Ephraim auf dem Weg – 5. Die Reise beginnt
– Beachte: Dies ist Teil 5 von “Ephraim auf dem Weg” – Weitere Teile –
Mirjam konnte es kaum erwarten. Sie überlegte gemeinsam mit Rut, was sie mitnehmen wollten. Nadav hatte ihnen eine kleine Liste mit Dingen gegeben, die sie nicht vergessen sollten. „Hast du eigentlich auch schon herumgefragt, ob nicht doch noch jemand mitmöchte?“, wollte Rut von Mirjam wissen.
„Ja! Ich habe Samira gefragt. Aber sie meinte, für sie sei das derzeit nicht dran. Sie hat so sehr die Menschen draußen auf der Straße auf dem Herzen und sieht es weiterhin als ihren Auftrag. Ich kann das schon verstehen. Schließlich hat sie darin auch eine echte Gabe. Vielleicht macht sie sich ja später nochmal auf.“
„Bestimmt!“, entgegnete Rut. „Ich glaube es arbeitet in vielen. Und irgendwann bricht es hervor und man will einfach mehr. Wichtig ist nur, dass man dann auf die richtigen Leute trifft, die einem weiterhelfen. Aber da muss man Gott einfach vertrauen, dass er führt.“
„Und glaubst du, wir sind an den Richtigen geraten?“, fragte Mirjam.
„Du meinst Nadav? Ja, bestimmt! Ich habe ein richtig gutes Gefühl bei ihm. Er ist ein so guter Führer und er wird uns bestimmt an sehr interessante Plätze bringen. Da mache ich mir keine Gedanken.“
„Meine Frage hatte auch keine Hintergedanken. Ich empfinde es genauso wie du. Er ist wirklich sehr nett. Viel skeptischer bin ich allerdings bei Boas. Aber Nadav hat eine tolle Art mit ihm umzugehen. Übrigens wollte ich gleich noch ins Café zu Anat, um mich von ihr zu verabschieden. Sie werde ich ganz schön vermissen.“
„Das kann ich verstehen!“, sagte Rut. „Ich habe mich bei ihr auch immer sehr wohl gefühlt. Und natürlich durfte ich sehr viel lernen. Es ist schon lustig, wenn man weiß, dass auch sie mal im Bücher-Pavillon war, um die ganzen Rezepte zu lernen. Wer weiß, vielleicht will sie ja auch mit auf die Reise kommen!?“
„Ich denke nicht.“, entgegnete Mirjam. „Aber ich kann sie ja fragen. Ich denk, ich mach mich jetzt auf den Weg. Es wird schon langsam dunkel. Und morgen früh sollten wir ausgeschlafen sein.“
Die beiden verabschiedeten sich und Mirjam steuerte auf Anats Café zu. Wie immer freute sich Anat sehr, Mirjam zu sehen. Die beiden hatten sich über die wenigen Wochen angefreundet und viele schöne Gespräche gehabt. Mirjam berichtete von ihren Plänen, worüber sich Anat sehr freute. Doch sie ließ schon gleich zu Beginn durchblicken, dass sie im Dorf bleiben wollte. „Ach, weißt du. Mir gefällt es hier wirklich sehr. Und ich liebe es, Leute zu bewirten und ihnen Gutes zu tun.“
„Ja, das habe ich mir gedacht.“, entgegnete Mirjam. „Ich kann dich gut verstehen. Und dem Dorf würde etwas fehlen, wenn du nicht mehr hier wärst. Keiner backt so wundervoll wie du und nirgendwo sonst ist es so gemütlich.“
„Aber natürlich musst du mir alles erzählen, wenn du wieder zurück bist. Ihr werdet eine Menge erleben!“
„Anat, war es für dich eigentlich schwierig, die ganzen Rezepte aus dem Pavillon zu lernen? Bei dir schmecken sie ja wirklich so gut, wie nirgendwo sonst!“
Anat musste lachen. „Man braucht schon viel Zeit, um die ganzen Rezepte für die Kuchen und Gerichte zu lernen. Ich war oft oben im Pavillon. Aber ich glaube, Gott hat mir auch ein gewisses Händchen für diese Arbeit gegeben. Trotz des vielen Übens hat es bei mir oft gut und schnell geklappt. Und ich konnte mich nie beschweren. Ich hatte immer viele und mehr als zufriedene Gäste.“
„Weißt du, was ich mich oft gefragt habe?“, sagte Mirjam. „Du hast so viel Arbeit und Zeit in diese Arbeit gesteckt. Aber wie kannst du eigentlich davon leben, wenn du das Essen immer verschenkst?“
„Nun ja…“ Anat wich Mirjams Blick aus und schaute etwas verlegen drein.
„Oh…!?“ Mirjam machte große Augen. Ihr ging plötzlich ein Licht auf. „Das Essen ist gar nicht kostenlos, oder? Das ist mir ja peinlich. Ich bin immer davon ausgegangen, dass…“
„Nein, nein! Mach dir keine Vorwürfe!“ Anat stockte und überlegte. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie nicht recht wusste, wie sie es formulieren sollte. „Also… Nur die wenigsten von uns verlangen tatsächlich Geld für das Essen. Irgendwie ist es wie ein ungeschriebenes Gesetz. Es ist nicht ganz angebracht, dafür Geld zu verlangen. Natürlich backen und kochen wir, damit die Besucher diese Erkenntnisse haben und Augenblicke erleben dürfen. Doch dieses besondere Etwas… du weißt schon… das kommt ja nicht von uns. Das tut ER! Und zudem sind ja die ganzen Rezepte frei erhältlich.“
„Aber trotzdem seid ihr es, die so viel Arbeit dort hineinstecken. Würdet ihr nicht backen und kochen, könnten die Gäste nicht davon profitieren und Gott könnte nicht so wirken!“ entgegnete Mirjam.
„Ja, klar. Du hast ja Recht. Es ist schwierig. Naja, auf jeden Fall läuft es im Normalfall so, dass viele Menschen uns einfach so, teilweise sogar regelmäßig Geld geben. Manche machen das zudem unabhängig davon, ob sie Gäste sind oder nicht. Das Café von Aaron in der Nähe der unscheinbaren Tür zum Beispiel. Du kennst es ja…“
„Ja, natürlich!“ Mirjam erinnerte sich an ihren ersten Tag, an dem sie Samira in dieses Land brachte und sie zum ersten Mal von der Speise aß.
„Fast alle Neuen essen dort. Sie kommen dort mit der Torah in Kontakt und sein Essen ist darauf spezialisiert. Niemand kann Einsteiger-Essen so gut zubereiten, wie er! Natürlich brauchen die meisten diese Nahrung nicht mehr, nachdem sie einige Tage oder Wochen hier verbracht haben. Aber weil jeder weiß, wie kostbar und wichtig sein Café ist, unterstützen viele Aaron, indem sie ihm regelmäßig etwas geben.“
„Ach, so läuft das. Jetzt verstehe ich… Nun, Anat, ich durfte so häufig bei dir essen und wurde dadurch überaus gesegnet. Dann würde ich dir gerne etwas dafür geben!“
„Das ist lieb, Mirjam! Vielen Dank!“ Anat war sichtlich gerührt, als Mirjam Geld aus ihrem Portmanie holte und es ihr gab. Danach umarmten sich die beiden und verabschiedeten sich.
„Bis bald, Anat! Und vielen Dank nochmals!“
„Ja, ich danke dir auch, Mirjam! Ich freu mich, wenn wir uns bald wieder sehen. Sei ganz reich gesegnet!“ Anat winkte Mirjam nach und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
Mirjam dachte noch länger über das eben gehörte nach. Wie oft hatte sie schon an verschiedenen Stellen unbeschreiblich wundervolles Essen genießen dürfen. Aber nie kam ihr der Gedanke, dass die dafür Arbeitenden ebenso wie alle anderen auf Geld angewiesen waren. Warum wurde dieser Umstand nicht publik gemacht? Jeder tat als wäre es völlig normal ohne Bezahlung zu essen und zu trinken?
Mirjam schlief sehr unruhig in dieser Nacht. Früh am nächsten Morgen stand sie auf und machte sich fertig für die anstehende Reise. Sie wusste gar nicht genau, was auf sie zukommen würde. Und doch freute sie sich sehr darauf. Dieses Land hatte eine Menge zu bieten und sie konnte es kaum erwarten, noch mehr zu entdecken und zu lernen.
Früh am Morgen traf sie sich mit Rut am Dorfausgang. Gemeinsam gingen sie den Weg hinauf zum gleichen Treffpunkt, wo sie sich auch beim letzten Mal mit Nadav und Boas getroffen hatten. Auch heute waren die beiden schon vor ihnen da.
Während sie sich einander begrüßten, stellten die zwei Frauen erleichtert fest, dass Boas dieses Mal nicht so abweisend reagierte, sondern sich sogar bemühte, freundlich zu sein.
Sie starteten die Reise und liefen auf dem gleichen Weg wie zwei Tage zuvor. Doch dieses Mal gingen sie am Bücher-Pavillon vorbei und wanderten auf der anderen Seite des Platzes weiter. Anders als beim letzten Mal hielten sie einen etwas schnelleren Schritt. Dabei fiel Mirjam auf, dass sie sich mittlerweile ganz gut an den einsackenden Boden gewöhnt hatte. Doch nachdem sie eine gewisse Strecke hinter sich gebracht hatten, war ihr bewusst, dass sie ihre Beine heute Abend sicherlich dennoch sehr spüren würde.
Die beiden Frauen spürten schon bald, dass Nadav heute nicht sehr gesprächig wirkte. Manchmal hatten sie sogar das Gefühl, er sei etwas unsicher und nervös. Seine Erklärungen und Berichte über einzelne Gegenden und Plätze waren zwar sehr informativ, aber auch kurz und knapp.
„Nadav, wolltest du nicht eigentlich noch jemand anderen mitbringen?“, fragte Rut ihn.
„Ja, doch. Das war der Plan.“ Es war nun nicht mehr zu übersehen, dass Nadav sehr angespannt war. „Und ich hoffe, dass er auch bald noch dazu stößt.“ In diesem Augenblick wurde er langsamer und schaute seine drei Begleiter abwechselnd und eindringlich an. „Hört zu! Der Weg, den wir heute gehen, ist nicht ganz ungefährlich. Es ist wichtig, dass wir zusammen bleiben und ich möchte euch bitten, dass ihr auf meine Ratschläge in entsprechenden Situationen hört. Schon bald werden wir zu einigen Weggabelungen kommen und es ist wirklich sehr wichtig, dass wir dort die richtigen Abzweigungen nehmen und uns nicht lange in diesen Gebieten aufhalten.“ Nadav seufzte. „Ich hoffe, unsere Begleitung stößt bald zu uns.“
Mirjam kombinierte, dass die Person, die noch dazu stoßen sollte, kein Neuling sein könne. Nadav war unsicher und er würde sich anscheinend sicherer fühlen, wenn dieser jemand dabei wäre.
Die ganze Sache gewinnt ja schon jetzt Abenteuer-Charakter, dachte sich Mirjam. Und das spornte sie nur noch mehr an. Sie liebte solche spannenden Angelegenheiten.
Doch die Wanderung verlief zunächst relativ ereignislos. Sie liefen an Feldern entlang, über Hügel und durch kleinere Wäldchen. Sie genossen die Natur, das Zwitschern der Vögel und das herrliche Wetter.
Nadav war weiterhin angespannt. Immer wieder sah er sich um, hielt, wenn es die Möglichkeit dazu ergab, Ausschau und blickte immer wieder auf seine Karte. „Unser Ziel ist es, heute bis zum Torah-Berg zu kommen. Nicht bis zum höchsten Punkt, aber auf eine der ersten Anhöhen. Doch bis dahin ist es noch ein Stück und schon bald kommen wir an die Weggebelungen.“
„Was ist denn der Torah-Berg?“, fragte Rut. „Gibt es dort wieder eine Art Pavillon?“
„Der Torah-Berg ist ein absoluter Meilenstein auf unserem Weg.“, erklärte Nadav. „Er wird eure Sicht auf dieses Land absolut revolutionieren. Die Aussicht von ganz oben ist wunderschön. Der Weg dorthin ist aber nicht einfach. Vor allem wenn man auf sich allein gestellt ist. Leider sind nur wenige bereit, diesen Weg auf sich zu nehmen. Selbst dann, wenn ihnen Hilfe angeboten wird. Dabei profitiert man so sehr davon. Ihr werdet schon sehen…“
„Seht!“ Nadav unterbrach seine eigenen Ausführungen und zeigte nach vorne. „Dort vorne kommen wir zur ersten Gabelung. Wir müssen den rechten Weg nehmen. Vielleicht gehen wir sogar noch etwas schneller. Und wenn ihr noch ein Tipp haben möchtet, dann achtet nicht auf die ganzen Plakate am Wegrand. Selbst wenn sie verlockend sein sollten.“
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie die Abzweigung erreichten. Doch der Rat Nadavs hatte auf die drei Mitreisenden keinen Effekt. Im Gegenteil. Verbote machen Dinge noch interessanter. Und so konnte auch Mirjam nicht davon lassen, die riesigen Werbetafeln zu lesen. „Die Torah ist erfüllt. Lebe in Freiheit!“ stand in leuchtender Schrift auf einer der ersten. Dann „Bist du noch unter dem Gesetz?“. Nur kurz danach „Nimm die 10, der Rest kann gehn!“.
Die Plakate waren bunt verziert und man konnte gar nicht umhin, sie nicht zu beachten. Das Ziel der Plakate war offensichtlich. Sie wollten das Interesse der vorbeilaufenden Wanderer erwecken, um damit verschiede Wegabzweigungen anzupreisen. Dazu waren zusätzlich zu den auffälligen Schriften auch Pfeile auf den Plakaten.
Anfangs konnte Mirjam die Plakataufschriften noch einordnen. Doch als sie an den ersten drei Gabelungen vorbei waren, blickte sie auf Werbebanner, die sie irritierten.
„Was sagt dir dein Herz? Pick and choose now.“, „Die geteilte Torah – was wählst du?“ und „König oder Levit – Leben oder Last!“ prangerten in großen Buchstaben nach und nach vor ihr auf.
Boas, Mirjam und Rut folgten schweigend Nadav, der abwechselnd seine Karte studierte und die anderen zum Weitergehen mahnte. Mirjam fiel dabei auf, dass sie dabei stets den Weg wählten, der nicht mit Werbetafeln angepriesen wurde. Auch wenn er manchmal nur schwer zu sehen war, war es also im Grunde genommen nicht sehr schwierig, den richtigen Weg auszuwählen. Doch Nadav schaute trotzdem regelmäßig und sehr sorgfältig auf seine Wanderkarte.
Bei der sechsten oder siebten Weggabelung blieb Nadav plötzlich stehen. Er zögerte. Mirjam bemerkte, dass es dieses Mal keine Werbung am Wegrand gab.
„Das gibt es doch nicht! Genau das habe ich befürchtet!“
„Was ist los, Nadav?“, wollte Rut wissen. „Kannst du nicht auf der Karte sehen, welchen Weg wir gehen müssen?“
„Bisher war das kein Problem.“, antwortete Nadav. „Doch das Schlimme ist hier in diesem Gebiet, dass ständig neue Wege hinzukommen. Sie sprießen praktisch aus dem Boden. Und diese Weggabelung hier ist neu. Als ich das letzte Mal hier war, gab es sie noch nicht.“
„Und die Karte? Kannst du dort erkennen, wohin wir müssen? Wie alt ist sie denn?“, wollte Mirjam wissen.
„Oh, wisst ihr nicht, wie die Karten hier im Land funktionieren?“, antwortete Nadav. „Verzeihung, woher solltet ihr das wissen. Die Landkarten wirken nach Erfahrung. Sie zeigen nur die Gegenden, in denen man bisher selbst war. Schaut her. Ihr werdet normalerweise den Torah-Berg nicht darauf sehen können, oder?“
Die beiden Frauen standen nun jeweils neben Nadav und blickten mit ihm in die Karte hinein. Sie verneinten. Sie erkannten vieles, aber eben nur die Gegenden, in denen sie bisher selbst waren – die große Straße, die verborgene Tür, Aarons Café, das Dorf und das Pavillon. Aber das meiste andere war nebulös und verschwommen.
„Hier!“, Nadav zeigte auf ein solches nebulöses Gebiet östlich vom Pavillon. Dort kann ich den Torah-Berg sehen. Darunter liegen die vielen Wege mit ihren Weggabelungen. Doch wenn ich nichts übersehen habe, stehen wir nun an einem Punkt, an dem ich mir nicht sicher bin, wo es nun weitergeht. Vom Gefühl her würde ich sagen, wir müssen nach links. Aber ich bin mir nicht sicher. Wo… Wo ist eigentlich Boas…?“
Die drei erschraken. Keiner hatte auf ihn geachtet.
„Auch das noch! Warum bleibt er nicht bei uns?!“ Nadav schüttelte den Kopf. „Gerade diese neuen Wege können sehr gefährlich sein.“
Die drei suchten mit ihren Blicken die Gegend ab. Doch sowohl der linke als auch der rechte Weg waren nur wenige Meter einsichtig.
„OK! Uns bleibt nichts anderes übrig…“, Nadav wirkte extrem angespannt, aber die Frauen spürten, dass er Herr der Lage war und einen klaren Verstand behielt. „Wir müssen ihn finden. Ich gehe den linken Weg, ihr beiden geht auf dem rechten. Achtet darauf, dass ihr zusammenbleibt und nur kurz schaut. Kommt schnell wieder zurück. In drei Minuten treffen wir uns wieder hier. Und…“ Nadav machte eine Pause und sah sie eindringlich an. „Fangt mit niemandem ein Gespräch an! In Ordnung?“
Die beiden Frauen bejahten dies und gingen aufgeregt den rechten Weg entlang. Es dauerte nicht lange bis Rut aufhorchte. „Hast du das gehört? Stimmen! Da müssen Menschen sein. Vielleicht ist auch Boas dort… Eigentlich müssten wir die Leute gleich sehen.“
Und so war es auch. Hinter der nächsten Biegung sahen sie eine Gruppe, die zusammenstand und einem Mann zuhörte, der in ihrer Mitte auf einer Kiste stand. „Hört auf meine Worte! Ich werde euch zeigen, wie man den Schabbat richtig hält und vor allem wann!“, dröhnte es aus seiner tiefen Stimme.
Die Frauen suchten mit ihren Augen die Gruppe ab. „Da!“, rief Mirjam. „Dort hinten ist Boas!“ Sie liefen ein wenig um die Gruppe herum, damit Boas sie hören konnte. „Boas! Boas!“, Mirjam rief mit gedämpfter Stimme aber eindringlich in seine Richtung, während Rut ihren Arm hielt. „Was ist los, Boas? Komm zurück. Wir müssen weiter. Nadav wartet.“
Boas sah nur kurz in die Richtung der Frauen, dann blickte er zurück zu dem Mann mit der tiefen Stimme und widmete ihm seine Aufmerksamkeit.
Mirjam rief erneut.
Boas reagierte zunächst nicht. Doch nachdem er merkte, dass die beiden Frauen nicht locker ließen, antwortete er endlich: „Ihr solltet hier unbedingt zuhören. Der Mann hat sehr viel zu sagen! Endlich mal jemand, der wirklich Ahnung hat!“
„Es geht um euer Leben. Passt auf, dass ihr eure Seele nicht verwirkt.“ Der Mann sprach weiterhin eindringlich auf die Gruppe ein. „Der Schabbat ist das wichtigste Gebot und wenn wir ihn am falschen Tag feiern, ist alles umsonst!“
Mirjam wurde nun ein wenig schwindelig. Von was redet dieser Mann? Schabbat? Seele verwirken? Rut zerrte immer stärker an Mirjams Arm. „Komm, Mirjam. Es hat keinen Zweck. Ich glaub nicht, dass wir ihn überzeugen können.“
„Aber… Wir müssen doch was tun!“ Mirjams Gedanken drehten sich im Kreis. Sie schaute nochmals auf Boas, dann zu dem Mann, der ununterbrochen auf die Menschen einredete. „Schaut euch diese Schriftstellen an! Es kann deutlicher nicht sein!“
Doch plötzlich änderte sich etwas Entscheidendes. Der Redner sah die beiden Frauen an, die weiterhin abseits standen, und richtete sich nun an sie. „Ihr beiden da! Passt auf, dass euer Schabbat nicht von der Sonne bestimmt wird. Das sind heidnische Einflüsse. Folgt unserer Gruppe und schließt euch uns an!“
Mirjam wurde mulmig zumute. Sie spürte, wie immer mehr Augenpaare sie anstarrten.
„Ich muss euch warnen! Ihr seid einem falschen Weg gefolgt. Ändert es JETZT!“
Rut hatte noch immer Mirjams Arm gefasst und so bewegten sie sich langsam rückwärtsgehend von der Gruppe weg.
Jetzt veränderte sich allerdings die Stimmung der Gruppe. Sie merkten, dass sich die Frauen nicht der Gruppe anschließen wollen. Und das machte die Leute nun sogar wütend. „Ihr brüskiert öffentlich unseren Leiter und wollt nicht auf ihn hören…!?“ erklang eine Stimme aus der Gruppe.
Das war für die beiden Frauen das Zeichen, nun endgültig von diesem Ort zu verschwinden. Sie sahen noch, wie sich einige Männer auf die Frauen zubewegten. Dann drehten sie sich um und liefen so schnell sie konnten den Weg zurück, auf dem sie gekommen waren.
Mirjam hörte, wie sie von den Männern verfolgt wurden. „Bleibt gefälligst hier! Wie könnt ihr es wagen…!?“
Mirjam bekam Angst. Wo war nur Nadav?
Plötzlich sah sie, wie ein Stein an ihr vorbeiflog. Die beiden Frauen waren fassungslos. Mirjam hörte Rut rufen. „Das gibt es doch nicht! Sind die jetzt total verrückt?“
Sie sahen nun die Weggabelung, an der sie sich von Nadav getrennt hatten. Nadav war dort und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf die sich vor ihm abspielende Szenerie. Er reagierte blitzschnell. „Schnell! Hier lang!“ Er wies sie auf den Weg, den Nadav ursprünglich erkunden sollte.
Die drei rannten so schnell sie konnten. Doch Mirjam hörte weiterhin Schritte hinter ihnen. Es war nicht bei einem Stein geblieben, der an ihnen vorbei flog. Und dann spürte sie, wie ein Schmerz ihre Schulter durchzog… „Ahhh!“
Ein starker Schmerz durchfuhr ihren Oberkörper, so dass sie anfing zu taumeln. Sie stolperte und fiel dann zu Boden. Mirjam wollte sich wieder aufrappeln, doch ihre Grenzen waren überschritten. Sie war völlig fertig. Die heftigen Schmerzen, dazu das Rennen und die feindseligen Menschen.
Erneut versuchte sie, all ihre Kraft zusammenzunehmen und wieder aufzustehen.
In diesem Augenblick hörte sie, wie eine kräftige Stimme dröhnte. „WAS SOLL DAS? HABT IHR NICHTS BESSERES ZU TUN!? VERSCHWINDET HIER…!!!“
Für Mirjam verblasste die Außenwelt. Sie schloss ihre Augen und achtete nur nebenbei auf das, was um sie herum geschah. Zu sehr versuchte sie klar zu bekommen, was eben passiert war. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Sie war schockiert und hatte keine Kraft, irgendetwas zu unternehmen.
„Was ist passiert? Und wer waren diese Männer?“
„Wir… wir wollten doch nur. Boas. Er war bei dieser Gruppe.“
„Egal. Das könnt ihr später erzählen. Auf! Wir verschwinden!!“
„Gott sei Dank, dass du gerade jetzt gekommen bist…“
Mirjam merkte, wie sie kräftige Hände hochnahmen und sie stützen.
„Auf geht´s. Ich kann dich einige Minuten tragen. Gleich musst du versuchen, selbst zu gehen. Aber ich werde dich so viel stützen wie es geht. Es ist nicht weit!“
Mirjam wehrte sich nicht. Nach einigen hundert Metern lief sie neben ihrem Begleiter, der ihren Arm um seine Schulter gelegt hatte. Während der ganzen Zeit hatte sie ihre Augen geschlossen. Sie fühlte sich so schwach.
„Wir sind da. Klopft an der Tür.“
Nach wenigen Augenblicken wurde eine Tür geöffnet.
„Ah, da seid ihr ja… Was,… was ist passiert.“
„Gleich. Hast du eine Couch, auf die sich Mirjam legen kann?“
„Aber ja, natürlich. Kommt schnell…“
Mirjam wurde auf eine warme, weiche Couch gelegt. Noch immer schmerzte ihr Oberkörper, so dass sie ihr Gesicht zusammenkniff. Sie merkte, wie sich Rut zu ihr setzte und die Hand auf ihre Stirn legte.
„Wurde sie angegriffen?“
„Ein Stein hat sie getroffen.“
„Ich hole etwas zu kühlen und Wasser. Ein Moment…“
Mirjam öffnete nun langsam ihre Augen. Neben ihr auf dem Boden saß Rut und war zu ihr gebeugt. Am Couchende standen zwei Männer und schauten sie mitfühlend an. Sie erkannte nicht nur Nadav. Auch den anderen hatte sie schon einmal gesehen.
Es war Ephraim.
…
Schon bald erscheint Teil 6. Und dann mehr über Ephraim…
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Jolanta
22. Februar 2017 @ 21:40
Schalom. Es ist so faszinierend und spannend mit euch durch den weg zu gehen. Bin ich neugierig was kommt weiter ☺
Mariusz86
25. Februar 2017 @ 23:26
Shalom,
sehr spannend.
Freue mich auf den nächsten Teil
Shalom und Segen im Herrn,
Grüße
Mariusz
Eliana Tamar
1. März 2017 @ 15:59
Das bedeutet wenn wir nicht 100 in der Tora verwurzelt sind, damit meine ich auch die Propheten
und die restl. Schriften der Bibel (Könige, Chronik usw.) und gemäß Psalm 1 darüber nachsinnen
und beständig forschen und lesen, dann können wir leicht mit irgendwelchen Lehren verführt
werden ? Das heißt wir müssen Sein Wort regelrecht essen und durchkauen. Wir müssen genau
Bescheid wissen und nichts darf aus dem Zusammenhang gerissen werden, sondern man muss
den ganzen Kontext erschließen.
Noch eine Frage bezüglich Prophetie: In den Schriften heißt es : 1. einen Propheten wie Mosche
wird der Ewige seinem Volk geben, d.h. er muss die Tora lehren und leben.
2. Es muss eintreffen, sonst war es nicht von Ihm.
3. Wenn es aber eintrifft und der Prophet will zum Götzendienst verführen, dann hat der Ewige ihn
benutzt um uns zu prüfen ob wir in seiner Tora wandeln oder nicht.
Ich höre nun von Christen, die mit strahlenden Augen berichten, wie der Herr sie segnet und sie haben Weissagungen und Heilungen, die angeblich éintreffen, sie halten aber keinen Schabbat
und sind auch sonst nicht so mit der Tora unterwegs.
Ich habe keine Prophetien oder höre Ihn auch nicht reden, oder habe Bilder, aber ich versuche
umzusetzen was ich lese, wobei vieles im Moment nicht möglich ist, z. B.gibt es keine Mikwe,
keinen koscheren Laden hier, ich kann es nur so einigermaßen umsetzen.
Aber es gibt viele Probleme hier und ich fühle mich nicht so sehr gesegnet wie die Chrísten.
Issachar
3. März 2017 @ 10:50
Hallo Eliana,
ein schönes Beispiel für das Wirken von Propheten vs. Gehorsam ist in 1. Kön 13 beschrieben…
Klar, auch “Christen” sind gesegnet und erleben Heilungen.
Jedoch bin ich sicher, dass ER sie – wie uns alle, die wir SEINE Schrift noch nicht komplett verstoffwechselt haben – zur rechten Zeit auf SEIN Wort hinführt.
Und… Gesegnet sein sehe ich als eine Realität – kein Gefühl. 🙂
Hosea Ben Zion
5. März 2017 @ 11:42
Meiner Meinung nach sind Zeichen und Wunder alles andere als Garantien darauf, dass der Versacher Wahres lehrt. Im Gegenteil, die Torah warnt uns explizit davor und fordert uns auf, solche Menschen besonders zu prüfen:
5.Mo 13,1 Das ganze Wort, das ich euch gebiete, das sollt ihr bewahren, um es zu tun; du sollst nichts zu ihm hinzufügen und nichts von ihm wegnehmen!
2 Wenn in deiner Mitte ein Prophet oder Träumer aufstehen wird und dir ein Zeichen oder Wunder angibt,
3 und das Zeichen oder Wunder trifft ein, von dem er zu dir geredet hat, und er spricht [nun]: »Laßt uns anderen Göttern nachfolgen — die du nicht gekannt hast —, und laßt uns ihnen dienen!«,
4 so sollst du den Worten eines solchen Propheten oder eines solchen Träumers nicht gehorchen; denn der Herr, euer Gott, prüft euch, um zu erfahren, ob ihr den Herrn, euren Gott, wirklich von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebt.
5 Dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr nachfolgen und ihn fürchten und seine Gebote halten und seiner Stimme gehorchen und ihm dienen und ihm anhängen.
6 Ein solcher Prophet aber oder ein solcher Träumer soll getötet werden, weil er Abfall gelehrt hat von dem Herrn, eurem Gott, der euch aus dem Land Ägypten geführt hat und dich aus dem Haus der Knechtschaft erlöst hat; er hat dich abbringen wollen von dem Weg, auf dem zu gehen der Herr, dein Gott, dir geboten hat. So sollst du das Böse aus deiner Mitte ausrotten!
Reichen Segen,
Hosea
Eliana Tamar
3. März 2017 @ 17:24
Schalom Issachar
Das ist in der Tat eine krasse Geschichte, wenn dann der Prophet denkt, dass der Ewige – gepriesen
sei Sein Name – nun seine Anordnung durch einen anderen Propheten verändert. Sehr krass und
erschreckend, besonders die Folgen.
Gertraud Dautel
11. März 2017 @ 12:12
ich denke, dass mit dem “anderen Propheten wie Mosche” JAHUSCHUA gemeint ist! ER wird uns mit sicherheits nichts Falsches lehren! sondern ER spricht:” Es ist gut für e euch den RUACH ha uch, wenn ich jetzt gehe, dann wird der VATER euch den RUACH HA KODESCH schicken, und er wird euch in alle Wahrheit führen, denn er spricht von mir”
Das heißt für mich auf IHN zu vertrauen, alles von IHM zu erwarten, SEINE Worte – auc h “Alte Bund” weiter zugeben in SEINER Spur zu laufen,
IHM gehorsam zu sein, IHN von ganzem Herzen zu lieben und auch alles zu prüfen!
Schalom euch allen!
Gertraud