#07 Wajetze – „Und erzog aus“
Wajetze
1. Mose 28,10-32,3
Hosea 12,13-14,10; Johannes 1,41-51
In der Paraschah Wajetze lesen wir von Jakobs erstem Treffen mit seiner späteren Frau Rahel. Wir wollen uns diese Geschichte etwas genauer anschauen, denn wir erfahren darin eine Menge über Jakob und seine Familie. Vielleicht können wir dann noch besser verstehen, warum Gott Jakob liebte, aber Esau hasste (Vgl. Maleachi 1,3).
Jakob am Brunnen von Haran
Als Jakob nach Haran wanderte, fand er sich eines Tages an einem Brunnen wieder. Es heißt dazu im Text von Wajetze:
Und er sah sich um und siehe, da war ein Brunnen auf dem Feld, und siehe, drei Herden Schafe lagen dabei; denn von dem Brunnen mussten die Herden trinken. Und ein großer Stein lag über der Öffnung des Brunnens. (1. Mose 29,2)
Der Brunnen ist ein signifikanter Ort. In der Bibel lesen wir von vielen bedeutenden Begebenheiten, die an einem Brunnen stattfanden. Im Grunde gilt der Brunnen symbolisch als Verbindung zwischen Himmel und Erde. Am Brunnen begannen neue Lebensabschnitte, auch weil Gott sich immer wieder an Brunnen offenbarte.
So begegnete Hagar dem Engel des Herrn an einem Brunnen und riet ihr, sich Sarah unterzuordnen (Vgl. 1. Mose 16,7). Mose beschützte die Töchter Jethros am Brunnen und legte damit den Grundstein für sein neues Leben als Hirte in Midian (Vgl. 2. Mose 2,11-24). Isaak begegnete seiner von Gott ausgewählten Frau Rebekka, als er am Brunnen war (Vgl. 1. Mose 24,62-67). Und auch die samaritanische Frau fand ein neues Leben nach ihrem Gespräch mit Jeschua am Brunnen von Sichem (Vgl. Johannes 4,1-30).
Diese Hintergründe helfen uns zu verstehen, dass die Begebenheit am Brunnen von Haran für Jakob eine große Signifikanz hatte. Sein Leben würde sich an diesem Ort komplett ändern. Und diese Veränderung ist auch für uns wichtig.
Die Hirten von Haran
Als Jakob an den Brunnen kam, fiel ihm auf, dass ein großer Stein auf dem Brunnen lag. Dieser Stein konnte nur von allen Hirten gemeinsam bewegt werden. Jeder Hirte für sich war zu schwach.
Eine Brunnenabdeckung diente vor allem dazu, das Wassers vor Schmutz oder Insekten zu schützen. Darüber hinaus verhinderte sie auch, dass jemand versehentlich in den Brunnen fallen konnte.
Doch damit Wasser weiterhin zugänglich blieb, legte man gewöhnlich ein Brett oder eine andere Abdeckung auf den Brunnen, die ein einzelner Mensch bewältigen konnte. Dass auf dem Brunnen in Haran ein so schwerer Stein lag, dass die Hirten nicht in der Lage waren, ihn allein zu bewegen, ist ein Hinweis auf das Misstrauen der Hirten untereinander.
Erst, wenn alle gemeinsam anwesend waren, konnte der Stein bewegt werden. So konnte auch keiner mehr bekommen als die anderen. Offensichtlich lebten die Leute von Haran wert darauf, den jeweils anderen kontrollieren zu können.
Darüber hinaus fiel Jakob auf, dass die Hirten untätig herumstanden.
Er sprach: Siehe, es ist noch heller Tag und noch nicht Zeit, das Vieh einzutreiben; tränkt die Schafe und geht hin, weidet sie! Sie antworteten: Wir können es nicht, ehe alle Herden zusammengebracht sind und sie den Stein von der Öffnung des Brunnens wälzen; dann können wir die Schafe tränken. (1. Mose 29,7-8)
Die Schafe hätten auf die Weide gehört, statt am Brunnen herumzulungern, bis endlich alle Hirten da waren, um den Stein herunterzuwälzen.
Jakob sah, dass die Hirten ihrer Aufgabe nicht nachkamen und ihre Schafe vernachlässigten.
Doch als Rahel die Szenerie betrat, änderte sich alles.
Jakob und Rahel
Wir lesen in Wajetze:
Und es geschah, als Jakob Rahel sah, die Tochter Labans, des Bruders seiner Mutter, und die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter, da trat er hinzu und wälzte den Stein von der Öffnung des Brunnens und tränkte die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter. (1. Mose 29,10)
Auffällig ist, dass dreimal betont wird, dass Rahel die Tochter Labans und dieser der Bruder von Jakobs Mutter war. Offensichtlich war Jakob sehr erleichtert, nach seiner langen Reise endlich Familie zu sehen.
Für seine Familie war er aber nicht bereit, die Spielchen der anderen Hirten mitzuspielen. Er wälzte den Stein vom Brunnen, sodass Rahel ihre Schafe tränken konnte.
Das Wort „wälzen“ ist dabei im Hiphil geschrieben. Eine bessere Übersetzung wäre vielleicht „Er ließ den Stein herunterrollen“. Für Jakob war es ein Leichtes, den Stein zu bewegen. Doch warum?
Jakob der Rechtschaffene
Jakob sah die Bedürfnisse der Schafe. Sie mussten trinken. Gleichzeitig sollten sie auf die Weide, um sich zu bewegen und zu fressen.
Der Patriarch weigerte sich, die politisch korrekten Spielchen der Hirten in Haran mitzuspielen. Er packte an und tat, was recht war.
Wie die Schäfer auf Jakobs Tatendrang reagierten, verhüllt der Text von Wajetze. Doch wir können davon ausgehen, dass es sicher Gerede gab, wenn ein Fremder gegen die örtlichen Sitten verstoßen hatte.
Doch stellen wir uns einmal die Frage, wie wir gehandelt hätten. Im Grunde hätte es Jakob ja auch egal sein können, wie es den Schafen ging. Es waren ja nur Tiere – und nicht einmal die Seinen.
Dennoch setzte er sich für sie ein und Rahel ein. Und dies sollte uns zum Vorbild dienen!
Bildquelle: Sweet Publishing / FreeBibleimages.org (CC BY-SA 3.0 DEED)
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