Jom Kippur – Der Hochzeitstag
Sie war nervös, kaute auf ihren Nägeln und wagte es kaum ihr Haupt zu heben. Nach so langer Zeit sollte sie nun endlich ihrem Bräutigam begegnen. Doch sie wusste um die Gerüchte, die über sie verbreitet wurden. Und sie wusste, dass einige dieser Gerüchte tatsächlich wahr waren.
Sie schämte sich für die Dinge, die ihr zur Last gelegt wurden, doch sie liebte ihren zukünftigen Mann. Sie wollte ihn nicht verlieren. Doch wenn er hören würde, was in der Zeit seiner Abwesenheit passiert war, würde er sie noch wollen?
Dabei hätte kein Geschichtenschreiber sich ihre Verlobung besser ausdenken können.
Sie wuchs bei Pflegeeltern auf. Ihre leiblichen Eltern lernte sie nie kennen, auch erfuhr sie nie den Umstand, warum sie nicht von ihren Eltern groß gezogen wurde. Sie akzeptierte es, weil sie es auch nicht anders kannte. Alle Fragen über ihre wahre Herkunft und Identität drückte sie weg. Sie hatte auch keine Zeit oder Gelegenheit darüber nachzudenken. Ihr Pflegevater war sehr streng und jähzornig. Er führte ein großes Familienunternehmen, in dem Sie einen Platz haben sollte – als seine Angestellte.
Sie musste hart arbeiten, oft auch Tag und Nacht, um die Erwartungen ihres Vaters erfüllen zu können. Doch es war nie genug. Sie konnte es ihm nicht recht machen und wurde bestraft, wenn sie ihr Arbeitspensum nicht schaffte. An manchen Tagen war sie war sie einfach verzweifelt und weinte sich in den Schlaf.
Ihr Bräutigam war ein regelmäßiger Besucher in der Firma ihres Vaters. Er schien nie etwas zu kaufen, aber er tauchte immer wieder dort auf. Als sie sich das erste Mal begegneten und sich ihre Blicke trafen, sah sie das Mitgefühl in seinen Augen. Doch sie konnte seinem Blick nicht standhalten und schaute schüchtern zu Boden.
Im Laufe der Zeit versuchte er immer wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen. Es begann sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen beiden zu entwickeln. Als er ihr seine Liebe bekannte und ihr vorschlug mit ihrem Vater zu sprechen, um um ihre Hand anzuhalten, erschrak sie. Er würde das nie erlauben. Er würde sie nie frei geben. Doch er sagte nur: „Er wird mein Angebot nicht ablehnen können.“
Sie erfuhr nie, welches Angebot ihr Bräutigam ihrem Vater machte. Sie wusste nur, dass es ihn viel kostete. Doch ihr Vater willigte ein.
So verlobten sie sich miteinander. Die Angebote und Bedingungen im Ehevertrag – der Ketuba – waren recht einfach gehalten.
Sie sollte nie mehr für ihren Vater schufften müssen, sondern im Hause ihres zukünftigen Mannes, der sie sehr liebte einen Ehrenplatz erhalten. Sie würde mit ihm gemeinsam sein Unternehmen führen. Sie wäre damit nicht nur seine Frau sondern auch Teilchefin seiner Firma.
Doch im Gegenzug erwartete er von ihr, dass sie sich nicht mit anderen Männern einlassen würde, noch irgendwelche Bilder oder andere Erinnerungen an sie haben sollte. Es war ihm wichtig, dass sie seinen schon ewig festgesetzten Ruhetag gemeinsam halten würden und sie ihn ehren würde. Außerdem sollte sie nicht stehlen, nicht morden, nicht lügen oder Dinge begehren, die anderen gehörten.
Er verabschiedete sich von ihr mit den Worten: „Ich werde gehen und mein Haus für Deine Ankunft vorzubereiten. Bereite du dich auf mein Haus vor, indem du die Regeln der Ketuba lernst und übst. Dein Vater kennt die Bedingungen. Er darf dich nicht davon abhalten, das haben wir vereinbart. Merke dir das! Wenn wir uns wieder sehen, dann ist Hochzeit und wir werden für immer zusammen sein.“
Als sie an die Zeit, die seither vergangen war zurückdachte, fing sie an zu weinen. Tatsächlich hatten sie sich seit der Verlobung nicht wieder gesehen Sie lebte weiterhin im Haus ihres Vaters, wobei dieser sich jetzt anders verhielt. Er brachte ihr etwas mehr Respekt entgegen und reduzierte ihr Arbeitspensum. Es war nicht so, dass sie das Gefühl hatte, dass ihr Vater sie wirklich lieben würde, aber sie hatte den Eindruck, dass das Angebot ihres Bräutigams dabei eine Rolle spielte.
Mit ihrem Bräutigam hatte sie weiterhin Briefkontakt. Sie schrieben sich regelmäßig. Er war sehr interessiert an ihrem Leben und was sie erlebte. Doch sie konnte ihm unmöglich alles erzählen. Zu sehr schämte sie sich für ihre Vergehen.
Sie kannte gar nicht mehr die Namen all der Männer mit denen sie geflirtet und Handynummern ausgetauscht hatte. Mit einigen hatte sie sogar geschlafen, nur um irgendjemandem nah sein zu können. Sie vermisste die Zuneigung ihres Bräutigams und versuchte sich durch andere Männer zu trösten. Doch es war natürlich nicht das Selbe.
Ihr Vater hielt sie immer wieder an, auch am Ruhetag des Bräutigams zu arbeiten. Sie tat es, obwohl sie wusste, dass ihr Bräutigam sie davon frei gekauft hatte. Sie fürchtete sich vor ihrem Vater. Viele andere Dinge tat sie, auch weil ihr Vater sie immer wieder anhielt, seine krummen Geschäfte mitzutragen. Sie log, sie stahl, sie betrog und übertrat Grenzen, die ihr der Bräutigam deutlich gesetzt hatte.
Nun war es so weit. Er hatte sich angekündigt und sie erwartete ihn. Doch sie wusste, dass sie ins Gerede kam und der Bräutigam ihre Vergehen bereits kannte. Es tat ihr leid und sie hätte gern rückgängig gemacht, was sie getan hatte. Doch sie konnte es nicht.
Als er nun vor vor ihr stand, konnte sie nicht länger an sich halten. Sie verlor den Boden unter ihren Füßen, fiel auf die Knie und bat ihn inständig um Vergebung.
Er sah sie. Das Mitgefühl der ersten Begegnung war immer noch in seinen Augen. Er kam zu ihr, ging auf seine Knie und sprach: „Fürchte Dich nicht. Ich weiß von allen Übertretungen unseres Vertrages. Mir war klar, dass es Dir nicht leicht fallen würde, all die Bedingungen zu erfüllen. Mir war auch klar, dass Du immer wieder fehlen würdest. Doch ich sehe, dass Du all Deine vergehen bereust und Du ernstlich versucht hast, zu widerstehen. Ich liebe Dich. Und ich sehen, dass Dein Herz sich nach mir ausstreckt. Ich vergebe Dir und befreie Dich von aller Schuld gegen mich. Lass uns neu anfangen – als Mann und Frau!“
Sie blickte auf und konnte es kaum begreifen. Nach all dem, was sie getan hatte, hielt er immer noch zu ihr. Er hielt ihr nicht ihre Schuld vor. Er sah ihr Herz, welches sich für all diese Vergehen schämte. Er sah ihre Entscheidung, mit ihm zusammen sein zu wollen. Und er sah ihr ernstliches Bemühen und ihre Entschlossenheit, die Bedingungen des Ehevertrages zu erfüllen.
Er hielt sein Versprechen und nahm sie zur Frau.
So wie der Bräutigam dieser Geschichte die Vergehen seiner Braut ihr nicht mehr anrechnete, so wird Jeschua im Zuge seiner Rückkehr die Vergehen seiner reuigen und bußferigen Braut – Israel – vergeben und sie zur Ehefrau nehmen.
Möge euer Jom Kippur von intimen reinigenden Momenten mit Jeschua geprägt sein!
Bildquelle: https://pixabay.com/de/hochzeit-braut-br%C3%A4utigam-frau-mann-2616652/
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