Marsch des Lebens Kaufering – Dachau vom 24. bis 26.04.2015
Bericht für die TOS Tübingen und Marsch des Lebens Bayern über den Marsch des Lebens Kaufering – Dachau vom 24. bis 26.04.2015
Geschichtlicher Hintergrund der Märsche aus dem Raum Kaufering / Landsberg nach Dachau
Die Außenlager des KZ Dachau im Raum Kaufering / Landsberg wurden hauptsächlich zur Durchführung des Rüstungsprojekts “Ringeltaube” angelegt. Im Mai 1944 wählte Speers Rüstungsministerium die bayerischen Standorte Kaufering / Landsberg und Mühldorf / Ampfing aus, weil die geologischen Verhältnisse (Kies) durch die Gebirgsflüsse Lech und Inn besonders günstig waren. Für die gigantischen unterirdischen Flugzeugfabriken waren vier Betongewölbe mit folgenden Dimensionen geplant: 400 Meter Länge, 83 Meter Breite, 28 Meter Höhe und eine 5 Meter dicke bombensichere Bunkerdecke. Im Raum Mühldorf (“Weingut I”) sollten in erster Linie Flugzeugmotoren und Flugzeugkomponenten gebaut werden, während im Raum Kaufering / Landsberg in den drei Fabriken “Weingut II”, “Diana II” und “Walnuss II” die gesamte Endfertigung konzentriert werden sollte. Die hierfür notwendigen Arbeitskräfte holte die SS aus Zwangsarbeitslagern in Litauen, Polen und Ungarn. Am 18. Juni 1944 kamen die ersten 1.000 jüdischen Zwangsarbeiter aus Ungarn nach Kaufering, weitere tausende folgten. Zwischen dem 24. und 27. April 1945 wurden sieben Außenlager (von ursprünglich zehn) geräumt und die noch lebenden knapp 12.000 Häftlinge auf verschiedenen Wegen ins KZ Dachau evakuiert.
70 Jahre später, vom 24. – 26.04.2015, waren wir als „Marsch des Lebens“ unterwegs unter dem Motto: „Not und Leid hast du zwar zugelassen, doch du wirst mir das Leben schenken.“ Psalm 71,20
Freitag, 24.04.2015 – Erinnern
Tagesmotto: „Jeden Tag rufe ich zu dir, mein Gott, doch du antwortest nicht. Jede Nacht schreie ich zu dir, doch ich finde keine Ruhe.“ Psalm 22,3
Wegstrecke: Kaufering – Landsberg am Lech – Geltendorf (23 km)
Der himmlische Vater hatte uns mit einem frischen, herrlichen Morgen beschenkt. Unser Organisationsteam (Jürgen und Bettina Büschelberger, Oliver und Anette Hänsel, Josef und Isolde Mayer, Nikolaus Bleimeir, Hermann Schäffler) traf die letzten Vorbereitungen am Mahnmal in Kaufering auf dem Bahnhofsvorplatz und wartete gespannt auf die ersten Marschteilnehmer. Ca. 50 Personen durfte Jürgen Büschelberger im Namen des „Marsch des Lebens Bayern“ begrüßen. Er erklärte, dass der Marsch Teil der deutschlandweiten Initiative „Marsch des Lebens“ ist und im Gedenken an alle Häftlinge und deren unbeschreibliche Leiden in den Konzentrationslagern und auf ihren Märschen in den Tod und zugleich auch im Gedenken an alle Opfer stattfindet. Auch ein historischer Abriss zu den Außenlagern von Dachau fehlte nicht. Nach dem Grußwort von Bürgermeister Erich Püttner und seinem Bericht über die aktuelle Versöhnungsarbeit in Kaufering, die einen erneuten Höhepunkt in der Gedenkwoche vom 28. April bis 04. Mai 2015 erlebt, berichtete Pfarrer Friedrich Aschoff sehr persönlich über die Anfänge der Versöhnungsarbeit in Kaufering. Der Gedanke eines Gemeindemitglieds „Meint ihr, die Opfer, die auf den umliegenden KZ-Friedhöfen liegen, sind versöhnt gestorben?“ und die Worte „Ich vergebe dir!“ zweier messianischer Juden ihm gegenüber waren für die Zuhörer sehr bewegend. Der ausgesprochene Segen „Der Herr segne euch auf dem Marsch des Lebens. Er segne euch mit Frieden und Versöhnung, mit Verständnis und Freundlichkeit – auch bei denen, die heute noch ablehnend sind. Der Herr segne euren Ausgang und Eingang und schenke euch Frieden.“ hat uns durch alle drei Marschtage getragen. Jürgen Büschelberger sprach Pfarrer Aschoff und allen denjenigen einen ausdrücklichen Dank aus, die in Kaufering seit Kriegsende Gedenkarbeit mit Gebet und Tat geleistet und dadurch den Boden für diesen Marsch des Lebens bereitet haben. Großer Dank gebührt auch Henrike Oberländer. Sie hat uns mit verschiedenen Liedern, auf Hebräisch vorgetragenen Psalmversen und bei den gemeinsamen Liedern in Kaufering, beim Gedenkhalt auf dem Gelände der Firma Assner und in Landsberg am Lech an der Neuen Bergstraße wunderbar unterstützt.
Knapp 40 Personen sind mit uns vom Bahnhof in Kaufering in Richtung Landsberg am Lech gestartet. Auf dem Gelände der Firma Assner (ehemals Lager I, Kommandantur des Lagerkomplexes Kaufering / Landsberg) machten wir einen kurzen Halt mit Psalmlesung, Lied und dem Hinweis, dass hier das „Wunder von Kaufering“ geschah: Die Geburt von sieben jüdischen Kindern im KZ zwischen Dezember 1944 und Februar 1945, die mit ihren Müttern überlebt haben. Am Denkmal an der Neuen Bergstraße durften über 60 Personen – darunter auch eine Schulklasse, die sich einstimmig für die Teilnahme entschieden hatte – u. a. den Akt der Versöhnung zwischen Herrn Oliver Hänsel und den beiden Holocaustüberlebenden Frau Valentina Tzymbal und Herrn Anatoliy Umanskyy erleben. Im Anschluss hat Shlomi Cohen das Kaddisch auf Hebräisch gebetet und Hermann Schäffler auf Deutsch. Knapp 30 Personen haben sich danach auf den Weg Richtung Geltendorf über Penzing, Ramsach und Eresing gemacht. Gut in Geltendorf angekommen, haben wir uns nach dem Lesen eines Psalms und einem kurzen Gebet – ausgesprochen dankbar für den erlebten Tag – verabschiedet.
Samstag, 25.04.2015 – Versöhnen
Tagesmotto: „Der du uns viele und unheilvolle Nöte hast sehen lassen, du wirst uns wieder beleben und uns aus den Tiefen der Erde wieder heraufführen.“ Psalm 71,20
Wegstrecke: Geltendorf – Grafrath – Fürstenfeldbruck (24 km)
Auch an diesem Morgen wurden wir mit wunderbarem Wetter und obendrein mit einer leichten Brise beschenkt. 30 Personen waren zum Tagesstart nach Geltendorf gekommen. Der 2. Bürgermeister Robert Sedlmayr begrüßte uns und erzählte in bewegenden Worten über Zeitzeugenberichte vom Todesmarsch durch den Dorfkern. Er begleitete uns ein paar Kilometer in Richtung Grafrath, wo ca. 50 Personen an der Veranstaltung vor dem Rathaus teilnahmen. Hier wurde wie auch in Geltendorf über die Historie berichtet, das Anliegen des „Marsch des Lebens“ deutlich gemacht und herausgestellt, welcher Personen wir mit dem Marsch gedenken. Auch Psalm und gemeinsames Lied fehlten nicht. Der 2. Bürgermeister von Kottgeisering Andreas Folger, der sich uns für den gesamten 2. Tag angeschlossen hatte, erzählte von seiner persönlichen Betroffenheit auf einer Israelreise im Jahr zuvor und zitierte aus dem Buch von Franz Sales Heß „KZ-Dachau – eine Welt ohne Gott“. Wir durften erneut das Kaddisch auf Hebräisch gebetet von Shlomi Cohen und auf Deutsch von Hermann Schäffler hören. 40 Personen sind schließlich Richtung Fürstenfeldbruck aufgebrochen. In der Stadtmitte am Mahnmal angekommen, traf Oberbürgermeister Klaus Pleil im Laufschritt auf unsere Gruppe. Er begrüßte uns herzlich und dankte für die Durchführung des „Marsch des Lebens“ auch durch seine Stadt. Einen Holzschuh aus der Zeit der Todesmärsche hatte er als besonderes Anschauungsobjekt dabei, den wir dann auch beim Fest des Lebens in Karlsfeld zeigen durften. Wir beendeten den Tag erneut in großer Dankbarkeit.
Sonntag, 26.04.2015 – Ein Zeichen setzen
Tagesmotto: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ Psalm 24,9
Wegstrecke: Fürstenfeldbruck – Olching – Dachau (23 km)
Einige der Marschteilnehmer und unseres Teams wurden bereits um ca. 03:00 Uhr morgens geweckt. Als die Sonne aufgegangen war und sich die letzten Wolken der Nacht abgeregnet hatten, hat uns der himmlische Vater mit einem Regenbogen im Westen für unsere letzte Etappe ermutigt. Auch an diesem Tag hat der HERR den Himmel über uns offen gehalten! Vor dem Start in Fürstenfeldbruck sangen wir u. a. das Lied „Dies ist der Tag, den der HERR gemacht.“ dann auch mit dem Text „Dies ist der Marsch, den der HERR gemacht.“ Nach einer kurzen Wegstrecke standen wir vor der Villa Petersen, wo wir das Erlebnis eines 11-jährigen Jungen erzählen konnten, der uns als heute 81jähriger angerufen hatte. Er wollte den vorbeiziehenden Häftlingen, die „Wasser, Brot, Wasser, Brot …“ vor sich hin murmelten, eine Kanne mit Wasser und einen Kanten Brot geben, wurde von einem SS-Mann brutal zurückgehalten und ist dankbar, dies überlebt zu haben. Den „flotten Marsch bis Olching“ liefen 19 Personen, die am Olchinger Bahnhof von ca. 200 Menschen freudig erwartet wurden. Durch ihr Kommen unterstützten auch viele Mitglieder der Christusgemeinde Olching den „Marsch des Lebens“ und ihr Pastor Stefan Küllsen richtete klare Worte an die Anwesenden. Als gemeinsam der Psalm 24 gebetet wurde, erschollen bei den Versen 7 – 10 (unserem Tagesmotto) Rufe aus zwei Schofaren. Schließlich brachen über 80 Personen von Olching Richtung Dachau auf, wo am Dachauer Bahnhof nochmals mind. 20 Personen hinzustießen. Am Besucherpavillon der KZ-Gedenkstätte vereinigten sich viele Teilnehmer der anderen Marschsäulen des „Marsch des Lebens Bayern“ mit uns, so dass wir mit einer großen Menschenmenge im stillen Gedenken und im Gebet rund um die Gedenkstätte zum Einlass an der alten Römerstraße ziehen konnten.
Dank
Wir danken allen, die durch ihre Teilnahme an unseren Veranstaltungen oder durch ihr Mitmarschieren nicht nur ihr Interesse, sondern insbesondere ihre Bereitschaft, den Marsch des Lebens zu unterstützen, deutlich gemacht haben. Es war unserem Organisationsteam eine Freude und eine Ehre, mit ihnen allen unterwegs sein zu dürfen. Ebenso danken wir auch den verschiedenen Polizeiinspektionen, die uns sehr freundlich und schützend begleitet haben. Besonderer Dank gilt auch allen Spendern, die uns kräftig unterstützt und dadurch sehr ermutigt haben. Unser größter Dank gilt dem lebendigen Gott, der uns in der Zeit der Vorbereitung und auf dem Marsch behütet und bewahrt hat. ER hat uns in Neuhimmelreich, dem letzten Ort unseres Marschweges vor Dachau, mit dem Wort beschenkt: „Ihr habt Großes für mich getan!“
Bettina Büschelberger im Namen des Organisationsteams