#06 Toldot – „Geschlechter“
Toldot
1. Mose 25,19-28,9
1. Samuel 20,18-42; Matthäus 10,21-38
Gott hat uns Vätern eine verantwortungsvolle Aufgabe gegeben. Indem wir unsere Söhne (und Töchter) segnen, bestimmen wir einen Teil ihres Lebensweges. Die Worte, die wir in die Leben unserer Kinder sprechen, haben Gewicht und können sich bis ins hohe Alter und darüber hinaus auswirken.
Das wird insbesondere in Bezug auf den Erstgeburtssegen deutlich. In der Lesung Toldot legt die Torah einen Fokus auf einen der bedeutendsten Erstgeburtssegen in der Geschichte der Menschheit. Es handelt sich um den Segen über Jakob.
Was ist der Erstgeburtssegen
Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was der Erstgeburtssegen eigentlich ist. In der antiken Welt war die Familie die wichtigste soziale Einheit. Es gab keine modernen Rentensysteme oder Pflegekassen. Wenn ein Mensch Probleme hatte, war die Familie die erste Anlaufstelle.
Die Hilfe für Bedürftige kam in erster Linie aus dem familiären Vermögen. Wenn die Eltern noch lebten, waren sie in der Regel diejenigen, die einem notleidenden Sohn oder einer Tochter helfen sollten. Waren die Eltern aber schon entschlafen, so musste eine Ordnung unter den Nachkommen geschaffen werden.
Die Torah gibt uns dafür ein Muster. Im Idealfall sollte der erstgeborene Sohn den doppelten Teil des väterlichen Erbes bekommen. Es sollte ihn in die Lage versetzen, seinen Geschwistern im Bedarfsfall zu leihen oder sie anderweitig zu versorgen (Vgl. 5. Mose 21,15-17). Der Vater konnte von der Geburtsreihenfolge jedoch abweichen, wenn er sah, dass der betreffende Sohn gar nicht in der Lage oder nicht Willens war, der Verantwortung als Erstgeborenen nachzukommen.
Im Fall von Jakob und Esau ging es um noch etwas mehr. Der Vater Isaak hatte folgende Verheißung von Gott erhalten:
Sei ein Fremdling in diesem Land, und ich will mit dir sein und dich segnen; denn dir und deinem Samen will ich alle diese Länder geben und will den Eid bestätigen, den ich deinem Vater Abraham geschworen habe. (1. Mose 26,3)
Der Allmächtige versprach Isaak und seinem Samen das Land Kanaan. Es ging bei der Weitergabe des Erstgeburtssegens also auch darum, wer dieser Same sein sollte, der das Land Kanaan erben würde.
Der Erstgeburtssegen und Isaaks Söhne
Der Empfänger des Erstgeburtssegens stand schon vor der Geburt der beiden Jungen fest. Als Rebekka bemerkte, dass sich die Kinder in ihrem Bauch so heftig stießen, dass sie selbst darunter litt, fragte sie Gott, was es damit auf sich hatte. Sie bekam folgende Antwort:
Und YHWH sprach zu ihr: Zwei Völker sind in deinem Leib, und zwei Stämme werden sich aus deinem Schoß scheiden; und ein Volk wird dem anderen überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen. (1. Mose 25,23)
Beide Söhne würden in zwei separate Völker aufgehen. Der Jüngere sollte der Herr des Älteren werden.
Als die beiden geboren wurden, war Esau der erste, der den Mutterschoß verließ. Danach kam Jakob (Vgl. 1. Mose 25,24-26).
Gott hatte sich damit auf Jakob als Erstgeborenen festgelegt. Und tatsächlich übertrug es Esau seinem Bruder auch ganz legal und offiziell im Tausch für ein Linsengericht (Vgl. 1. Mose 25,34).
Doch Esau wollte sich damit nicht zufriedengeben. Er hatte ein Auge auf den Segen und den damit verbunden Reichtum geworfen. Würde er auch die damit verbundene Verantwortung wahrnehmen? Wahrscheinlich nicht.
Und so hatte er kein Problem damit, sich von seinem Vater segnen zu lassen, als dieser die Zeit dafür gekommen sah.
Der Segen über Jakob
Doch es kam anders, als es sich Esau vorgestellt hatte. Rebekka erfuhr vom Plan der beiden Männer und ergriff die Initiative. Sie überredete Jakob dazu, sich vor seinem Vater als Esau auszugeben und den Erstgeburtssegen zu empfangen.
Isaak segnete seinen zweiten Sohn mit den folgenden Worten:
Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom fettesten Boden und Korn und Most in Fülle! Völker sollen dir dienen und Geschlechter sich vor dir beugen; sei ein Herr über deine Brüder, und die Söhne deiner Mutter sollen sich vor dir beugen. Verflucht sei, wer dir flucht, und gesegnet sei, wer dich segnet! (1. Mose 27,28-29)
Was in diesem Segen steckt, ist im Grunde das messianische Friedensreich. Jakob sollte mit furchtbaren Böden, genug Regen und einer reichen Ernte gesegnet sein. Völker sollten ihm über Generationen dienen und jeder, der ihn segnete, würde selbst gesegnet sein.
Die vollständige Erfüllung dieses Segens werden wir erst im messianischen Friedensreich des Messias sehen. Denn es gibt da noch den Segen über Esau, der die Entfaltung des Segens Jakobs verhindert.
Der Segen über Esau
Als Esau erfuhr, dass Isaak den Segen über Jakob bereits gesprochen hatte, fing er an zu weinen und zu schreien und forderte einen weiteren Segen ein.
Isaak schien ziemlich hilflos und sprach folgende Worte über Esau:
Da antwortete Isaak, sein Vater, und sprach zu ihm: Siehe, fern vom Fett der Erde wird dein Wohnsitz sein, und fern vom Tau des Himmels von oben. Von deinem Schwert wirst du leben und deinem Bruder dienen. Es wird aber geschehen, wenn du dich befreien kannst, wirst du sein Joch von deinem Hals reißen. (1. Mose 27,39-40)
Isaak bestätigte zwar, dass Esau seinem Bruder dienen sollte, aber unter widrigsten Bedingungen. Esau sollte keine fruchtbaren Böden haben. Er würde vom Schwert leben und sein Dasein sollte dadurch bestimmt sein, das Joch seines Bruders von seinem Hals zu reißen.
Im Grunde hatte Isaak mit diesem Segen den Krieg zwischen den beiden Brüdern zementiert. Damit wurde der Segen zum Fluch für seine beiden Söhne.
Fazit
Bis heute wirken diese Segnungen Isaaks. Bis heute gibt es Krieg zwischen den beiden Parteien, die sich als Nachkommen der beiden Brüder verstehen.
Wir sehen daran, welche Macht die Worte des Vaters Isaak über seine Söhne hatten und immer noch haben. Das sollte uns lehren, genau zu überlegen, was wir in die Leben unserer Kinder hineinsprechen – insbesondere dann, wenn wir sie segnen.
Bildquelle: The Jewish Museum / A gift of the heirs of Jacob Schiff (CC BY 3.0 DEED)
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