (- solange du an dieser Prozession nicht teilnimmst und es für andere kein Problem ist):
1.Kor 8,4: Was nun das Essen der Götzenopfer betrifft, so wissen wir, daß ein Götze in der Welt nichts ist, und daß es keinen anderen Gott gibt außer dem Einen.
Lehrt Paulus, dass es erlaubt ist, alle Tiere zu essen? Nein!
Lehrt Paulus gegen die Torah? Nein!
1.Timotheus 4,1-5
Lehrt Paulus hier, dass alles was YHWH erschaffen hat gut und nicht verwerflich ist, wenn wir es mit Danksagung empfangen?
Können wir durch das Gebet vor dem Essen (egal was es ist) Nahrung so heiligen, dass es im Sinne der Torah rein ist? Wird es für uns dann gut und dient zum Besten?
1.Tim 4,3-4: Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird;
Die Antwort ist “Nein”. Wir brauchen nur weiterzulesen und dann sollte eigentlich alles klar sein:
1.Tim 4,4-5: Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet.
Im ersten Jahrhundert gab es noch kein Neues Testament. Insofern kann mit „Gottes Wort“ nur die Torah gemeint sein:
1.Tim 4,4-5: Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch die Torah und Gebet.
Die Torah erklärt also Speisen für geheiligt. Wir lesen in 3.Mose 11 welche Tiere uns als Nahrung dienen können und welche nicht.
Eigentlich recht simpel. Im Übrigen beachte auch hier bitte, dass es um Speisen geht! Dieser Brief ist von Paulus einem Juden und sogar Pharisäer geschrieben. Was bezeichnet er als Speise?
Aber genauso wichtig ist: Was bezeichnest Du als Speise?
Manchmal sind wir tatsächlich wie kleine Kinder: “Waaaas? Wir dürfen kein Schweinefleisch essen? Aber das ist sooo lecker!”
Haben deine Eltern früher schon mal gesagt, dass du etwas nicht essen sollst? Vielleicht weil es ungesund ist?
Mein Vater sprach zum Beispiel immer von “Rattengift” wenn es um ein beliebtes Erfrischungsgetränk in roten Dosen ging.
Wie schätzt du unseren Vater im Himmel ein, der dich unendlich mal mehr liebt, als es unsere Väter hier auf Erden es können?
Würde er nicht wollen, dass du nur das isst, was dir gut tut?
- Fokus Jerusalem (Folge 343) - 26. Januar 2023
- Fokus Jerusalem (Folge 341) - 12. Januar 2023
- Fokus Jerusalem (Folge 339) - 29. Dezember 2022
Dan
14. Juli 2015 @ 21:36
Dieser Artikel ist sehr verwirrend wie der Vergleich des Getränks in den roten Dosen mit Rattengift. Wenn das einfache Wort Gottes nicht mehr gelten darf dann wird es halt verkompliziert. Dann kann man mit der Bibel auch alles erklären. Dabei redet Paulus so deutlich. Was in der evangelischen Kirche der Fall zur linken ist (weg von den Weisungen Gottes), ist bei den Frommen der Fall zur Rechten ( Hinein ins extreme, trennende,) Psalm 91,7
Hosea
23. Juli 2015 @ 13:54
Hi Dan,
An welcher Stelle findest du die Auslegungen verwirrend, extrem oder trennend? Was empfindest du als verkompliziert?
Sorry, Psalm 91,7 verstehe ich in dem Zusammenhang leider auch nicht?!?
Ps 91,7: Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen;
Segen
Birgit
19. Juli 2016 @ 2:15
“Mikwe” ist das Bad, in das man hineinsteigt. Die Taufe, also das Eintauchen, heißt “tvila”.