Bitterkeit und die Grundannahme, dass die Welt gerecht ist Teil 2
Biblische sowie psychologische Ansätze einer Definition
Im Teil 2 geht es nun weiter mit mehreren Beispielen aus der Schrift. Das Problem ist uralt und gleichzeitig hochaktuell. Auch das damalige Israel hatte mit Bitterkeit zu tun, genau wie wir heute, man denke nur an die vergangenen Jahre, was da an Bitterkeit in den Menschen erzeugt wurde. Jede Wurzel der Bitterkeit nimmt irgendwann ihren Anfang. Zunächst bleibt sie unsichtbar. Sie wächst im Verborgenen, bevor man an der Oberfläche etwas sieht. Das ist das Gefährliche, dass Bitterkeit zunächst unbemerkt bleibt. Ein Samenkorn der Bitterkeit fällt ins Herz. Wird es nicht sofort erkannt und zurückgewiesen, beginnt eine Wurzel zu wachsen.
Lektionen über Bitterkeit in der Bibel
– Hiob wurde bitter, weil ihn schwere Schläge Elohims trafen. Er sagte:
„Ich will meiner Klage in mir freien Lauf lassen, will reden in der Bitterkeit meiner Seele“ (Hiob 10,1).
Später schob er YHWH indirekt die Schuld dafür zu (Hiob 27,2).
– Die Israeliten in Ägypten litten so sehr unter der Hand ihrer Feinde, dass sie bitter wurden.
Sie machten ihnen das Leben bitter durch harten Dienst (2. Mo 1,14).
– Jeremia 4,18 – Der Prophet Jeremia beschreibt Judas Bosheit als bitter, so sehr, dass sie das Herz überwältigt:
„deine Bosheit ist schuld daran, dass es [nun] so bitter steht, dass es dir bis ans Herz dringt!“
– Amos 8,10 – Amos prangert die Sünden Israels an und prophezeit den Verlust ihrer Feste und ihrer Musik und deren Ersetzung durch Sackleinen und Trauer, was einen bitteren Tag bedeuten wird:
„Dann werde ich eure Feste in Trauer verwandeln und alle eure Lieder in Klagegesang; und ich werde um alle Lenden Sacktuch und auf alle Häupter eine Glatze bringen; man wird trauern wie um den Eingeborenen, und das Ende wird sein wie ein bitterer Tag.“
– Später litt das Haus Israel unter König Rehabeam (Juda) ….das Joch noch scherer gemacht als sein Vater, auch das hat sicher Bitterkeit bei dem Haus Israel erzeugt, die den Graben zwischen den 2 Häusern noch vertiefte.
– 5Mose 32,32 – Mose spricht von bitteren Weintrauben, wenn er die moralische Verderbtheit der Völker in Kanaan beschreibt.
– 2Samuel 1,27 – Als Davids Klage um Saul und Jonathan endet, erkennen wir etwas Erstaunliches über seinen Charakter. Dies waren nicht nur die angemessenen Worte nach dem Tod zweier wichtiger Führer. Während Saul aufgrund von eigner Schuld, Eifersucht und Missgunst in Bitterkeit gefallen ist, da er sich ungerecht behandelt fühlte von YHWH, zeigt Davids Gedicht vielmehr wahre Liebe und Achtung für Saul und Jonathan. David selbst ehrte das Andenken an diese beiden großen Männer, und er wünschte sich, dass das ganze Volk Israel dies auch tun sollte. Wir können Davids Liebe zu Jonathan verstehen, der sich David gegenüber sehr gütig verhalten hatte. Es ist Davids Liebe zu Saul, die uns wirklich in Erstaunen versetzt. Mehrere Jahre lang hatte Saul den schrecklichsten Zorn gegen David gehegt. Wenn er gekonnt hätte, hätte Saul David bei vielen Gelegenheiten getötet. Aber David weigerte sich, Saul gegenüber irgendwelche bitteren Gefühle zu hegen. David war nicht der Ansicht, dass Sauls böse Taten David einen Grund gaben, sich Saul gegenüber bitter zu verhalten (s. 1Samuel 24,11-13). Es war nicht so, dass David das böse Verhalten Sauls vergessen hatte. Es war die Haltung Davids. Er wollte nicht zulassen, dass Sauls Bosheit ihn (David) in einen bitteren Menschen verwandelt. David erkannte, dass die Missetaten eines Menschen mit falschen und bösen Gedanken beginnen. Deshalb dachte David stattdessen viel über YHWH nach (s. Psalm 63). Sein Nachdenken über YHWH brachte ihn dazu, auch über andere Menschen angemessene gute und gerechte Gedanken zu haben.
– Am Anfang der Bitterkeit stehen Unmut, Ärger oder gar Zorn. Der Prediger sagt:
„Entferne den Unmut aus deinem Herzen, und tu das Böse von deinem Leib weg“.
– Apostelgeschichte 8 – Der Apostel Petrus wies Simon, den Zauberer, streng zurecht, als dieser versuchte, die Gabe des Geistes zu kaufen. Er warf Simon vor, er stecke in bitterer Galle, ein Ausdruck, der den Übeltäter auf die Tiefe seiner Verderbtheit und Gottlosigkeit aufmerksam machen soll:
„So tue nun Buße über diese deine Bosheit und bitte Gott, ob dir die Tücke deines Herzens vielleicht vergeben werden mag; denn ich sehe, dass du in bitterer Galle steckst und in Fesseln der Ungerechtigkeit!“
Anzeichen für Bitterkeit aus der Bibel
Bitterkeit ist eine Wurzel, aus der andere verletzende Haltungen und Verhaltensweisen hervorgehen.
Hebräer 12,15: Und achtet darauf, dass nicht jemand die Gnade Elohims versäumt, dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwächst und Unheil anrichtet und viele durch diese befleckt werden.
Der Schreiber des Hebräerbriefs führt Esau im Alten Testament als Beispiel für die Verbitterung durch den Betrug seines Bruders Jakob an, der Esau sogar zu Mordgedanken angetrieben hat. Diese Begegnung ähnelt dem ersten Verbrechen, von dem in der Bibel berichtet wird, als Kain den Abel tötete. Vielleicht entsprang Kains Zorn auf seinen Bruder der Eifersucht und Bitterkeit, was wiederum YHWH veranlasste, Kain zu fragen:
„Warum bist du so wütend, und warum senkt sich dein Angesicht? Ist es nicht so: Wenn du Gutes tust, so darfst du dein Haupt erheben? Wenn du aber nicht Gutes tust, so lauert die Sünde vor der Tür, und ihr Verlangen ist auf dich gerichtet; du aber sollst über sie herrschen!“ (1Mose 4,6-7)
Kain weigerte sich, seine schädliche Einstellung zu beherrschen, und Mord war die Folge.
Zweige der Bitterkeit
– Verbitterung ist das Gefühl der Verärgerung, wenn wir glauben, dass jemand uns Unrecht getan oder uns öffentlich gedemütigt hat. Es ist der Wunsch, zurückzuschlagen.
– Groll ist das hartnäckige und kultivierte Gefühl der Missgunst, das sich aus einer vergangenen Beleidigung oder Verletzung gebildet hat.
– Wut ist der heftige Unmut, der, wenn er unkontrolliert bleibt, dann zu Empörung, Zorn und Wut auswachsen kann.
Heilung und Befreiung
Es wäre bereits als erster Schritt zur Heilung zu begreifen, dass es sich bei Bitterkeit um eine (bewusste) Entscheidung handelt – auch, wenn wir als Babys oder kleine Kinder in solch eine Haltung rutschen. Manchmal sind es dann nicht nur unsere eigenen Anteile, sondern ein Familiengeist, der uns in Richtung Bitterkeit tendieren lässt. Es heißt, dass der schwerste Schritt erst einmal die Anerkennung der eigenen Bitterkeit ist. Die Folgeschritte sind dann einfacher.
Es gibt hilfreiche Ansätze auch aus psychologischer Sicht, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Der beste Weg ist natürlich, wenn Yeshua uns befreit und heilt, aber wie so oft sind dafür erst einmal Schritte von unserer Seite nötig.
Oft müssen die Betroffenen innere Entscheidungen widerrufen und sich erst einmal mit ihrer Bitterkeit auseinandersetzen. Das wird uns leider nicht abgenommen. Aber in dem Prozess haben wir einen Helfer und Ratgeber und auch Heiler in unserem Mashiach.
Ein Behandlungsansatz ist die von Michael Linden entwickelte „Weisheitstherapie“, eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie, die den Patienten in die Lage versetzen soll, das kritische Lebensereignis und insbesondere die damit verbundenen Kränkungen und Herabwürdigungen durchzuarbeiten, sich von ihnen zu distanzieren und neue Lebensperspektiven aufzubauen. Das ist wunderbar anzuwenden, wenn man als Maßstab die Wahrheit YHWHs und auch die Realität der Zeit, in der wir Leben, zu Grunde legt. Ich habe mir einige Videos der Vorträge von Lindner angehört und konnte selber verstehen, dass es im Grunde darum geht, die eigene Geschichte mit mir und dem Vater im Himmel durchzugehen. Dafür ist es sinnvoll:
- anzuerkennen, wo ich verbittert bin; es können auch Fragmente sein, die verbittert sind; andere sind es möglicherweise nicht in dem gleichen Bereich und können leichter vergeben
- was oder wer hat mich enttäuscht, was empfand ich als ungerecht
- prüfen, wie es aus biblischer Sicht ausschaut; habe ich zum Beispiel eine falsche Vorstellung vom Leben gehabt, dass alles gerecht ist in der Welt, das ist eine typische Annahme, wenn es um Bitterkeit geht
Die Wahrheit macht frei. Wenn ich sehe, dass ich eine falsche Grundannahme über das Leben hatte, was mir zugemutet werden darf und was nicht, dann kann ich vielleicht meine Bitterkeit Yeshua geben, ebenso die Situation und die Menschen und auf meine Bitterkeit verzichten, wenn ich weiß, dass er der gerechte Richter ist und seine Gnade genug ist in jeder Situation (s. Heb 12,15).
Michael Lindnen
Welche Qualitäten sind das Gegenteil von Bitterkeit?
Genügsamkeit: „Nicht wegen des Mangels sage ich das; ich habe nämlich gelernt, mit der Lage zufrieden zu sein, in der ich mich befinde. Denn ich verstehe mich aufs Armsein, ich verstehe mich aber auch aufs Reichsein; ich bin mit allem und jedem vertraut, sowohl satt zu sein als auch zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden. Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Mashiach.“ (Philipper 4,11-13)
Genialität: „Halte still YHWH und warte auf ihn! Erzürne dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann, der Arglist übt.“ (Psalm 37,7)
Fröhlichkeit: „Freut euch allezeit! Betet ohne Unterlass! Seid in allem dankbar; denn das ist der Wille YHWHs in Mashiach Yeshua für euch.“ (1Thessalonicher 5,16-18)
Süße: „Freundliche Worte sind wie Honigseim, süß für die Seele und heilsam für das Gebein.“ (Sprüche 16,24)
Wie man Bitterkeit vermeidet
Epheser 4,31-32: Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. Seid aber gegeneinander freundlich und barmherzig und vergebt einander, gleichwie auch Elohim euch vergeben hat in Mashiach.
Kolosser 3,12-13: So zieht nun an als Elohims Auserwählte, Heilige und Geliebte herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Langmut; ertragt einander und vergebt einander, wenn einer gegen den anderen zu klagen hat; gleichwie Mashiach euch vergeben hat, so auch ihr.
Ich glaube, es ist wie so oft eine Mischung aus allem, was uns in dem Prozess von Heilung und Befreiung hilft: natürlich geht es immer um die biblische Wahrheit und darum, in den Ordnungen YHWHs zu leben. Der Weg dahin funktioniert nur meist nicht durch reines Proklamieren des Wortes. Meistens dürfen wir uns Stück für Stück durch unsere Muster und Strukturen, Emotionen, alte Wunden und durch unseren alten Adam durcharbeiten, um dann mit Yeshuas Hilfe zu heilen und Sein Wort in uns immer mehr zu etablieren. Wir sind in guter Gesellschaft, auch unsere geistlichen Vorfahren hatten mit Bitterkeit zu kämpfen. Und der Vater hat uns durch ihre Geschichten eine Orientierung gegeben, um siegreich eines Tages überwinden zu können. Yeshua hat die Bitterkeit der Pharisäer am eigenen Leib erlebt, er kennt sich aus und ist unserer Hohepriester, der für uns im Gebet eintritt – wenn wir Ihm unsere Bitterkeit übergeben. Halleluyah.
Weil das Thema so wichtig ist in unserer Zeit und so viele Aspekte hat, die es zu verstehen gilt, gibt es noch eine weitere Folge, diesmal über die Lagerstation Marah, über die ich schon kurz in dem Buch über die Wanderzüge berichtet habe.
Shalom,
Rivkah
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