Zum hebräischen Wort “Chessed”
chessed‘ hat im hebräischen eine weitläufigere Bedeutung als nur „Gnade“. Diejenigen, die Gott anhangen, heißen ‚Chassidim‘, die „Frommen“ oder genauer „die ihn Liebenden“. ‚Chassidut‘ ist denn auch der Name einer ganzen Bewegung in Osteuropa, aber war es schon in der Antike.
Micha 6, 7-8:
7 Wird der Ewige Wohlgefallen haben an Tausenden von Widdern, an Zehntausenden von Strömen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für meine Übertretung, die Frucht meines Leibes für die Sünde meiner Seele?“
8 Er hat dir kundgetan, o Mensch – אָדָם adam, was gut ist: Was also fordert – דּוֹרֵשׁ doresch der Ewige von dir?
- Recht zu tun und – עֲשׂוֹת מִשְׁפָּט assot mischpat (= Gerechtigkeit = Selbsturteil zunächst an sich selbst und dann an anderen zu tun)
- Liebe in Gnade zu üben, und – אַהֲבַת חֶסֶד ahavat-chessed (Liebestaten iin Barmherzigkeit/Gnade auszuüben)
- demütig zu wandeln mit deinem Gott? – הַצְנֵעַ לֶכֶת עִם-אֱלֹהֶיךָ haznea lechet im Elohejcha
= in Demut mit Deinem Gott zu wandeln
ז הֲיִרְצֶה יְהוָה בְּאַלְפֵי אֵילִים בְּרִבְבוֹת נַחֲלֵי-שָׁמֶן הַאֶתֵּן בְּכוֹרִי פִּשְׁעִי פְּרִי בִטְנִי חַטַּאת נַפְשִׁי:
ח הִגִּיד לְךָ אָדָם מַה-טּוֹב וּמָה-יְהוָה דּוֹרֵשׁ מִמְּךָ כִּי אִם-עֲשׂוֹת מִשְׁפָּט וְאַהֲבַת חֶסֶד וְהַצְנֵעַ לֶכֶת עִם-אֱלֹהֶיךָ: ס
Dies ist sozusagen eine Quintessenz, die uns immer wieder in den verschiedenen Bibelbüchern gegeben werden, ähnlich wie die ‚10 Worte‘ oder 10 Gebote eine Quintessenz der Tora an sich sind, und die noch einmal herunter gebracht werden von Jeschua auf „Du sollst Gott lieben von ganzen Herzen, ganzer Seele und von all deiner Kraft“ und „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
Gott vergibt uns und ist gnädig (chessed). Aber Vergebung hat mit ‚tschuva‘, der Umkehr zu tun. Tschuva bedeutet nicht nur Buße, Umkehren, sondern auch „Antwort geben“.
Jetzt zur „Taufe“ des Johannes in Lukas 3, 3-14:
3 Infolgedessen kam er zur Landschaft des Jarden – כִּכַּר הַיַּרְדֵּן kikar-haJarden, wo er zu einem ‚Tauchbad der Umkehr‘ (tvila – טבילה der tschuva – תְשׁוּבָה) aufrief, um Vergebung der Sünden zu erlangen.
4 Und so steht davon im Buch des Propheten Jescha’jahu [1] geschrieben:
`die Stimme eines Rufers in der Wüste (erschallt): Bereitet den Weg des Ewigen – יְהוָֹה, ebnet seine Pfade! – Jes. 40, 3;
קוֹל קֹרֵא בַּמִּדְבָּר פַּנּוּ דֶּרֶךְ יְהוָֹה יַשְּׁרוּ מְסִלּותָיו:
5 Jedes Tal soll angehoben, jeder Berg und jeder Hügel sollen erniedrigt werden. Das Höckrige soll zur Ebene und die Bergspitzen zur Talebene werden.‘ – Jes. 40, 4;
כָּל-גֶּיא יִנָּשֵׂא וְכָל-הַר וְגִבְעָה יִשְׁפָּלוּ וְהָיָה הֶעָקֹב לְמִשׁוֹר וְהָרְכָסִים לְבִקְעָה:
6 und ‚…alles Fleisch wird das Heil unseres Gottes sehen!‘ [2] – Jes. 40, 5;
וְרָאוּ כָּל-בָּשָׂר אֵת יְשׁוּעַת אֱלֹהֵינוּ:(ישעיהו מ’ ג’-ה’)
7 Zu all den Volksscharen, die zu ihm hinauskamen, um durch ihm sich zu tauchen, rief er aus: „Viperngeschlecht! Wer hat euch unterwiesen, dem kommenden Zorn entfliehen zu können?
8 Bringt hervor die guten Früchte der Umkehr – תְשׁוּבָה tschuva. Dabei sinnet nicht in euren Herzen: ‚Avraham ist unser Vater!‘. Ich sage euch aber, daß Gott dem Avraham aus diesen Steinen Kinder erstehen lassen kann.
9 Die Axt ist bereits an die Baumstämme gelegt: Jeder Baum nun, der keine gute Frucht (der Umkehr – tschuva) hervorbringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen werden.“
10 Da fragte ihn die Volksmenge betroffen: „Was sollen wir tun?“
11 Er antwortete ihnen darauf: „Wer zwei Hemden besitzt, teile sie mit demjenigen, der keines hat. Wer Speise hat, tue ebenso.“
12 Es kamen auch Zolleintreiber, um seine tvila – טבילה, das Tauchbad an sich zu vollziehen. Dann fragten sie ihn: „Lehrer – מורה more, was sollen wir tun?“
13 Er antwortete ihnen: „Fordert nicht mehr, als euch angeordnet ist.“
14 Ebenso fragten ihn Soldaten: „Und wir, was sollen wir tun?“ Zu ihnen sprach er: „Tut niemandem Gewalt an, noch erhebt falsche Beschuldigungen (erpresst niemanden), und habt Genüge mit eurem Sold.“
= also die Umkehr darf eben nicht nur in Worten bestehen, sondern muss die Konsequenzen mit sich bringen: hier ab Vers 10f: das ist „chessed“: mit den Bedürftigen zu teilen, abzugeben, wo man seinen Nächsten Not leiden sieht. Und dann gibt Johannes weiter jedem Menschen Rat, wie er diese „Rechtschaffenheit“ in seinem Stand, dort, wo er hingestellt ist, ausleben soll – es werden hier nur 2 Beispiele gegeben von Zollbeamten und Soldaten Verse 12-14: Ein Zollbeamter darf nicht korrupt sein, ein Soldat soll auch als Soldat Gerechtigkeit leben. Das sind die Anweisungen des Johannes.
Aber allgemein gilt V11): Wer tschuva tut, der zeigt es durch seine „chessed“ dem Nächsten gegenüber.
Dieses gibt auch Jeschua den Pruschim zum Denken: „Geht hin und forschet nach, was dieses Wort zu bedeuten hat:
Im Ereignis 68 der Chronologischen Evangelien wird Jeschua mit seinen Jüngern dabei „ertappt“ (gesehen) wie sie am Schabbat durch Kornfelder laufen und dabei Ähren abpflücken. Diese Tätigkeit war nach der mündlichen Tora der Pharisäer (bis heute so) untersagt. Dann geriet Jeschua in eine Debatte darüber, was am Schabbat erlaubt ist, und was nicht: Mt. 12, 1-8.
Da sagt er ihnen:
7 Wenn ihr nur verstehen würdet, was dies bedeutet:
‚Ich ersehne Liebesgnaden (chessed) und nicht Schlachtopfer!‘ [3] – Hoschea 6, 6;
הושע ו’ ו’) (חֶסֶד חָפַצְתִּי וְלֹא זָבַח
Dann würdet ihr die Unschuldigen nicht verurteilen.
8 Denn der ‚Sohn des Menschen‘ ben-haAdam ist sogar Herr über den Schabbat.
= das Wort aus Hosea 6, 6 ist dem ähnlich, was Micha in 6, 8 ausgesagt hat. Es geht darum, in erster Linie Gnade (chessed) in Form von Liebestaten auszuüben. Auch in Mt. 9, 13, nachdem er den Zöllner Levi berufen hatte gab er den Pharisäern dieses Wort. Aber auch bei der Heilung eines Mannes mit der verkrüppelten Hand am Schabbat in der Synagoge geht es eben um diese „chessed“. Das, was wir tun wird vom Blickwinkel der Chessed und Barmherzigkeit beurteilt.
Eine letzte Bibelstelle dazu aus der sog. „Endzeit-Rede“ Jeschuas auf dem Ölberg in Jerusalem:
Gericht für die ungehorsamen Knechte – Mt. 25, 31-46;
31 Wenn der ‚Sohn des Menschen‘ ben-haAdam mit allen Engeln in seiner Herrlichkeit kommen wird, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit seinen Platz einnehmen.
32 Vor ihm werden alle Nationen versammelt werden. Er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet:
33 Die Schafe wird er zu seiner Rechten stellen und die Böcke zu seiner Linken.
34 Der König wird dann zu denen auf seiner Rechten sprechen: ‚Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Königreich, das für euch seit Grundlegung der Welt an bereitet ist.
35 Denn: Mich hungerte, und ihr habt mir zu essen gegeben. Mich dürstete, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich aufgenommen.
36 Ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet. Ich war krank, und ihr habt mich besucht. Ich war im Gefängnis, und ihr kamt zu mir.‘
37 Dann werden die Gerechten – צַּדִּיקִים zadikim ihm antworten und sagen: ‚Herr, wann sahen wir dich hungrig und speisten dich? Oder durstig und gaben dir zu trinken?
38 Wann sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich auf? Oder nackt und bekleideten dich?
39 Und wann sahen wir dich krank oder im Gefängnis und kamen zu dir?‘
40 Der König wird ihnen antworten: ‚Wahrhaftig, ich versichere euch: Was ihr einem der geringsten dieser meiner Brüder (Gutes) angetan habt, das habt ihr mir angetan!‘
41 Ebenso wird er auch zu denen auf der Linken sprechen: ‚Geht von mir, Verfluchte für das das ewige Feuer, das dem Ssatan – שָׂטָן und seinen Engeln bereitet ist!
42 Denn: Mich hungerte, ihr aber habt mir nicht zu essen gegeben. Mich dürstete, ihr aber habt mir nicht zu trinken gegeben.
43 Ich war ein Fremdling, ihr aber habt mich nicht aufgenommen. Ich war nackt, ihr aber habt mich nicht bekleidet. Ich war krank und im Gefängnis. Ihr aber habt mich nicht besucht.‘
44 Auch sie werden antworten und sagen: ‚Herr, wann sahen wir dich hungrig oder durstig oder als Fremdling oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient?‘
45 Doch er wird ihnen antworten und sagen: ‚Wahrhaftig, ich bezeuge euch: Was ihr einem dieser Geringsten nicht angetan habt, das habt ihr auch mir nicht angetan!‘
46 Diese werden in das ewige Verderben gehen, und die Gerechten – צַּדִּיקִים zadikim in das ewige Leben. – Dan. 12, 2;
= zur Erklärung: V32)Das Trennen von Schafen und Ziegen(böcken) ist dem Bild der Tatsache entnommen, dass im Lande Israel bis heute Herden von Schafen und Ziegen gemeinsam geführt werden, meist in dem Anteil 2/3 Schafe und 1/3 Ziegen. Deswegen wird dazu gesagt ‘Kleinvieh‘, womit Schafe und Ziegen gemeint sind.
Hier ist prophetisch die Sicht vom Gericht der Nationen angesprochen, die dann in die „guten“ und die „schlechten“ Völker unterschieden werden.
Aber wir sehen, auch ist hier wird im Urteil für das Gericht der Massstab für die ausgeübte ‚chessed‘ angesetzt.
[1] Lk. 3, 4-6 sind Teilzitate aus Jes. 40, 3-5; der letzte Vers 5 ist verkürzt und abgeändert zitiert. Hier die ganze Passage in deutscher Übersetzung nach TurSinaj:
3 Ein Hall, es ruft: ,Bahnt in der Wüste des Ewigen Weg, ausebnet im Gesenke eine Straße unserm Gott.
4 Soll jedes Tal sich heben, sich senken jeder Berg und jede Höhe das Kluftversteck zu Ebne werden und Bergesketten zu Freital.’
5 Da tut sich auf des Ewgen Herrlichkeit es schaut sie alles Fleisch mitsammen; denn des Ewigen Mund hats geredet.
[2] Lk. 3, 6: Dieser letzte Vers aus Jes. 40, 3 ist allerdings ein etwas abgeändertes Zitat: „Alle Menschheit wird Gottes Erlösung sehen“ aus der Septuaginta, während der originale hebräische Text: „alles Fleisch wird es sehen zusammen“.
[3] Mt. 12, 7: Am Rosch Chodesch-Fest in Mattiti’jahus Haus (Ereignis <67>), erklärte Jeschua denselben Pruschim: „Schaut nach und erkundet, was dies zu bedeuten hat: ‚Ich ersehne mir Liebestaten (chessed), anstatt Opfergaben!‘ “ Neun Tage später klagt er sie in ihrer Synagoge an, indem er ihnen vorwirft, dass sie immer noch keine Ahnung haben, was der Ausspruch in Hos. 6, 6 zu bedeuten hat. Denn würden sie die Prophetie in ihrem Zusammenhang verstehen, dann würden sie weder die Unschuldigen verurteilen noch darüber beraten, ihn zu töten.
Matthias Andersohn
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