Parascha ‘dvarim’
Quelle: Bildquelle: Jitro und Moses (Gemälde von James Tissot zwischen 1896 und 1900) Quelle: Wikimedia
Parascha ‚dvarim‘ דְּבָרִים – Kp. 1, 1 – 3, 22;
Dies ist der erste Wochenabschnitt des fünften Buchs der Tora: ‚dvarim‘. Es ist auch das letzte Buch der Tora und heißt ‚dvarim‘ („Worte“), weil es sich aus dem Satz ‚ele-haDvarim‘
– אֵלֶּה הַדְּבָרִים (= „dies sind die Worte…“) bildet. Wie bei allen Büchern der Tora sind die Namen der jeweiligen Bücher mit ihrem ersten Tora-Abschnitt identisch.
In unseren deutschen Bibeln wird dvarim meist als „Deuteronomium“ benannt, was sich aus einem griechischen Wort abgeleitet, das „Wiederholung der Tora“ bedeutet. Es ist von dem hebräischen Satz abgeleitet in 5. Mo. 17, 18: „mischne-haTora“. Das Buch dvarim besteht aus 34 Kapiteln, die in 11 wöchentliche Tora-Lesungen unterteilt sind.
Wir wollen zunächst eine kurze Übersicht zum ganzen 5. Buch Mose geben, um uns dann mit unserer heutigen Parascha auseinanderzusetzen.
Das Buch ‚dvarim‘ beginnt 37 Tage (= 5 Wochen) vor dem Tod Mosches, nämlich im vierzigsten Jahr seit dem Exodus aus Ägypten, am ersten Tag des elften Monats (schwat). Als solches hat das Buch den allgemeinen Ton einer „Abschiedsrede“ von Mosche und enthält darum hauptsächlich die Abschiedsreden Mosches (Moses) an sein Volk Israel. Es sind insgesamt 3 Reden, die jetzt kurz vor dem Eintritt des Volkes in das verheißene Land Kanaan gehalten wurden. Mosche fasst darin die Gebote und alle Ereignisse der vorherigen Bücher zusammen, und gibt zusätzlich noch einige neue Anweisungen. Dabei ermahnt er nun diese neue Generation des Volkes Israel, dem Ewigen im Einhalten der Tora-Gebote treu zu bleiben.
Im Gegensatz zu den vier vorangegangenen Büchern der Tora ist der Sprecher hier Mosche selbst, und sogar die Aufzählung der verschiedenen Gebote und Verordnungen sind als Teil seiner Ansprachen aufgezeichnet.
Hier eine kurze Übersicht zur Einteilung des Buches ‚dvarim‘
- – erste Rede Mosches – 5. Mo. 1 – 4: einleitende Worte und Rückblicke: Rückblick auf die Geschichte der Israeliten seit dem Verlassen Ägyptens, einschließlich der Wanderung durch die Wüste, die Sünde der Späher, und der Siege über die Könige Sichon und Og. Diese Rede endet mit einer Ermahnung, die Gebote des Ewigen zu befolgen.
- – zweite Rede Mosches – 5. Mo. 5 – 26: Wiederholung und Erklärung vieler Tora-Gebote: Diese Rede stellt eine detaillierte Wiederholung und Erläuterung vieler Tora-Gebote dar, die das religiöse, soziale und zivile Leben betreffen. Es enthält auch die Wiederholung des berühmten ‚Zehn-Wortes‘ – עֲשֶׂרֶת הַדִּבְּרוֹת ‚asseret-haDivrot‘ (= die 10 Gebote) und das „schma-Israel“ – שְׁמַע יִשְׂרָאֵל (= „höre, Israel: Adonaj, Elohejnu, Adonaj echad – שְׁמַע יִשְׂרָאֵל ה’ אֱלֹהֵינוּ ה’ אֶחָד
- – dritte Rede Mosches – 5. Mo. 27 – 30: Ermahnungen: alle Gebote zu befolgen, sowie Ankündigungen von Segen für Gehorsam und Fluch für Ungehorsam.
- – Mosches Abschied – 5. Mo. 31 – 34: die letzten Tage Mosches: die Bestellung Je‘hoschuas (Josuas) als Nachfolger, die Hymne des Mosche (ha’Asinu), der Segen, den Mosche für die Stämme Israels gesprochen hat und die Schilderung vom Tod des Mosche.
Soweit der Über- und Vorausblick für die nächsten Abschnitte im Buch ‚dvarim‘.
Es folgt jetzt nach einer noch detaillierteren Übersicht dieser Parascha ein nähere Betrachtung als Erinnerung wie Mosche die Richter über das Volk einsetzte.
Der erste traditionelle Tora-Abschnitt des Buches ist nach dem Buch selbst benannt.
Die Parascha ‘dvarim’ markiert den Beginn eines neuen Abschnitts in der Geschichte Israels. Sie ist reich an Rückblicken und Lehren, die das Volk vor dem Eintritt ins verheißene Land vorbereiten sollen.
. der Aufbruch vom Sinai – 5. Mo. 1, 1-8;
. die Ernennung der Raschim oder Führer – 5. Mo. 1, 9-18;
. die Sünde der Kundschafter und die Rebellion in Kadesch-Barnea – 5. Mo. 1, 19-33;
. die Strafe für den Unglauben Israels – 5. Mo. 1, 34-46;
. die Jahre in der Wüste – 5. Mo. 2, 1-23;
. die Niederlage von Sichon – 5. Mo. 2, 24-37;
. die Niederlage von Og – 5. Mo. 3, 1 – 11;
. die Zuteilung für die Stämme Ruben, Gad und die Hälfte vom Stamm Manasche – 5. Mo. 3, 12-20;
. die Botschaft an seinen Nachfolger Je‘hoschua, der mit der Führung des Volkes beauftragt wurde die Israeliten bei der Eroberung des Gelobten Landes zu führen.
- Einleitung – 5. Mo. 1, 1-5:
Mosche beginnt seine erste Rede, in der er das Volk Israel an die Gebote und Ereignisse erinnert. Die Rede findet im Ostjordanland, gegenüber von Jericho, statt.
- Rückblick auf die Reise und die Führung durch die Wüste – 5. Mo. 1, 6 – 18;
In dieser Rede sind Rückblicke auf die Ereignisse der Wüstenwanderung enthalten, die als Ermahnung und Ermutigung für diese neue Generation Israels dienen sollen.
- Mosche blickt nun über die vierzig Jahre seit dem Auszug aus Ägypten zurück, als der Befehl des Aufbruchs am Chorev (Berg Sinai) erfolgte, da befahl Elohim seinem Volk Israel weiterzuziehen, um das ihnen verheißene Land in Besitz nehmen zu können.
- Dann erinnert Mosche daran, wie durch ihn Richter – שֹּׁפְטִים schoftim als Oberste – raschim über 1000, 100 und bis zu 50 und sogar über 10 eingesetzt wurden. Sie galten als Hilfen für die Zeit bis zur Eroberung des Ostjordanlandes. Diese sollten die Last des Richtens abnehmen – 5. Mo. 1, 9 -18;
- Bericht über die Späher und die Rebellion – 5. Mo. 1, 19 – 46;
- eine Erinnerung an die Aussendung der Späher: Das Volk bat darum, Kundschafter vorauszuschicken, um das Land zu erkunden.
- die Angst und Rebellion: Die negativen Berichte der Späher – מרגלים meraglim führten zu Angst und Rebellion des Volkes, was schließlich dazu führte, dass diese Generation das Land nicht betreten durfte.
- Wanderungen durch die Wüste und Siege über Sichon und Og – 5. Mo. 2, 1 – 3, 11:
- die Durchquerung verschiedener Gebiete: Die Israeliten zogen durch die Gebiete von Edom, Mo‘av und Amon, wollten dabei jedoch keine Konflikte suchen.
- Siege über die Amoriterkönige Sichon und Og: Mosche erinnert an diese Siege, die der Ewige den Israeliten über diese Könige geschenkt hat, was zu einer Gebietsübernahme östlich des Jordans führte.
- die Verteilung des eroberten Landes – 5. Mo. 3, 12 – 22; die Verteilung des Landes: Das östliche Jordangebiet wurde den Stämmen Re‘uven, Gad und dem halben Stamm Manasche zugewiesen.
- Ermahnung an Je‘hoschua: Mosche spricht Je’hoschua Ermutigungen zu, weil er das Volk ins verheißene Land führen wird.
In seiner ersten Rede betont der Text, dass Mosche dem Volk „die Tora verdeutlichen, erklären – בֵּאֵר be’er wollte“ – 5. Mo. 1, 5; damit sie sich an die Anweisungen des Ewigen erinnern, sobald sie das Land in Besitz nehmen würden.
Mosche beginnt seine Rede mit einem Rückblick auf die Ereignisse, die sich während der 40-jährigen Reise des Volkes aus Ägypten ereignet haben.
Ich möchte an dieser Stelle einmal einen sehr interessanten Aspekt in Betracht ziehen, über den wir wahrscheinlich sonst schnell hinweglesen würden.
5.Mo. 1, 1: Dies sind die Worte dvarim, die Mosche zu ganz Israel geredet hat jenseits des Jordan, in der Wüste – baMidbar, in der Ebene – עֲרָבָה Arava, Suf – סוּף gegenüber, zwischen Paar‘an – פָּארָן und Tofel – תֹּפֶל, Lavan – לָבָן, Chazerot – חֲצֵרֹת und Di-Sahav – דִי זָהָב.
Nach Ansicht der Weisen in der Mischna (Sifri) sind die zahlreichen Ortsnamen in Vers 1) keine Orientierungspunkte oder geografischen Orte, sondern vielmehr stellen sie Worte des Mussar – מוּסַר (Ethik, Moral) dar, d. h. sie sind Zurechtweisungen, die Mosche an das Volk Israel gerichtet hatte. Also anstatt ihre Sünden offen zu benennen, spielte er mit gewissen Codeworten auf sie an:
- „in der Wüste“ – בַּמִּדְבָּר baMidbar: das betrifft die Zeit, in der sie sich sehr oft beklagten: „wären wir doch nur in der Wüste gestorben“ – 2. Mo. 17, 3;
- „in der Ebene“ – בָּעֲרָבָה baArava: dies bezieht sich auf ihre jüngste Sünde mit den moabitischen Frauen und ihrer Zuwendung zum abgöttischen Ba’al Peor in den Ebenen von Moab – 4. Mo. 25;
- „gegenüber von Suf“ -מוֹל סוּף mul Suf: die Klage Israels an den Ufern von Jam-Suf (zu Beginn des großen Exodus, dem Beginn des großen Auszugs aus Ägypten)
- „zu Paar’an“ – פָּארָן; dies betrifft die Sünde der Späher, die von Paar‘an aus ausgesandt wurden – 4. Mo. 13;
- „Tofel und Lavan“ – תֹּפֶל וְלָבָן: das bedeutet, ihre Verleumdung des weißlichen Man (Manna) – 4. Mo. 21, 5;
- „Chazerot“ – חֲצֵרֹת: das ist der Ort, an dem Korachs Aufstand gegen Mosche stattfand
- „Di-Sahav“ – דִי זָהָב (= zu viel Gold): bezeichnet die Sünde des Goldenen Kalbes – 2. Mo. 32;
Nach diesen Übersichten, die uns sicherlich auch für die kommenden Tora-Lesungen hilfreich sein werden, möchte ich nun einen Aspekt herausgreifen, welchen Mosche hier im Rückblick seinem Volk erzählt: Dass er Richter schoftim eingesetzt hat – 5. Mo. 11, 9-18;
Wenn wir diesen Text mit dem in 2. Mo. 18, 13-27 vergleichen, dann fällt uns auf, dass Mosche dies als Ratschlag seines Schwiegervaters Jitro annahm. Das lässt er hier in seiner Rückfassung aus. Dieser hatte ihm nämlich diesen Rat erteilt, nachdem Mosche ihm quasi seine Überforderung mitteilte und er selber es als Überforderung mitangesehen hatte.
Weiter fällt uns auf, dass bei beiden Texten unterschiedliche Worte für die Auswahl der Männer verwendet werden, die sich aber einander ergänzen:
Jitro empfahl Mosche ab V17:
V17) Da sagte Mosches Schwiegervater zu ihm: „Diese Sache ist nicht gut, [so wie] du sie handhabst.
V18) Weil du dich (selbst) damit nur aufreibst, sowohl du (dich selber) als auch dieses Volk, das bei dir ist. Die(se) Aufgabe ist zu schwierig für dich, als dass du sie alleine bewältigen kannst.
V19) Darum höre nun auf meine Stimme: Ich möchte dir raten. Und Elohim wird mit dir sein: du sollst das Volk vor Elohim vertreten, indem du die Angelegenheiten vor Elohim bringst.
V20) Belehre sie über die Satzungen/Ordnungen – חֻקִּים chukim und Lehranweisungen – תּוֹרֹת torot. Damit zeigst du ihnen den Weg, den sie gehen sollen, und [ebenso erteilst du ihnen] die Werkstaten – מַּעֲשֶׂה ma’assim, die sie zu tun haben.
V21) Du aber ersehe/visioniere – תֶחֱזֶה techase[dir] aus dem ganzen Volk Männer aus, die tüchtig/tapfer – חַיִל, die Elohim fürchtend – יִרְאֵי אֱלֹהִים jir’at-Elohim und (Männer) wahrhaftig -אֱמֶת emet sind, und Männer sind, welche ungerechten Gewinn hassen: Diese setze über sie: zu Obersten – שָׂרֵי ssar raschim über Tausend, zu Obersten – ssarim über Hundert, zu Obersten – ssarim über Fünfzig und (selbst) zu Obersten über Zehn.
V22) Sie sollen dem Volk jederzeit Recht sprechen – שָׁפְטוּ אֶת schaftu et! Weiter soll es so gehandhabt werden, daß sie [nur noch] die großen Angelegenheiten – דָּבָר הַגָּדֹל davar-haGadol vor dich bringen, doch alle geringen Angelegenheiten lass sie selber darüber richten/urteilen. [Auf diese Weise] wirst du entlastet, und sie sollen mit dir [die Lasten] tragen!
V23) Wenn du dies tust wie Elohim es dir gebietet, dann wirst du durchhalten können. So wird auch dieses ganze Volk in Frieden an seinen Ort angelangen.
V24) Mosche hörte auf die Stimme seines Schwiegervaters und tat all das, was er ihm geraten (gesagt) hatte.
Während hier in 2. Mo. 18 Mosche Männer mit den folgenden Kriterien zu Obersten erwählen sollte, die
- tüchtig/tapfer – חַיִל chajl V21;
- Elohim fürchtend – יִרְאֵי אֱלֹהִים jir’at-Elohim
- wahrhaftig -אֱמֶת emet
- ungerechten Gewinn hassen = d. h. nicht bestechlich sind
werden in unserer Parascha dieselben Kriterien mit anderen Worten benannt: V13: Es sollten Männer sein, die……sein:
- weise – חֲכָמִים chochamim
- verständig, besonnen – נְבֹנִים nevonim
- anerkannt, bekannt – ידֻעִים jedu’im
Hier endet unsere heutige Betrachtung. Ich wünsche euch allen den reichen Segen Elohims!
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