#07 Wajetze – „Und er zog aus“
1. Mose 28,10-32,3
Hosea 12,13-14,10; Johannes 1,41-51
Lea ist wahrscheinlich eine der unscheinbarsten Personen in der gesamten Schrift. Doch gerade an diesen Unscheinbaren wird die gewaltige Gnade und Liebe Gottes offenbar.
Wir wollen uns im Folgenden ein wenig mit Lea beschäftigen.
Wir wissen, dass Laban zwei Töchter hatte: Die ältere hieß Lea und die jüngere Rahel (Vgl. 1. Mose 29,16).
Laban war ein reicher Mann, mit einem großen Hof (Vgl. 1. Mose 24,25) und viel Vieh. Er war Viehzüchter und ein erfolgreicher und bekannter Geschäftsmann seiner Zeit. Er lebte in Haran, einem Ort, der zusammen mit einigen wichtigen wirtschaftlichen Zentren vom Propheten Hesekiel genannt wurde (Vgl. Hesekiel 27,23), was darauf hindeutet, dass Haran ebenfalls diese wirtschaftliche Bedeutung hatte. Außerdem wissen wir, dass Haran ein Zentrum für die Anbetung des Mondgottes war.
Haran war zusammen mit Ur eines der wichtigsten Kultzentren des Mondgottes Sîn im Alten Orient und gewiss das bedeutendste Zentrum im syro-palästinensischen Raum (→ Mond). Das Heiligtum des Mondgottes von Haran, das Eḫulḫul („Haus, das Freude spendet“) ist bereits in den Texten aus Mari, die aus der Regierungszeit Zimrī-lims datieren (18. Jh. v. Chr.), bezeugt.
(Quelle: Bagg, Ariel (März 2015): „Haran“. https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/haran/ch/4270dfed3fc4f7e932cff15aa2d9837d/#h3 [25.11.2019])
Nicht nur, dass Laban in einem Kultzentrum des Götzendienstes lebte, er selbst wird uns ebenfalls als Götzendiener beschrieben.
Laban aber war weggegangen, um seine Schafe zu scheren; und Rahel stahl die Teraphim, die ihrem Vater gehörten. (1. Mose 31,19)
Wir sehen in Laban also einen Heiden, der sich aufs Geschäft verstand und auch darauf aus war, Profit zu machen. Außerdem legte er sehr viel Wert auf seinen Ruf, dadurch ist es unter anderem zu erklären, dass er sein Wort gegenüber Jakob brach und ihm zunächst Lea und nicht Rahel zur Frau gab, obwohl dies anders vereinbart war.
Laban antwortete: Es ist nicht Sitte in unserem Ort, dass man die Jüngere vor der Älteren weggibt. (1. Mose 29,26)
Aus dieser Geschichte erfahren wir auch, dass Laban vor dem ein oder anderen linken Trick nicht zurück schreckte, wenn es um seinen persönlichen Vorteil ging. Deshalb bestätigte er Jakob, nachdem er seine Geschichte und insbesondere den Streit ums Erstgeburtsrecht mit Esau gehört hatte:
…Da erzählte er Laban diese ganze Geschichte. Da sprach Laban zu ihm: Fürwahr, du bist mein Gebein und mein Fleisch! Und er blieb bei ihm einen Monat lang. (1. Mose 29,13b-14)
Mit anderen Worten: So hätte ich es auch gemacht!
Laban war also Leas Vater. Durch seinen großen Besitz war es für ihn natürlich wichtig, dass seine Kinder ihm im Familienbetrieb helfen und diesen gegebenenfalls auch nach ihm weiterführen würden.
Wir wissen nicht genau, in welcher Reihenfolge Laban seine Kinder bekam. Wir wissen, dass er Söhne hatte. Doch es ist gut möglich, dass Lea sein erstes Kind war.
Lea wird als Frau mit matten Augen beschrieben.
Und Lea hatte matte Augen, Rahel aber hatte eine schöne Gestalt und ein schönes Angesicht. (1. Mose 29,17)
Diese Formulierung könnte auf eine angeborene Sehbehinderung deuten. Wir nehmen einmal an, dass dies so war. Was würde in dem auf seinen Ruf achtenden Geschäftsmann, Betrüger und Götzendiener Laban vorgehen? Was wären seine ersten Gefühle und Gedanken nach der Geburt seiner Tochter – seinem ersten Kind, in das er so viele Erwartungen gesteckt hatte?
In antiken Zeiten standen Namen oft in Zusammenhang mit einem Eindruck oder Ereignis bei der Geburt oder Zeugung des Kindes. Welcher Eindruck könnte also mit Lea zusammenhängen?
Der Name Lea kommt von der hebräischen Wurzel לָאָה (la’ah). Doch was bedeutet לָאָה? Was drückt der Name von Lea aus?
Im folgenden ist ein Vers aufgeführt, in dem לָאָה Verwendung findet. Das fett gedruckte Wort ist die deutsche Übersetzung von לָאָה:
…sodass die Fische im Nil sterben müssen und der Nil stinken wird; und es wird die Ägypter ekeln, das Wasser aus dem Nil zu trinken. (2. Mose 7,18)
Könnte es sein, dass Laban für seine behinderte Tochter Ekel empfand? Könnte es sein, dass er froh war, sie Jakob unterschieben zu können, weil er dann nicht mehr für sie verantwortlich gewesen wäre? Könnte es sein, dass Rahel bei Laban immer den Vorzug vor Lea hatte?
Was macht es mit der ältesten Tochter, die niemals in der Lage war, es ihrem Vater recht zu machen? Die immer das Gefühl haben musste, eine Verstoßene zu sein? Eine Verhasste, vor der man sich nur ekeln konnte?
Und wie musste es für Lea sein, die Selbe Erfahrung mit ihrem Mann Jakob zu machen, der ebenfalls nur Augen für Rahel hatte, Lea aber verschmähte (Vgl. 1. Mose 29,30)?
Doch YHWH sah das Leiden von Lea. Er machte den Unterschied in all ihrem Leid und half Lea über ihre Trauer hinweg. Er machte sie fruchtbar, während er Rahel eine Zeit lang verschloss.
Als aber YHWH sah, dass Lea verschmäht war, da öffnete er ihren Mutterschoß; Rahel aber war unfruchtbar. (1. Mose 29,31)
Ist es nicht wunderbar, zu sehen, wie sich YHWH um die Unscheinbaren, die Notleidenden, die Verletzten, die Zerbrochenen, die Unterdrückten kümmert?
Und so konnte Lea nach ihrem vierten Sohn ausrufen:
Und sie wurde noch einmal schwanger und gebar einen Sohn und sprach: Nun will ich YHWH preisen! Darum gab sie ihm den Namen Juda; und sie hörte auf mit Gebären. (1. Moswe 29,35)
Es scheint, als wäre sie von den Wunden der Ablehnung geheilt und fand ihren Frieden in YHWH.
YHWH ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind. (Psalm 34,19)
Wie dankbar können wir sein, dass er uns in unserem Leid niemals allein lässt, sondern uns gerade dann aufsucht und uns nahe sein will. Danke Abba für Deine Liebe und Barmherzigkeit! Danke, dass Du all unsere Wunden heilst und uns gesund in Dein Reich kommen lässt!
Bildquelle: Sweet Publishing / FreeBibleimages.org
https://freebibleimages.org/illustrations/jacob-wedding/
(Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
- #25 Tzav – “Gebiete!” - 24. März 2024
- Purim und die Offenbarung der Braut - 19. März 2024
- 24 Wajikra – “Und er rief” - 17. März 2024