#46 – Ki Tawo – wenn du kommst
5. Mose 26,1 – 29,8 Jesaja 60,1-22
In der heutigen Torahlesung erfahren wir, wie die Nation Israel aufgefordert worden war, nachdem sie das Land eingenommen hatten, ihre Erstlingsfrüchte in einen Korb zu legen und sie an den Ort zu bringen, den YHWH erwählen wird, “dass sein Name daselbst wohne”. Zu dieser Zeit stand noch kein Tempel in Jerusalem, der Stadt, die Er erwählt hatte und erwählen würde. Das hebräische Wort für “Ort” ist makon, was für den Tempel, aber auch für Seinen Namen, in der Form von HaMakon, gebraucht wird. Das Land war das Ziel der Reise der Israeliten und es wurde von den Weisen Israels als ein Bild für das messianische Königreich und die Welt, die kommen würde, verstanden.
Wenn die ersten Früchte an den Bäumen zu reifen begannen, markierte die Eigentümer sie mit einem Schild “das sind Erstlingsfrüchte”, damit man sie später identifizieren und sie zum Tempel bringen konnte. Sie konnten jederzeit von Schavuot bis Sukkot in den Tempel gebracht werden. Diese Früchte sind ein wunderschönes Bild für uns, die Gläubigen, die seit dem erste Schavuot bis zum letzten Sukkot in Seinen lebendigen Tempel gebracht werden.
Die Anweisungen zum Darbringen der Erstlingsfrüchte unterscheiden sich grundlegend von allen anderen Unterweisungen. Zum Tempel hatten normalerweise nur die Priester Zugang. Aber die Erstlingsfrüchte, dargebracht in der Halle bis zum Altar, durften und mussten von allen Israeliten im Tempel dargebracht werde. Jeder hatte Zugang. Das Volk wurde so im Tempel geeint.
„Und du sollst zu dem Priester kommen, der zu der Zeit sein wird, und zu ihm sagen: Ich bekenne heute YHWH, deinem Elohim, dass ich gekommen bin in das Land, das YHWH, wie er unsern Vätern geschworen hat, uns geben wollte“ (5. Mose 26,3). Allein das Erscheinen des Israeliten im Tempel, ehe er überhaupt seinen Mund öffnete, war in sich eine Deklaration. Er deklarierte durch seine bloße Gegenwart im Tempel, das YHWH sein Versprechen gehalten hatte, dass seinen Vorvätern vor so langer Zeit gegeben worden war. Das größte Zeugnis dafür, dass er in das Land gekommen war, war, dass er jetzt hier im Tempel stand, ehe er überhaupt zu sprechen begann. Er erwähnt nicht einfach das Land als solches, aber das Land, dass YHWH seinen Vorvätern versprochen hatte. Darum geht es eigentlich. Er sagt, dass YHWH derjenige ist, der sein Versprechen und seinen Eid gehalten hat. Er bezeugt damit seinen Vorvätern, dass er, indem er hier steht, ein Zeuge für das Einlösen des Versprechens von YHWH ist.
Wenn man einen Rückblick hält in die Geschichte des Volkes Israels kann man nachvollziehen, warum das von Wichtigkeit war, dass dies hier ausgesprochen wurde. Man könnte sich vorstellen, dass Abraham, Jakob und Isaak und all ihre Nachkommen, bei YHWH im Himmel, ihn durch die Jahrhunderte immer wieder fragten, wann, wann wird es endlich so weit sein, dass du dein Versprechen einlösen wirst und unser Volk das Land besitzen wird und seine Nachkommen so zahlreich werden wie die Sterne.
YHWH hatte Abraham versprochen, ihm das Land zu geben. Alles, was er am Ende seines Lebens besaß, war das Stück Land, das er kaufte, um Sarah zu begraben. Wird das Land Isaak zufallen? Er grub die Brunnen auf, die die Philister wieder zuschütteten und er konnte am Ende seines Lebens nicht vorweisen, dass ihm das Land gehörte. Und zahlreiche Nachkommen? Er hatte gerade mal zwei Söhne. Und Jakob? Als er das Erstgeburtsrecht übernahm, befand er sich auch schon auf der Flucht. Aber auf der Flucht hatte er den Traum, in dem ihm YHWH zusicherte, ihn in das Land zurückzubringen und dass er Nachkommen haben werde wie der Staub der Erde. Und Jakob sagte sich, ich werde derjenige sein, bei dem YHWH sein Versprechen einlösen wird. Und tatsächlich kommt er aus dem Exil zurück mit einer Kinderschar, um dann zu erleben, dass Joseph verschwindet und dass sie Jahre später nach Ägypten auswandern. YHWH versichert ihm, dass er aus ihm eine große Nation machen werde. Und dies passiert auch, aber außerhalb Israels, in Ägypten. Weder im 1. Buch Mose noch im 5. Buch Mose sind die Versprechen YHWHs Wirklichkeit geworden. Es dauert noch Jahrhunderte, bis YHWH sein Versprechen mit diesem Landwirt, der zum Tempel kommt, einlöst. Aber wer ist schon dieser jüdische Landwirt – im Vergleich zu Abraham, Isaak und Jakob?
Aber es geht um ihn! Seine Gegenwart im Land mit dem Korb voller Feldfrüchte bezeugt, dass YHWH sein Versprechen hält. Er legt seinen Korb nieder vor dem Altar YHWHs und dann ist er gehalten zu antworten (im hebräischen Text steht antworten, Vers 5). Aber antworten auf welche Frage? Es wurde keine Frage gestellt. Oder doch? In der Stille. „Verstehst du, warum du hier stehst mit dem Korb voller Früchte?“
Und der Landwirt hat die Frage in der Stille gehört und beginnt sie zu beantworten. Er geht durch die Geschichte des Volkes Israels und am Ende versteht er, dass er die Erfüllung der Verheißung ist. Er bringt seinen Korb in vollem Wissen, was es bedeutet.
Und es geht nicht nur um diesen jüdischen Landwirt. Es geht um dich und mich! Wenn wir im Wissen darum, dass YHWH auch das Versprechen für die zehn Stämme erfüllen wird und uns ins Land zurückbringen wird, unsere Erstlingsfrüchte vor seinem Altar niederlegen.
Wir sind einerseits die Erstlingsfrüchte, die an dem Ort, wo Sein Name wohnt, gesammelt werden. Andererseits sollen wir nicht mit leeren Händen an Seinen Festen vor Ihm erscheinen und unsere Erstlingsfrüchte Ihm darbringen.”Sie sollen aber nicht mit leeren Händen vor YHWH erscheinen, sondern ein jeder mit dem, was er zu geben vermag, nach dem Segen, den dir YHWH, dein Elohim, gegeben hat.” (5. Mose 16,16-17)
Im Jahreskreislauf Seiner Feste üben wir ein. Was bringen wir Ihm an Sukkot, dem Fest der Ernte?
Schabbat Schalom