#30 Kedoschim – „Heilige“
Kedoschim
3. Mose 19,1-20,37
Amos 9,7-15; Matthäus 12,28-34
Kedoschim beschreibt uns viele Gebote, die einen heiligen Wandel in unserem Alltag definieren. Unter anderen werden wir angehalten, keinen Groll oder Rachegedanken gegenüber unseren Nächsten zu hegen oder gar zu behalten.
Du sollst nicht Rache üben, noch Groll behalten gegen die Kinder deines Volkes, sondern du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Ich bin YHWH. (3. Mose 19,18)
Wir wollen uns dieses Gebot etwas genauer ansehen und verstehen, warum YHWH es uns gegeben hat.
Das Problem mit dem gerechten Gericht
Rache zielt auf Vergeltung ab. Wenn wir Rachegedanken hegen, speisen sich diese in der Regel aus dem Wunsch, ein an uns begangenes Unrecht zu richten. Rache ist tatsächlich ein göttliches Instrument der Gerechtigkeit, denn durch sie soll das Unrecht vergolten werden.
Zur Verdeutlichung schauen wir uns zwei Bibelverse an, die dieses Prinzip aufzeigen:
Da sprach YHWH zu ihm: Fürwahr, wer Kain totschlägt, der zieht sich siebenfache Rache zu! Und YHWH gab dem Kain ein Zeichen, damit ihn niemand erschlage, wenn er ihn fände. (1. Mose 4,15)
Wir kennen die Geschichte von Kain. Sein Opfer wurde von YHWH verworfen, worauf dieser ihm ein flüchtiges Leben auf dem Erdboden prophezeite. Doch Kain hatte Angst, erschlagen zu werden. Und so gab der Allmächtige ihm ein Zeichen, dass ihn vor Totschlägern schützen sollte. Mit diesem Zeichen war das Prinzip der sofortigen Rache verbunden. Wer Kain erschlagen würde, müsste auch selbst sterben (vgl. 1. Mose 4,1-16).
Bringt aber einer seinem Nächsten eine Verletzung bei, so soll man ihm das tun, was er getan hat: Bruch um Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn; die Verletzung, die er dem anderen zugefügt hat, soll man ihm auch zufügen. Wer also ein Vieh erschlägt, der soll es erstatten; wer aber einen Menschen erschlägt, der soll getötet werden. (3. Mose 24,19-20)
Im obigen Vers sehen wir ein grundsätzliches Prinzip von Gerechtigkeit nach der Torah. So soll beispielsweise auf einen Mord auch ein Todesurteil folgen. Dies wird ausdrücklich in der Heiligen Schrift so verankert.
Allerdings darf nie jemand ohne Gerichtsprozess sterben.
Wer des Todes schuldig ist, soll auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin getötet werden. Aber auf die Aussage eines einzigen Zeugen hin soll er nicht getötet werden. (5. Mose 17,6)
Und hier ist das Problem der persönlichen Rache. Als Betroffene von Unrecht sind wir kaum in der Lage, ein gerechtes Urteil über den Täter zu fällen. Darüber hinaus haben wir auch selten genügend Informationen, um einen Fall und die Schuldfrage bzw. das Strafmaß gerecht beurteilen zu können. Und außerdem brauchen wir noch mindestens einen weiteren Zeugen sowie einen Richter.
Allein sind wir also gar nicht in der Lage, ein gerechtes Urteil zu fällen und sind somit angewiesen, dem gerechten (himmlischen) Richter unseren Fall zu übergeben und ihn das Urteil sprechen zu lassen.
Tatsächlich weiß Jeschua den Ausgang aller Dinge. Möglicherweise wird uns ein Täter später einmal zum Helfer in der Not. Wir wissen es nicht, Gott weiß es aber schon. Welche Chancen würden wir uns also entgehen lassen, wenn wir Rachegedanken hegen, wo doch YHWH für Gerechtigkeit sorgen und die beste Lösung für alle herbeiführen will?
Das Problem mit dem Groll
Das hebräische Wort für Groll lautet נָטַר (natar) und kann mit festhalten, bewachen oder schützen übersetzt werden. Die Wortwurzel wird auch mit Gefängnis in Verbindung gebracht.
…und ich übergab den Kaufbrief Baruch, dem Sohn Nerijas, des Sohnes Machsejas, vor den Augen meines Vetters Hanamel und vor den Augen der Zeugen, die den Kaufbrief unterschrieben hatten, auch vor den Augen aller Juden, die im Gefängnishof saßen. (Jeremia 32,12)
Das Leben besteht aus Bewegung. Es ist dynamisch und nicht starr. Es lässt sich nicht einsperren. Tatsächlich sind Gefängnisse Konzepte, die nur in heidnischen Nationen vorkommen. Die Torah kennt ein solches Vorgehen bei Straftaten nicht.
Wenn wir nun einen Groll behalten, bauen wir im Grunde ein imaginäres, geistliches Gefängnis um die Menschen, gegen die wir grollen. Kedoschim weist uns aber an, dieses Gefängnis nicht zu bauen, weil wir kein Konzept aus der Welt in unserem Leben imitieren sollen.
Die Gerechtigkeit der Torah kommt nicht aus dem Freiheitsentzug. Im Gegenteil, die Torah soll so schnell wie möglich die Freiheit wieder herstellen. Erreicht wird dies durch Gnade, Vergebung, Wiedergutmachung, aber auch durch unmittelbare Sanktionen bis hin zum Tod.
Die Lehre aus Kedoschim
Es ist also an uns, unsere Belange an einen gerechten Richter zu übergeben. Durch Vergebung beauftragen wir Jeschua, für unsere Gerechtigkeit zu sorgen.
Damit erlauben wir ihm auch, wieder frei in unserem Leben zu wirken, sodass er sogar unsere Feinde zu unserem Segen machen kann.
Wenn wir diese jedoch wegsperren und gedanklich töten, beschneiden wir auch Jeschuas Spielraum in unserem Leben.
Letztlich läuft alles auf die Frage hinaus, durch wen wir unser Leben bestimmen lassen: Durch einen Täter, der uns Unrecht zugefügt hat oder durch Jeschua, der uns Gerechtigkeit widerfahren lassen wird? Wir haben die Wahl. Lasst uns weise wählen!
Bildquelle: Pixabay.com
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