#11 Wajigasch – „Und er trat heran“
Wajigasch
1. Mose 44,18-47,27
Hesekiel 37,15-28; Lukas 24,30-48
Nachdem Joseph sich mit seinen Brüdern versöhnt hatte, schickte er sie nach Kanaan, um Jakob und die restliche Familie nachzuholen. Joseph wollte seine Sippe bei sich wissen. Er wollte sie in Goschen wohnen lassen und dort versorgen.
Und so sandte Jospeh seine Brüder zu ihrem Vater zurück. Doch wie dieser auf die Botschaft seiner Söhne reagierte, erscheint auf den ersten Blick doch etwas merkwürdig.
Jakobs Reaktion
Als die Brüder nach Kanaan zu ihrem Vater Jakob kamen, berichteten sie ihm von ihren Erlebnissen.
und sie berichteten ihm und sprachen: Joseph lebt noch und ist Herrscher über das ganze Land Ägypten! Aber sein Herz blieb kalt, denn er glaubte ihnen nicht. (1. Mose 45,26)
Für Jakob musste es eine unglaubliche Botschaft gewesen sein, dass der Sohn, den er seit über 20 Jahren für tot hielt, nun als Regent in Ägypten auf ihn warten würde, um ihn selbst vor dem Tod zu retten. Und zunächst glaubte Jakob auch nicht daran.
Die Söhne versuchten es noch einmal:
Da sagten sie ihm alle Worte, die Joseph zu ihnen geredet hatte. Und als er die Wagen sah, die Joseph gesandt hatte, um ihn abzuholen, da wurde der Geist ihres Vaters Jakob lebendig, … (1. Mose 45,27)
Josephs Brüder sagten Jakob alle Worte, die sein 11. Sohn ihnen gesagt hatte. Doch erst als der Patriarch die Wagen sah, die Joseph mitgeschickt hatte, wurde sein Geist lebendig und er glaubte die Geschichte.
Dieser Vers lässt nun zwei Fragen offen:
- Was waren die Worte, die die Brüder Josephs ihrem Vater übermittelt hatten?
- Was hat es mit den Wagen auf sich?
Eine Deutung auf den ersten Blick
Die Torah lässt die Antwort offen. Wir erfahren nicht, welche spezifischen Informationen die Brüder dem Vater gegeben haben. Auch wissen wir nicht, warum ausgerechnet die Wagen dazu führten, dass Jakob ihnen glaubte. Schließlich hätten sie auch von einer anderen Quelle kommen können.
Wir müssen also etwas spekulieren, um Antworten auf unsere Fragen zu finden.
Es könnte unter anderem sein, dass Jakobs Söhne ihrem Vater die ganze Geschichte von Josephs Werdegang inklusive ihres eigenen Vergehens erzählt haben. Die Wagen unterstrichen die Geschichte deshalb, weil sie es dem inzwischen 130 Jahre alten Vater überhaupt erst ermöglichten, die weite Reise nach Ägypten auf sich zu nehmen.
So waren die Wagen das Puzzle-Stück, welches Jakob überzeugte, dass seine Söhne es ernst meinten.
Doch wir wollen uns noch eine andere Ebene der Deutung anschauen. Denn die Torah berichtet die Geschichte von Jakob ja nicht nur, um uns über vergangene Geschehnisse zu informieren. Es muss etwas mehr dahinterstecken, was uns unmittelbarer betrifft.
Die geistliche Deutung
Die Bibel offenbart uns, dass die Torah zu uns in Gleichnissen spricht (Vgl. Psalm 78,1-2). Das bedeutet, dass jedes Ereignis, welches uns beschrieben wird, auch eine geistliche, bildliche Ebene beinhaltet.
Ein Weg, auf dem wir uns dieser geistlichen Ebene annähern können, liegt im hebräischen Wort für Wagen verborgen.
Dieses lautet עֲגָלָה (agalah). Dasselbe Wort, allerdings in einer anderen Aussprache (eglah), kann aber auch Kuh bedeuten. Wie hilft uns diese Information bei Jakobs Geschichte?
Es gibt jüdische Quellen, die von folgendem ausgehen: Joseph sprach regelmäßig mit seinem Vater über Themen der Torah. Das letzte Thema, welches er mit ihm besprach, war das der Kuh, welche die Schuld eines Totschlägers tragen sollte, wenn dieser nicht auffindbar war (Vgl. 5. Mose 21,1-9).
Diese Kuh (eglah) sollte noch nie gearbeitet haben und an einer Stelle, an der nicht gearbeitet wurde, das Genick gebrochen bekommen. Ferner sühnte ihr Tod stellvertretend das Blutvergießen eines Unbekannten.
Die Ähnlichkeiten zu Joseph sind offensichtlich. Er war der Erstgeborene, der von seinem Vater ein langes Ärmelkleid bekam, welches sehr wahrscheinlich weniger gut geeignet zur Arbeit war. Während seine Brüder die Schafe hüteten, blieb er zu Hause bei seinem Vater.
Als er sie im Auftrag seines Vaters fand, waren sie an einem Ort, an dem sie gar nicht sein sollten. Haben sie in Dotan gearbeitet oder sind sie anderen Vergnügungen nachgegangen (Vgl. 1. Mose 37,17)?
Der ursprüngliche Plan der Brüder war, Joseph zu töten. Sie entschieden sich jedoch, ihn als Sklaven zu verkaufen. Laut der Torah liegt auf beiden Vergehen die Todesstrafe (Vgl. 2. Mose 21,16).
Joseph war in den Augen des Vaters tot. Doch sein (Schein-)Tod führte zur Sühne der restlichen Brüder. Er war es am Ende, der sie vom sicheren Hungertod bewahrte.
Fazit
Was waren aber die Worte, die die Söhne ihrem Vater Jakob mitgaben. Laut der jüdischen Quelle haben sie von der Kuh (eglah), die Joseph gesandt hatte, berichtet. Sie sprachen von der geistlichen Bedeutung der Kuh und wie Joseph ihre Rolle annahm.
Als Jakob diesen Midrasch hörte, wusste er, dass es Joseph war, der die Brüder geschickt hatte.
Wir wissen heute, dass Jeschua unsere Kuh ist, die am Bach gestorben und unsere Schuld dadurch gesühnt hat. Wir dürfen für diese Tat des Gottessohnes dankbar sein.
Doch gleichzeitig machen wir uns bewusst, dass wir eine ähnliche Berufung haben.
Daran haben wir die Liebe erkannt, dass Er sein Leben für uns hingegeben hat; auch wir sind es schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben. (1. Johannes 3,16)
Lasst uns Josephs Geschichte als Inspiration für Vergebung und Opferbereitschaft nehmen!
Bildquelle: Pixabay.com
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