#39 Wa’etchanan – „Und ich flehte“
Wa’etchanan
5. Mose 3,23-7,11
Jesaja 40,1-26; Lukas 3,2-15
Wa’etchanan führt die Erzählung von Mose fort, die mit Devarim im Land von Moab begonnen hatte. Als Bestandteil dieser Erzählung begegnet uns in der aktuellen Lesung das Thema der Zufluchtsstädte.
Es heißt dazu im Wort:
Damals sonderte Mose drei Städte aus, auf der anderen Seite des Jordan, gegen Sonnenaufgang, damit der Totschläger dorthin fliehen könne, der seinen Nächsten unabsichtlich getötet hat, ohne ihn zuvor gehasst zu haben, dass er in eine dieser Städte fliehe und am Leben bleibe,… (5. Mose 4,41-42)
Welche Bedeutung haben diese Städte nun für Israel?
Der Sinn der Zufluchtsstädte
YHWH hat sich in seinem Gesetz, der Torah, festgelegt: Kein Getöteter sollte ungesühnt bleiben!
Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht. (1. Mose 9,6)
Und:
Und ihr sollt das Land nicht entweihen, in dem ihr euch befindet! Denn das Blut entweiht das Land; und für das Land kann keine Sühnung erwirkt werden wegen des Blutes, das darin vergossen worden ist, außer durch das Blut dessen, der es vergossen hat. (4. Mose 35,33)
Den oben genannten Geboten folgend, schien es keine Rolle zu spielen, ob jemand vorsätzlich getötet oder durch eine Unfall zu Tode gekommen war. Das vergossene Blut musste gesühnt werden. Dafür musste der Blutvergießer sterben.
Doch natürlich ist es nicht gerecht, wenn jemand sterben muss, weil er einen Menschen durch einen Unfall ums Leben gebracht hat. Und genau deshalb hat YHWH die Zufluchtsstädte eingerichtet.
Rede zu den Kindern Israels und sage zu ihnen: Wenn ihr über den Jordan in das Land Kanaan kommt, sollt ihr euch Städte wählen, die euch als Zufluchtsstädte dienen, damit ein Totschläger, der einen Menschen aus Versehen erschlägt, dorthin fliehen kann. Und diese Städte sollen euch als Zuflucht dienen vor dem Bluträcher, damit der Totschläger nicht sterben muss, ehe er vor der Gemeinde vor Gericht gestanden hat. (4. Mose 35,10-12)
Wenn also ein Israelit einen anderen aus Versehen getötet hatte, war er dennoch des Todes schuldig, es sei denn, er suchte Zuflucht in einer der sechs Städte. Die drei östlich des Jordans lernen wir in Wa’etchanan kennen (Vgl. 5. Mose 4,43). Drei weitere gab es westlich des Jordans.
In dieser Stadt sollte der Geflüchtete so lang bleiben, bis der Hohepriester, der zu dieser Zeit im Amt war, gestorben war. Dann war der Totschläger frei. Der Tod des Hohepriesters hatte sein Blutvergießen gesühnt.
Die Situation des Geflüchteten
Wir wollen uns an dieser Stelle ein wenig in die Situation eines Menschen hineinversetzen, der in einer solche Stadt Schutz suchte.
Zunächst einmal waren die Zufluchtsstädte immer auch Levitenstädte. Die Dichte an Leviten und Priestern sollte also in einer solchen Stadt besonders groß sein. Somit bot das Exil in einer solchen Stadt durchaus eine gute Gelegenheit, über Gott zu lernen und ihm zu begegnen.
Andererseits war der Flüchtling aber auch in der Stadt gefangen. Er konnte die Stadt nur unter Lebensgefahr verlassen und war möglicherweise dauerhaft von seiner Familie und seinem Erbbesitz getrennt. Selbst im Jubeljahr, an dem jeder zu seinem Erbe zurückkam, war er nur in der Zufluchtsstadt wirklich sicher.
Darüber hinaus hing sein Leben am Leben bzw. Tod eines Mannes, den er möglicherweise gar nicht zu Gesicht bekam. Der Hohepriester hielt sich gewöhnlich in der Heiligen Stadt Jerusalem auf. Doch Jerusalem war keine Zufluchtsstadt. Der Totschläger hatte also kaum Kontakt zu dem Mann, der ihr aus seiner Misere befreien konnte – was vielleicht auch ganz gut für den Hohepriester war.
Dadurch, dass der Totschläger nicht nach Jerusalem kommen konnte, war er auch vom Tempel und folglich auch von den Opfern getrennt. Oder war es ihm doch so wichtig, vor Gott zu treten, dass er dafür sein eigenes Leben riskierte? Diese Entscheidung oblag ihm allein.
Die prophetische Bedeutung
Letztlich sind wir in kaum einer anderen Situation als ein Totschläger in der Zufluchtsstadt. Auch wir sind des Totschlags schuldig, klärt uns Johannes doch über folgendes auf:
Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder; und ihr wisst, dass kein Mörder ewiges Leben bleibend in sich hat. (1. Johannes 3,15)
Wer von uns ist nicht des Zornes oder Hasses gegen einen Mitmenschen schuldig? Wer von uns ist dann kein Mörder oder Totschläger?
Wir suchen Zuflucht in der Gemeinde Jeschuas, denn wir haben den Tod verdient. Aber durch seinen Tod, können wir wieder frei kommen.
Doch ist die Zeit der letztendlichen Wiederherstellung noch nicht gekommen. Wir befinden uns immer noch im Exil, entfernt von unserem Erbteil, entfernt vom (himmlischen) Tempel und entfernt vom Hohepriester. Doch ist die Gemeinde eine Art Levitenstadt, in der wir darauf warten, dass uns der Richter der Welt am Ende der Zeit freisprechen wird, sodass wir wieder zu unserem Erbteil zurückkehren und frei unseren Schöpfer anbeten können.
Somit erzählt Wa’etchanan u.a. durch das Thema der Zufluchtsstädte auch unsere persönliche Geschichte der Erlösung. Halleluja!
Bildquelle: Pixabay.de
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