#18 Mischpatim – „Rechtsordnungen“
Mischpatim
2. Mose 21,1-24,18
2. Könige 12,1-17; Matthäus 17,22-27
Das Wort Mischpatim heißt so viel wie Rechtsordnungen oder auch Gerichte. Im letzteren Sinne ist Mischpatim wie die Begründung eines Gerichtsurteils zu verstehen. Und so war es auch für die Richter in Israel geboten, dass sie ihre Entscheidungen begründen und damit den Angeklagten belehren (Vgl. 5. Mose 17,10).
Auch in der aktuellen Lesung sehen wir eine ähnliche Anweisung an Mose.
Mose der Lehrer des Volkes
Als Mose und die Ältesten Israels am Fuß des Berges das Bündnismahl mit YHWH hielten, bekam er die Anweisung, auf den Berg zu steigen und die Bündnisdokumente, die zwei steinernen Tafeln, abzuholen:
Und YHWH sprach zu Mose: Steige zu mir herauf auf den Berg und bleibe dort, so will ich dir die steinernen Tafeln geben und das Gesetz und das Gebot, das ich geschrieben habe, um sie zu unterweisen! (2. Mose 24,12)
Mose erhielt dabei auch den klaren Auftrag, den Söhnen Israels nicht nur die Tafeln vorzulegen, sondern sie auch zu unterweisen, also zu lehren.
Dies impliziert, dass die Torah nie dafür gedacht war, dass wir sie individuell und auf uns allein gestellt verstehen sollten. Selbstverständlich ist es möglich, dass wir bis zu einem gewissen Grad auch in gewisse Tiefen von Gottes Wort eintauchen können. Doch letztlich ist die Entwicklung und das Wachstum jedes Menschen in das Bild Gottes hinein ein Gemeinschaftsprojekt. Nie wird dies allein vollständig gelingen, denn es heißt:
Und Gott YHWH sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht! (1. Mose 2,18)
Indem Gott es für Adam deklarierte, dass er nicht gut aufgehoben wäre, wenn er allein bliebe, deklarierte er es auch für alle anderen Menschen.
Das Geheimnis der Unterweisung
Die hebräische Formulierung des oben genannten Verses aus Mischpatim (2. Mose 24,12) birgt noch eine weitere Besonderheit. Im Hebräischen lautet die Wortgruppe „um sie zu unterweisen“:
להורתם
Die Konstruktion kommt von der Wurzel jarah, welche wir bereits in unserem letzten Kommentar zu Jethro untersucht haben. Doch finden wir diese Konstruktion – mit Ausnahme des Lamed am Anfang, welches hier aber nur als Präposition dient – von einer anderen Wurzel herkommend an einer anderen Stelle in der Bibel wieder.
Der entsprechende Vers ist im Folgenden wiedergegeben, wobei die deutsche Übersetzung unserer gesuchten hebräischen Wendung fett gedruckt ist:
Denn ihre Mutter hat Hurerei getrieben; die sie geboren hat, bedeckte sich mit Schande; denn sie sprach: »Ich will doch meinen Liebhabern nachlaufen, die mir mein Brot und Wasser geben, meine Wolle, meinen Flachs, mein Öl und meinen Trank!« (Hosea 2,7)
Die Übersetzung kommt von der Wurzel הָרָה. Die Übersetzung mit gebären ist nicht ganz einwandfrei. In den meisten Stellen wird הָרָה mit “(Samen) empfangen” oder “schwanger werden” übersetzt, da das Wort gebären im Hebräischen anders wiedergegeben werden kann. Ein Beispiel dazu sehen wir im folgenden Vers:
Und Adam erkannte seine Frau Eva; und sie wurde schwanger und gebar den Kain. Und sie sprach: Ich habe einen Mann erworben mit der Hilfe YHWH’s! (1. Mose 4,1)
Wir sehen also, dass die Unterweisung Moses im Grunde einem Empfängnisprozess gleichkommen sollte.
Empfängnis und Unterweisung
Wir wissen, dass die Empfängnis nicht allein funktioniert. Es braucht dazu einen Mann und eine Frau.
Um das Wort Gottes, die Torah, wirklich in der Tiefe zu empfangen und ihre Frucht hervrozubringen, braucht es ebenfalls mindestens eine weitere Person. Dies hängt damit zusammen, dass die Torah ausschließlich Beziehungen ordnet. Diese sind entweder die Beziehung zu Gott oder zu anderen Menschen.
Folglich ist es gar nicht möglich, die Torah in der Tiefe allein zu lernen und zu verinnerlichen, da mindestens diejenige Hälfte, die die Beziehung zu anderen Menschen beschreibt, fehlen würde.
Um unsere eigene eventuell mangelhafte oder egozentrische Sichtweise auf unsere Beziehungen überwinden zu können, brauchen wir die Perspektive von anderen Menschen, die andere Erfahrungen und andere Biografien haben als wir.
Eine der Lehren von Mischpatim für uns ist, dass wir die Früchte der Torah, nämlich gesunde Beziehnungen, neimals im Alleingang, sondern immer nur in der demütigen Interaktion mit anderen hervorbringen können.
Wenn wir die Torah auf diese Art empfangen, wird in der Folge der neue Mensch geboren!
Bildquelle: Pixabay.de
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