#11 Wajigasch – „Und er trat heran“
Wajigasch
1. Mose 44,18-47,27
Hesekiel 37,15-28; Lukas 24,30-48
Der Titel unserer Lesung Wajigasch geht auf die Annäherung Judas an Joseph zurück.
Da trat Juda näher zu ihm hinzu und sprach: Bitte, mein Herr, lass deinen Knecht ein Wort reden vor den Ohren meines Herrn, und dein Zorn entbrenne nicht über deine Knechte; denn du bist wie der Pharao! (1. Mose 44,18)
Juda hielt Joseph nach wie vor für einen Vertreter des Pharao, welcher er auch war. Doch wir wissen, dass Joseph auch ein Bild auf den Messias Jeschua ist. Wir wollen uns in diesem Kommentar ansehen, was der Annäherung Judas vorausging und was ihr folgte.
Ägypten und die Fassade
Zunächst einmal wollen wir einen Blick auf Ägypten und den Zustand von Jakobs Familie werfen. In der hebräischen Schrift wird unser deutsches Wort Ägypten mit מִצְרַיִם (mitzraim) wiedergegeben. Mitzraim kommt von der Wurzel צוּר (tzur), was soviel wie anfeinden, belagern oder bedrücken bedeuten kann. Im Folgenden sehen wir einen Beispielvers, in dem die Wurzel tzur vorkommt. Die entsprechende deutsche Stelle ist dick gekennzeichnet:
Will sie [die Stadt; Ergänzung d. Verf.] aber nicht friedlich mit dir unterhandeln, sondern mit dir Krieg führen, so belagere sie. (5. Mose 20,12)
Ägypten ist somit nicht nicht nur eine Bezeichnung für ein bestimmtes Reich in der Geschichte. Vielmehr umfasst Mitzraim ein ganzes Glaubenssystem, ein geistliches Reich, welches überall und zu jeder Zeit existieren kann.
Dieses Glaubenssystem basiert auf der Unterdrückung des Individuums. Da jeder Mensch frei geboren ist, könnten wir die Unterdrückung Ägyptens auch als Knechtschaft oder Sklaverei bezeichnen. Um freie Menschen erfolgreich versklaven zu können, muss Ägypten diese Menschen von ihrem Ursprung und ihrer Identität trennen. Und deshalb besteht Ägypten immer aus einer Fassade von Lügen.
Die Täuschung Jakobs und seiner Söhne
Die Täuschungen Jakobs begannen mit seiner Festlegung, sein Leben nur noch in Trauer zu verbringen, weil sein Sohn Joseph umgekommen war (Vgl. 1. Mose 37,35). Aber auch, dass Jakob seine Seele von seinem jüngsten Sohn abhängig machte, zeigt seine Verbundenheit mit der materiellen Fassade Ägyptens (vgl. 1. Mose 42,38).
Auch Jakobs Söhne lebten in einer Täuschung, waren sie doch durch das Komplott gegen Joseph gemeinsam in einer großen Intrige verbunden. Wir können uns kaum vorstellen, wie viel Energie und Aufwand es sie gekostet haben musste, die reine Fassade vor ihrem Vater aufrecht zu erhalten. Keiner der Brüder konnte dem anderen trauen. Keiner durfte sich versprechen. Die Brüder Josephs befanden sich in einer gemeinsamen Maskerade.
Doch auch Joseph trug eine Maske, nämlich die des harten Regenten in Ägypten. Auch er täuschte seine Brüder und gab sein wahres Gesicht nicht zu erkennen. Doch Gott führte die Familie wieder zur Einheit, indem er dafür sorgte, dass die Maske jedes Einzelnen fiel.
Wajigasch und das endgültige Fallen der Masken
Die Heilige Schrift enthüllt uns, wie jeder der Protagonisten Stück für Stück seine Maske fallen und die eigene Täuschung losließ.
Juda beispielsweise gab sein Leben in die Hände des Allmächtigen, indem er seinem Vater die Bürgschaft für den Jüngsten, Benjamin, anbot.
Und Juda sprach zu seinem Vater Israel: Gib mir den Knaben mit, so wollen wir uns auf den Weg machen, damit wir leben und nicht sterben, wir und du und unsere Kinder! Ich will für ihn bürgen, von meiner Hand sollst du ihn fordern; wenn ich ihn dir nicht wiederbringe und ihn vor dein Angesicht stelle, so will ich die Schuld tragen vor dir mein ganzes Leben lang. (1. Mose 43,8-9)
Tatsächlich nahm er seine Rolle als Bürge auch sehr ernst, denn er war auch vor Joseph bereit, Benjamins Stelle als Sklave Ägyptens anzunehmen (Vgl. 1. Mose 44,18-34).
Damit Juda aber überhaupt in der Lage war für Benjamin zu bürgen, musste Jakob seinen jüngsten Sohn mit seinen Brüdern mitschicken. Auch dies kostete ihn viel Überwindung, aber er stimmte schließlich zu (Vgl. 1. Mose 43,11-14).
Und auch Joseph konnte seine Maske nicht mehr länger aufrecht erhalten und musste sich seinen Brüdern zu erkennen geben.
Da konnte sich Joseph nicht länger bezwingen vor allen, die um ihn herstanden, und er rief: Lasst jedermann von mir hinausgehen! Und es stand kein Mensch bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab. Und er weinte laut, sodass die Ägypter und das Haus des Pharao es hörten. (1. Mose 45,1-2)
Die Last der ägyptischen Maskerade
Wir lernen aus den oben genannten Aspekten zu Wajigasch, dass Ägypten als System auch durch eine starre Maskerade gekennzeichnet. Mitzraim versucht uns in Grenzen festzuhalten und in unseren vom System auferlegten Rollen zu halten. Dabei schreckt Ägypten auch nicht vor Gewalt und Terror zurück, um uns zurück in unsere Rollen als Sklaven (der Sünde und Lüge) zu drängen.
Doch dann, wenn wir bereit sind unsere Masken abzulegen und unser wahres Ich als Menschen zu offenbaren, verliert Ägypten seine Macht. Wenn wir aufrichtig, echt und wahrhaftig durchs Leben gehen, kann Mitzraim uns nicht mehr bezwingen.
Als Jakob und seine Söhne ihre Masken, Festlegungen und Täuschungen hinter sich ließen, wurde Israel in Ägypten sichtbar. Die Last der Maske wich von ihnen und sie konnten sich frei voreinander bewegen.
Welche sind nun unsere Masken und Festlegungen, die uns in Ägypten, im Haus der Knechtschaft halten? Lasst uns die Lesung Wajigasch zum Anlass nehmen, noch einmal genauer hinzusehen und unsere ägyptischen Masken hinter uns zu lassen!
Denn wir können Jeschua nur näher kommen, wenn wir uns von Mitzraim entfernen. Und dies erreichen wir, wenn wir die Lügen des Pharao hinter uns lassen.
Bildquelle: Sweet Publishing / FreeBibleimages.org (CC BY-SA 3.0)
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