#43 Ki Tetze – „Wenn Du ziehst“
Ki Tetze
5. Mose 21,10-25,19
Jesaja 54,1-10; Matthäus 24,29-42
Ki Tetze gibt uns unter anderem Hinweise dafür, wie Israel mit einem flüchtigen Sklaven umgehen sollte. Es hießt im Text:
Du sollst den Knecht nicht seinem Herrn ausliefern, der von ihm zu dir geflüchtet ist. Er soll bei dir bleiben an dem Ort, den er erwählt, in einer deiner Städte, wo es ihm gefällt. Du sollst ihn nicht bedrücken. (5. Mose 23,16-17)
Die Sklaven und ihr Recht
Anders als in den bekannten heidnischen antiken Völkern, genossen hebräische Sklaven oder Knechte den vollen Rechtsschutz. Wie jeder andere Hebräer war auch ein Sklave ein Mensch mit allen Rechten und Pflichten gemäß der Torah. Niemals war es erlaubt einen Sklaven zu misshandeln oder zu töten (Vgl. 2. Mose 21,20). Es gab ein generelles Verbot, den Nächsten, was den Fremdling und auch den Sklaven einschloss, zu bedrücken (Vgl. 3. Mose 19,13).
Folglich mahnte Gott sein Volk, jeden Menschen, der sich aus wirtschaftlichen Gründen einem anderen verpflichtet hatte, genauso zu behandeln, wie jemanden, der komplett frei war.
Tatsächlich zeigt uns das oben genannte Gebot aus Ki Tetze, dass der Sklave letztlich sogar noch etwas bevorzugter als der Rest der Bevölkerung behandelt werden sollte. Das soll nicht heißen, dass der Sklave Sonderrechte hatte. Aber es galt doch eine grundsätzliche Unschuldsvermutung, wenn sich ein Sklave vor seinem Herrn versteckte. Jeder Hebräer sollte einem solchen Sklaven Obdach bieten.
Tatsächlich ging dies sogar soweit, dass es keine konkrete Anweisung für die Rückführung zum Herrn gab. Das schloss eine solche Rückführung nicht aus, nahm aber deutlich den Druck für den Sklaven, der wahrscheinlich schon genug andere schlimme Dinge erlebt hatte und dessen Seele möglicherweise etwas Ruhe brauchte. Wenn es ihm bei seinem Herrn gut gegangen wäre, dann wäre er wohl nicht geflohen.
Paulus und Onesimus
Ein praktisches Beispiel, welches wir den in Ki Tetze beschriebenen Umgang mit Sklaven widerspiegelt, finden wir im Philemonbrief.
In diesem Dokument wendete sich Paulus an seinen Freund und Bruder Philemon, dem offensichtlich sein Sklave Onesimus entlaufen war (Vgl. Philemon 10-16).
Aus Paulus’ Worten wird deutlich, dass er Onesimus und Philemon wieder zusammen führen wollte. Dafür bürgte er sogar für eventuelle Schäden, die Onesimus verursacht haben könnte (Vgl. Philemon 18-19).
Paulus Blick lag eben nicht auf dem Recht des Herrn, seinen Sklaven wieder zurück zu bekommen. Sein Fokus lag vielmehr darauf, die Beziehung zwischen beiden wieder herzustellen, sodass Onesimus eben nicht nur als Sklave, sondern auch als geliebter Bruder zurück kommen konnte (Vgl. Philemon 16).
Gott korrigiert unseren Fokus
YHWH weiß, dass wir natürlicherweise dazu tendieren, Recht nach Vorschrift zu erfüllen. Wir neigen zu schnellen Problemlösungen, wie die Rücksendung eines Sklaven zu seinem Herrn. Doch die schnelle Lösung ist nicht immer die Richtige.
Indem YHWH nicht einmal erwähnt, dass der Sklave, der Zuflucht sucht, wieder zurück kehren müsse, sondern Obdach finden sollte, schafft Er die Grundlage dafür, dass sich Sklave und Obdachgeber zunehmend kennen lernen können.
Auf Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung wäre der Sklave viel wahrscheinlicher bereit, den Streit mit seinem Herrn zu klären, hätte er doch die Option, jederzeit wieder Zuflucht zu suchen.
Der Fokus, der uns mit diesem Gebot aus Ki Tetze vermittelt wird, richtet sich auf die zwischenmenschliche Beziehung, statt auf materielle Anrechte. YHWH möchte den Schwachen schützen und Beziehungen stärken. Und genau da sollte auch unser Fokus liegen. In der Stärkung der Beziehung zu unseren Mitmenschen, sodass diese ebenfalls wissen, dass sie sich auf uns verlassen können und wir für sie da sind, wenn sie uns brauchen und es in unsere Macht steht ihnen zu helfen.
So kennen YHWH. Und so können wir ihn bezeugen.
Bildquelle: Helen Reason / FreeBibleimages.org (Creative-Commons-Lizenz)
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