#15 Bo – “Komm!”
Bo
2. Mose 10,1-13,16
Jeremia 46,13-28; Johannes 19,31-37
Manche Themen sind in der Bibel nicht eindeutig zu klären. Es gibt Themenbereiche, die sehr unterschiedliche Sichtweisen zulassen. Grundsätzlich ist das auch in Ordnung. Gott hat sich schon etwas dabei gedacht, bestimmten Aussagen Interpretationsspielräume zu geben.
Aus meiner Sicht wählt Gott diese Methode, um uns in der gegenseitigen Liebe zu schulen. Lieben wir unsere Geschwister auch noch, wenn sie unsere Erkenntnis zum Thema X oder Y nicht teilen? Oder gehen wir auseinander, weil der Bruder oder die Schwester ein gewisses Detail anders sehen.
Einer der Klassiker, an dem ich Gemeinschaften in den letzten Jahren immer wieder zerbrechen sah, ist die Frage nach dem richtigen biblischen Kalender. Mir scheint, als würden wir in dieser Frage bis Jeschuas Wiederkunft keine Einheit finden.
Dabei hat jeder seine Beweggründe und Erkenntnisse an der einen oder anderen Variante festzuhalten. Ich empfinde es als essenziell, dass wir dennoch ein gegenseitiges Verständnis entwickeln.
Vor diesem Hintergrund werde ich in diesem Kommentar zu Bo auf den Beginn des biblischen Jahres eingehen. Mein Anliegen dabei ist es, ein Verständnis zu entwickeln, dass die verschiedenen Ansichten valide sind und nebeneinander stehen können.
Der Anfang der Monate
Im Text von Bo gibt es eine Stelle, die die Antwort auf den biblischen Jahresbeginn offensichtlich zu beantworten scheint. Es heißt dort:
Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein. (2. Mose 12,2)
Wir wissen, dass es sich dabei um den Monat Aviv handelt (Vgl. 2. Mose 13,4). Mit der Formulierung, dass der Aviv der erste Monat des Jahres sein sollte, scheinen alle Fragen beantwortet. Damit ist für viele klar, dass das Jahr im Frühjahr beginnt.
Dennoch gibt es insbesondere in jüdischen Kreisen die Idee, dass das Jahr im Herbst beginnt. Wir werden gleich darauf eingehen. Die meisten Juden können lesen und schreiben. Sie lesen sogar Hebräisch.
Wir können also davon ausgehen, dass sie den obigen Vers kennen. Doch warum glauben viele Juden an einen Jahresbeginn im Herbst?
An dieser Stelle sollten wir uns bewusst machen, dass der “Anfang der Monate” oder “der erste Monat des Jahres” zwar als Beginn des Jahres verstanden werden kann. Der Text sagt das aber nicht eindeutig. Und so suchen wir nach weiteren Zeugen.
Jahresbeginn doch im Herbst?
Wenn wir die Schrift weiter durchforsten, finden wir weniger Hinweise auf den Jahresbeginn im Frühling als im Herbst. Zwei gewichtige Verse sind die folgenden:
Sodann das Fest der Ernte, wenn du die Erstlinge deiner Arbeit darbringst von dem, was du auf dem Feld gesät hast; und das Fest der Einbringung am Ausgang des Jahres, wenn du den Ertrag deiner Arbeit vom Feld eingebracht hast. (2. Mose 23,16)
Und du sollst das Fest der Wochen halten mit den Erstlingen der Weizenernte, und das Fest der Einsammlung an der Wende des Jahres. (2. Mose 34,22)
Das Fest der Einsammlung oder Einbringung ist Sukkot. Es findet am Ende oder der Wende des Jahres statt. Traditionell werden diese Passagen so verstanden, dass dem Ende sofort der Anfang folgt. In einem Kreislauf sind Ende und Anfang identisch.
Man kann die Verse auch auf andere Art interpretieren. Doch es gibt einen weiteren Hinweis darauf, dass um die Zeit Sukkot das alte Jahr endet und ein neues beginnt. Schauen wir uns die folgenden Verse an:
Und Mose gebot ihnen und sprach: Nach Verlauf von sieben Jahren, zur Zeit des Erlassjahres, am Fest der Laubhütten, wenn ganz Israel kommt, um vor YHWH, deinem Gott, zu erscheinen an dem Ort, den er erwählen wird, sollst du dieses Gesetz vor ganz Israel lesen, vor ihren Ohren. (5. Mose 31,10-11)
Mose gebot den Priestern und Ältesten von Israel in der Ebene Moabs, dass diese nach Verlauf von sieben Jahren die Torah am Laubhüttenfest vorlesen sollten.
Zu diesem Zeitpunkt sollte die Periode von sieben Jahren (ein Schmitta-Zyklus) gerade vollendet sein. Und zum Beginn des neuen Jahres sollte die Torah verlesen werden. Dieses Jahr könnte auch ein Jubeljahr sein. Und so hat dieses Gebot einen tiefen prophetischen Hintergrund.
Die Prophetie und der Jahresbeginn
Uns ist gesagt, dass Jeschua mit starkem Schofarschall wiederkommen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden auch die Toten auferstehen (Vgl. 1. Thessalonicher 4,16). Diese Toten werden dann in das Land Israel entrückt.
Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht GOTT, der Herr: Siehe, ich will eure Gräber öffnen und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufbringen, und ich will euch wieder in das Land Israel bringen; und ihr sollt erkennen, dass ich YHWH bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufbringen werde. (Hesekiel 37,12-13)
Diese Rückkehr ins Land ist gleichzeitig die Erfüllung der Prophetie des Jubeljahres. In diesem Jahr sollten alle Israeliten zu ihrer Familie und ihrem Erbbesitz im Land zurückkehren. Den Beginn des Jubeljahres markierte der Schall eines Schofars (Vgl. 3. Mose 25,8-24). Prophetisch leitet dieser Schofarschall das angenehme Jahr des Herrn ein (Vgl. Jesaja 61,2).
Im Übrigen erscheint es mir naheliegend, dass das Schofar an Jom Kippur den tatsächlichen Start des Jubeljahres verkündete und nicht nur eine Art Vorbereitung für ein Ereignis, welches fünf Monate später eintreten sollte.
Fazit
Aus meiner Sicht können beide Sichtweisen nebeneinander stehen. Im Frühling beginnen wir, die Monate zu zählen. Im Herbst beginnt das Jahr.
Da wir durch den gregorianischen Kalender gewohnt sind, dass beide Ereignisse synchron sein müssen, haben wir unsere Probleme damit.
Doch in unserem Alltag gibt es viele Zyklen, die miteinander zusammenhängen, aber nicht synchron sind. Wir kennen das Kalenderjahr und das Schuljahr. Wir kennen den biblischen Tagesbeginn, aber auch die Stunde Null um Mitternacht.
Im Grunde erfordert es nur ein kleines Umdenken von uns, um beide Sichtweisen miteinander zu harmonisieren. Die biblischen Grundlagen sind aus meiner Sicht dafür vorhanden.
Und vielleicht gibt es noch mehr Themen, die immer wieder zu Spaltungen führen, aber eigentlich gut nebeneinander stehen könnten. Ich möchte uns alle ermutigen, dass wir nach den Gemeinsamkeiten suchen, auch wenn manche Erkenntnisse uns zunächst fremd erscheinen. Meist ergibt sich aus der Kombination von unterschiedlichen Teilen erst das ganze Bild.
Bildquelle: Government Press Office (CC BY-NC-SA 2.0 DEED)
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Dirk
20. Januar 2024 @ 19:46
Naphtali schreibt
Im Übrigen erscheint es mir naheliegend, dass das Schofar an Jom Kippur den tatsächlichen Start des Jubeljahres verkündete und nicht nur eine Art Vorbereitung für ein Ereignis, welches fünf Monate später eintreten sollte.
Hallo Naphtali,
so sehe ich das auch.
Das Erlassjahr beginnt am Versöhnungstag, der auf den 10. Tag des 7. Monats fällt. Da der 1. Monat von G-ttes Kalender im Frühling beginnt, beginnt das Erlassjahr im Herbst und endet am Ende des Sommers. Das Erlassjahr beginnt also am Ende des einen Jahres und endet am Anfang des anderen Jahres. Dies geschieht, weil die Aussaat von Gerste und Weizen im Herbst beginnt. Geerntet wird dann im Frühjahr.
Wahrheit braucht das Gespräch nicht zu fürchten.
Was den von Dir angesprochenen biblischen Kalender betrifft, sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, dass das Jubeljahr in wunderbarer Harmonie mit dem Schöpferkalender und dem Sabbat ist, bestimmt nach dem Mond. Der Neumond unterbricht den Wochenzyklus in derselben Weise, wie das Jubeljahr den Zyklus der Sabbatjahre unterbricht.
So setzt sich die letzte Woche der Jahre derart zusammen:
Die Aussaat erfolgt im Herbst des jeweiligen Jahres:
1) 43
2) 44
3) 45
4) 46
5) 47
6) 48
7) aber nicht im Herbst des Jahres 49, dem Jahr der Vorbereitung auf das Erlassjahr
Geerntet wird im Frühjahr des Jahres:
1) 44
2) 45
3) 46
4) 47
5) 48
6) 49
7) aber nicht im Frühjahr des Jahres 50 (dem Sabbatjahr) und nicht im Frühjahr des Jahres 1 (dem Neumondjahr).
In dieser letzten Woche gibt es sechs Jahre, in denen gesät wird, und sechs Jahre, in denen geerntet wird. Diese Jahre sind nicht identisch. Mit anderen Worten, die Jahre der Aussaat liegen ein Jahr vor den Jahren der Ernte. Dies ist für die westliche Denkweise ein großes Rätsel, aber, wenn wir es erst einmal verstanden haben, können wir sehen, dass die lunare Zählung durch die Sabbat-/Erlasszählung im Typus erfüllt wird.
Es gibt zwei Jahre, in denen nicht gesät und zwei Jahre, in denen nicht geerntet wird. Diese Unterbrechung des Arbeitsprozesses stimmt mit dem Sabbat und dem Neumond am Ende und am Anfang unserer Monate überein und durchbricht so die kontinuierliche, fiktive siebenjährige Sabbatzählung, auf die die Menschen am Saturnstag so stolz sind.
Wenn wir nun mit der Zählung weitermachen, stellen wir fest, dass im Jahr 1 (das ist das Jahr 8 der Zählung der letzten Woche und das Jahr 1 in der neuen Zählung, im Herbst dieses Jahres gesät wird. Im Frühjahr des darauffolgenden Jahres (Jahr 2 der neuen Zählung und Jahr 9 der alten Zählung) wird dann geerntet.
Die erste Woche der neuen Zählung sieht also folgendermaßen aus:
Im ersten Jahr, dem Neumondjahr der alten Zählung, das das erste Jahr der neuen Zählung ist, wird nicht geerntet, aber im Herbst desselben Jahres wird gesät:
Jhr./Frühling/Herbst
1 ……… säen
2 ernten säen
3 ernten säen
4 ernten säen
5 ernten säen
6 ernten säen
7 ernten Landsabbat
8 Landsabbat säen
9 ernten säen
10 ernten säen
11 ernten säen
12 ernten säen
13 ernten säen
14 ernten Landsabbat
15 Landsabbat säen
16 ernten säen
17 ernten säen
18 ernten säen
19 ernten säen
20 ernten säen
21 ernten Landsabbat
22 Landsabbat säen
23 ernten säen
24 ernten säen
25 ernten säen
26 ernten säen
27 ernten säen
28 ernten Landsabbat
29 Landsabbat säen
30 ernten säen
31 ernten säen
32 ernten säen
33 ernten säen
34 ernten säen
35 ernten Landsabbat
36 Landsabbat säen
37 ernten säen
38 ernten säen
39 ernten säen
40 ernten säen
41 ernten säen
42 ernten Landsabbat
43 Landsabbat säen
44 ernten säen
45 ernten säen
46 ernten säen
47 ernten säen
48 ernten säen
49 ernten Landsabbat
50 Landsabbat Erlassjahr
1 Erlassjahr säen
2 ernten säen
3…
Denn das fünfzigste Jahr soll ein Halljahr für euch sein. Ihr sollt nicht säen, auch seinen Nachwuchs nicht ernten, auch seine unbeschnittenen Weinstöcke nicht lesen 3.Mo.25,11
Hier heißt es, dass das 50. Jahr das Erlassjahr ist, aber dieses Jahr beginnt nicht im Frühling, sondern im Herbst am Versöhnungstag. Das Erlassjahr ist also die letzte Hälfte des Sabbatjahres (Jahr 50) und die erste Hälfte des Neumondjahres (Jahr 1), in dem nicht gesät und nicht geerntet wird.
Und wenn ihr sagt: Was sollen wir im siebten Jahr essen? Denn wir säen nicht und sammeln auch unseren Ertrag nicht ein! – so [sollt ihr wissen:] Ich will im sechsten Jahr meinem Segen gebieten, daß [das Land] den Ertrag für drei Jahre liefern soll; so daß, wenn ihr im achten Jahr sät, ihr [noch] vom alten Ertrag essen werdet bis in das neunte Jahr; daß ihr von dem Alten essen werdet, bis sein Ertrag wieder hereinkommt. 3.Mo.25,20-22
Dies beschreibt den Übergang vom vorherigen Erlasszyklus zum nächsten. 3 Jahre Segen sind erforderlich, weil die Ernte des 49. Jahres bis zum 2. Erntejahr des nächsten Erlasszyklus reichen muss. Das 8. Jahr der Aussaat bezieht sich auf das 1. Jahr der Aussaat im nächsten Erlasszyklus. Die alte Frucht bis zum 9. Jahr bezieht sich auf das 2. Jahr der Ernte des nächsten Erlasszyklus. Die Frucht ist alt, weil sie 3 Jahre zuvor im 49. Jahr des vorhergehenden Erlasszyklus geerntet wurde.
Der 8., 15., 22. und 29. sind Landsabbate. Ja, es geht weiter bis zum Jahr 50, aber beachte auch, dass das Jahr 2 des nächsten Erlasszyklus das erste Arbeitsjahr ist. Parallel dazu ist der 2. Tag des Monats der erste Tag der Woche.
Das Erlassjahr und die Zyklen laufen parallel zu einem Lunarsabbat. Es unterstützt keinen kontinuierlichen Zyklus. Das ist nicht die Art und Weise, wie G-tt handelt. Das Erlassjahr unterbricht den kontinuierlichen Zyklus der Landsabbate, so wie der Neumond den kontinuierlichen Zyklus der wöchentlichen Sabbate unterbricht. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Lunarsabbat der richtige Weg ist, um den wöchentlichen Sabbat zu berechnen, und nicht auf der Grundlage eines kontinuierlichen wöchentlichen Zyklus, der von Rom eingeführt wurde.
Liebe Grüße und seid gesegnet!
Dirk