#1-bereschit-am-Anfang-1.Mose1,1-6,8
#1 – Bereschit „Am Anfang“ 1. Mose 1,1 – 6,8; Lk 1-5 Psalm 33+88+89 Hiob 1-10
Wir zoomen in die Geschichte von Adam und Eva hinein und entdecken dabei ein Schlüsselwort, nämlich „nackt“, dass sich durch die Geschichte von Adam und Eva zieht.
„Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht.“ (1. Mose 2,25).
„Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“ (1. Mose 3,7) Sie essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen und werden plötzlich gewahr, dass sie nackt sind. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Und als YHWH Adam rief und ihn fragte: „Wo bist du?“ antworte Adam: „Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.“ (1. Mose 3,9-10) Die Antwort von Adam ist ungewöhnlich. YHWH hatte sie immer nackt gesehen. Adam war nicht beschämt darüber, dass er die Anweisung YHWHs, nicht von diesem Baum zu essen, nicht beachtet hat oder darüber, dass er nackt war. Sondern er fürchtete sich, weil er nackt war.
Und am Ende der Geschichte ist nackt sein wieder ein Thema: „Und YHWH Elohim machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.“ (1. Mose 3,21).
Es gibt eine weitere Stelle in der Geschichte, wo das Wort „nackt“ noch einmal vorkommt, ohne dass wir das in den Übersetzungen entdecken – nur in der hebräischen Fassung. Gibt es in der Geschichte des Sündenfalls neben Adam und Eva noch jemand, der nackt war? Ja, die Schlange. „Aber die Schlange war listiger … „Das hebräische Wort „aruwm“ für listig kommt von dem hebräischen Wort „aram“, was u. a. auch „kahl, nackt sein oder kahl, nackt machen“ bedeutet.. Und wenn man eine Schlange ansieht, ist sie insofern nackt, als dass sie keine Haare oder kein Fell hat. Die Schlange hat eine Haut, so wie wir Menschen eine Haut haben. Das Wort „hat zwei Bedeutungen: einmal „nackt“ und zum anderen „listig“. Hat denn listig sein etwas mit nackt sein zu tun? Eigentlich sind die beiden Wörter sogar gegenteilig. Wenn jemand nackt ist, sieht man offensichtlich sein nackt sein, aber wenn jemand listig ist, ist sein Verhalten eher verdeckt. Die Torah gebraucht hier dasselbe Wort für zwei gegenteilige Sichtweisen. Warum beschreibt die Torah die Schlange als einerseits nackt, aber andererseits als listig?
Die Schlange weckt das Verlangen von Eva, so dass sie plötzlich sieht, dass es von dem Baum zu essen gut wäre und dass der Apfel eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Die Schlange war nackt, weil sie Eva vermitteln konnte, was es bedeutet eine Schlange zu sein. Eine Schlange geht ihrem Verlangen nach – das gilt zwar für eine Schlange; sie ist so von Gott geschaffen, in dem von Ihm gesetzten Naturgesetzen. Aber YHWH hatte den Menschen so nicht geschaffen. Die List der Schlange bestand darin, dieses Verlangen außerhalb der von Gott gesetzten Grenzen zu wecken.
Und einen Apfel von dem Baum der Erkenntnis des zu nehmen, bedeutet, die Argumentation der Schlange zu übernehmen, d. h. die Dinge um einen herum durch die Linse des Verlangens zu beurteilen. „Was wir wollen, ist gut!“ und „Was wir nicht wollen, ist schlecht!“ – Unabhängig von der absoluten Wahrheit YHWHs. Ab diesem Zeitpunkt galt für Eva nicht mehr, dass YHWHs Maßstab der Dinge für wahr und gut war. Sie entschied selber, was sie für gut empfand. Vom Apfel dieses Baumes zu essen, war aus der Sicht YHWHs nicht gut und mit Konsequenzen verbunden, nämlich Tod, Exil, Schwierigkeiten beim Ackerbau und beim Kindergebären. Aber Eva entschied, dass der Apfel zu essen, gut war, eine Lust für die Augen und verlockend – damit verließ sie das Wertesystem YHWHs, der als Schöpfer allein weiß, was gut und böse ist, und baute ihr eigenes Wertesystem auf, im Zentrum bestimmt durch ihr Verlangen und im Mittelpunkt war nicht mehr YHWH und Seine Unterweisungen.
Evas Sichtweise über die Bäume im Garten unterschied sich im Gespräch mit der Schlange bereits von den ursprünglichen Anweisungen YHWHs. „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten“ veränderte Eva in „Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten.“ Die Fülle der Bäume, alle, veränderte sie in „von den Früchten der Bäume“ – und aus der Erlaubnis: „du darfst essen“ wurde „wir essen“. Dann sagte Eva weiter: aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Elohim gesagt: „Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet.“ (1. Mose 3,3). Welcher Baum stand denn in der Mitte des Gartens? YHWH hatte einen ganz anderen Baum in die Mitte des Gartens gepflanzt: „den Baum des Lebens mitten im Garten…“ (1. Mose 2,9) Auch hatte YHWH nicht gesagt, dass sie den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht berühren dürften, sondern sie sollten nicht davon essen. Aber in Evas Gedanken hatte der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen bereits die Mitte des Gartens eingenommen und der Baum des Lebens war nicht mehr in der Mitte.
Ohne Torah können wir in dieser gefallenen Welt gar nicht herausfinden, was wahr und falsch, was gut und böse in den Augen YHWHs ist. Unser Verlangen sagt uns, was gut und böse ist. Immer dann, wenn wir etwas für gut erklären, was YHWH nicht so angeordnet hat, leben wir nach unserem Verlangen, gespeist aus den unterschiedlichsten Quellen – auch Tradition kann eine sein. Wenn ich beispielsweise andere Feiertage und Feste halte und dadurch andere Feiertage für gut erkläre, als YHWH festgelegt hat, gehe ich meinem Verlangen nach. Nur die Anweisungen der Torah allein, im Geist YHWHs verstanden, helfen uns, YHWHs Wertesystem in uns zu etablieren. Wenn wir die Torah als nicht mehr gültig für uns erklären, welchem Wertesystem laufen wir denn dann nach? Unserem Verlagen?
Hildegard
Foto: https://pixabay.com/de/vectors/adam-biblisch-vorabend-paradies-2023246/
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