Ruth verführt Boaz?
Schauwout
An Schawuot wird in den jüdischen Gemeinden das Buch Ruth gelesen. Warum wird es wohl an Schawuot gelesen? Eine Antwort könnte sein, die Geschichte spielt während der Gerstenernte. Aber gibt es vielleicht noch einen tieferen Sinn? Eine noch andere Antwort?
Die Geschichte zwischen Ruth und Boaz ist eine besondere Geschichte, aus deren Ehe Obed, der Großvater des König Davids, hervorgeht. Und Obed zeugte Isai; Isai zeugte David. (Rut 4,22).
Ruth war eine tüchtige und hingegebene Frau, die Noomi zurück nach Bethlehem begleitete, als Noomis Mann Elimelech und ihre beiden Söhne Machlon (Krankheit) und Kiljon (Hinfälligkeit) gestorben waren. Sie verließ ihr Zuhause, ihr Land und ihren Gott, um Noomi zu folgen.
In Bethlehem las sie Ähren auf für Noomi und sich auf einem Feld, das Boaz gehörte. Und eines Tages nachdem die Ernte eingebracht worden war, ging sie des Nachts zu Boaz und legte sich zu seinen Füßen. Wie kommt eine tugendsame Frau dazu, diesen Schritt der Verführung zu wagen?
Wo hat diese Geschichte ihre Wurzeln?
Ruth war eine Moabiterin und stammte aus dem Stamm Moab. Und wer war Moab? Moab ist der Sohn Lots, den er mit seiner älteren Tochter zeugte. (1. Mose 19,37) So sind die Moabiter durch Abrahams Neffen Lot mit Israel verbunden.
Die Torah erzählt uns, wie Lot und seine beiden Töchter vor der Zerstörung aus Sodom und Gomorra fliehen. Total erschöpft kommen sie in eine Höhle in den Bergen und leben dann dort. Die Töchter glauben, dass nicht nur Sodom und Gomorra zerstört worden waren, sondern die ganze Menschheit umgekommen war. Sie waren kinderlos und sahen keine Möglichkeit mehr, Nachwuchs zu bekommen. So kam nach ihrer Meinung nur noch der übrig gebliebene Vater, Lot, in Frage. Sie machten ihn betrunken und verführten ihn.
Lot war den beiden Engeln gegenüber, die nach Sodom kamen, sehr freundlich und gastfreundlich. Aber im Innenverhältnis war er es nicht. Die Freundlichkeit von ihm war sozusagen gebrochen, sein Verhalten war im äußeren Kreis anders als im inneren. Als der Mob in Sodom Lot bestürmte, den Besuch herauszugeben, bot er ihm seine beiden Töchter an. Dieses Verhalten seinen Töchtern gegenüber setzt sich irgendwie in der Geschichte des Inzests fort. Auch wenn er betrunken war, musste er irgendwo die Verführungsversuche seiner Töchter realisiert haben – und er ließ sie gewähren (1. Mose 19,30 ff)
Die Töchter hatten sicherlich gute Motive, da sie glaubten, dass Lot der einzig noch lebende Mann war.
Und Ruth kam eben aus dem Geschlecht der Moabiter. Wo begegnen uns die Moabiter noch? Die Töchter der Moabiter verführten die Söhne Israels, als diese in der Wüste lagerten (4. Mose 25,2).
YHWH fährt ferner fort, dass „ … und Moabiter nicht in die Gemeinde YHWHs kommen sollen, auch nicht ihre Nachkommen bis ins zehnte Glied, sie sollen nie hineinkommen, weil sie euch nicht entgegenkamen mit Brot und Wasser auf dem Wege, als ihr aus Ägypten zogt, vielmehr gegen euch den Bileam dingten, den Sohn Beors aus Petor in Mesopotamiens, dass er dich verfluchen sollte.“ (5. Mose 23,5)
Und Ruth als eine Moabiterin handelte nicht in einem luftleeren Raum, als sie sich zu Boas Füßen legte, aber sie war eingebunden in die Geschichte und das Erbe ihres Stammes. Ein erneuter Verführungsversuch – so wie es in ihrem Stamm üblich war?
Aus der Linie Moabs halten wir fest: Verführung und gebrochene Freundlichkeit!
Boaz
Den Mann, den Ruth verführen wollte, war Boaz. Und man höre und staune, Boaz ist ebenso in eine seltsame Stammesgeschichte eingebunden. Wir kommen in seiner Linie zu Juda, der aus der Verbindung mit Tamar, die ihn verführte, Zwillinge bekam, Perez und Serach. (1. Mose 38,20 u. 30) Hier haben wir wieder eine Geschichte einer Verführung vorliegen. Und in der siebten Generation nach Perez wurde Boas geboren.
Juda verheiratete seinen ältesten Sohn mit Tamar. Da er böse war, ließ YHWH ihn sterben (1. Mose 38,7). Das Gesetz von Jibbum (Schwagerehe, 5. Mose 25,5) war noch nicht gegeben, aber die Betroffenen handelten dennoch danach. Der Bruder eines kinderlosen Verstorbenen heiratete dessen Witwe. Und der erste Sohn aus dieser Ehe gilt als der Sohn seines verstorbenen Bruders. Da der nächste Sohn von Juda, Onan, nicht wollte, dass sein Sohn aus dieser Verbindung zu Tamara seinem verstorbenen Bruder zugerechnet werden würde, ließ er seinen Samen auf den Boden fallen. Und auch ihn ließ YHWH sterben. Und der dritte Sohn Schela war noch nicht alt genug. Und Juda schickte Tamara zurück in ihres Vaters Haus. Als dann die Frau von Juda verstarb und die Zeit der Trauer Judas ein Ende hatte und Juda den inzwischen erwachsen gewordenen Sohn Schela nicht Tamara gab, verführte Tamar Juda, ohne dass er sie dabei erkannte. Tamara erbat dabei von ihm ein Pfand, seinen Siegelring, seine Schnur seinen Stab (1. Mose 38,18)
Als dann Juda hörte, dass seine Schwiegertochter Hurerei betrieben haben soll und dabei schwanger geworden sei, verurteilte er sie und wollte sie verbrennen lassen. Als sie Juda dann das Pfand übergab, erkannte er es und stellte sich dazu: „Sie ist gerechter als ich; denn ich habe sie meinem Sohn Schela nicht gegeben.“ (1. Mose 38,29) Juda bekommt so seine Würde zurück durch Stab, Schnur und Siegelring.
Aus der Linie Judas halten wir fest: Verführung und Anerkennung!
Diese beiden Themen „Verführung und gebrochene Freundlichkeit“ und „Verführung und Anerkennung“ werden zu einem Thema im Buch der Ruth.
Eine Tochter Moabs, Ruth, heiratet Boaz, aus der Linie Judas.
Die Geschichte Ruths
Wie Juda anerkannt hat, dass Tamara „gerechter als er ist“, so erkennt auch Boaz an, wer Ruth ist und sagt zu ihr: „Man hat mir alles angesagt, was du getan hast an deiner Schwiegermutter nach deines Mannes Tod, dass du verlassen hast deinen Vater und deine Mutter und dein Vaterland und zu einem Volk gezogen bist, das du vorher nicht kanntest.“ (Ruth2,11) Boaz fuhr fort: „YHWH vergelte dir deine Tag und dein Lohn möge vollkommen sein bei YHWH, dem Elohim Israels, zu dem du gekommen bist, dass du unter seinen Flügeln Zuflucht hättest.“ (Vers 12) Boaz ließ seinen Worten aber keine Taten folgen.
Als Noomi Ruth vorschlug, letztendlich Boaz zu verführen, begab sich Ruth, die Moabitern, in diese Situation hinein. Hat sie ihn nun wirklich verführt?
Nein, sie gab Boaz die Freiheit der Entscheidung, sozusagen sich verführen zu lassen oder sie zu lösen. Im Moment, als Boaz sie fragte, wer sie sei, sprach sie die Wahrheit, dass sie Ruth sei. Und Boaz begriff die Situation und erkannte sie an und versprach ihr, sie zu lösen.
Ruth wuchs über die vorfahrensbedingten Verführungsversuche hinaus, respektierte Grenzen und Boaz agierte aus einem Akt der großen Freundlichkeit heraus, indem er sie löste und in Jibbum eintrat.
Jetzt kommen wir auf die eingangs gestellte Frage, warum das Buch Ruth an Schawuot gelesen wird, zurück. An Schawuot wurden die beiden Tafeln mit den zehn Worten gegeben – und worauf basieren diese? Auch auf gegenseitigem Respekt und großer Freundlichkeit den Menschen gegenüber. Und Ruth und Boaz haben überwunden und sozusagen auf dieser Grundlage gehandelt.
Und in der siebten Generation nach Perez wurde Boaz geboren und in der zehnten König David.
Emuna
- Bereitet euch auf den Krieg vor! Torahhouse- Gebetsfokus des Monats Oktober - 28. September 2023
- “Jeschuas Geburt am HÜTTENFEST (Sukkot)” / Weckruf für die Braut – Episode 171 - 28. September 2023
- Kana/Qanah und das Laubhüttenfest - 26. September 2023
Wolfgang J Baumann
12. April 2019 @ 19:38
Da kommt noch mehr zusammen:
“Salmon aber zeugte Boas von der Rahab” Matth. 1,5