Unser Weg zum Priestertum (Teil 5) – Das Sündopfer
Im dritten Teil dieser Reihe hatten wir über die Gaben gesprochen, die für die Priester an der Stiftshütte bereit standen. Im Grunde übertrug YHWH Mose damit den Auftrag, seinem Bruder Aaron und dessen Söhnen die Hände zu füllen, damit sie zur Einweihung in ihren Priesterdienst nicht mit leeren Händen vor dem Allmächtigen erscheinen mussten.
In den folgenden Beiträgen wollen wir uns anschauen, was mit diesen Gaben geschah. Wir beginnen mit dem Jungstier, welcher als Sündopfer verbrannt werden sollte.
Der Jungstier
Wir hatten bereits gesehen, dass der Jungstier in seiner hebräischen Bedeutung für Kraft, Stärke und Macht steht. Deutlich wird diese Bedeutung, indem wir uns vor Augen führen, wozu Stiere in der antiken Welt verwendet wurden. Sie waren Zugtiere, die beispielsweise den Pflug über den Acker oder die Olivenpresse in Bewegung setzen.
Doch ein Priester des Allerhöchsten sollte sein Vertrauen nie auf seine eigene Kraft setzen. Tatsächlich wäre dies sogar Sünde für ihn (Vgl. 5. Mose 8,17). Vielmehr sollte er sein Vertrauen im Handeln Gottes verankern.
Im Kern ist der Ursprung der Sünde ja tatsächlich im Misstrauen gegenüber Gottes Wort zu finden. Ihr Ungehorsam gegenüber Gottes Weisungen führte Eva dazu, dass sie vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse aß. Sie hörte auf die Stimme der Schlange und machte sich ihre eigenen Gedanken dazu.
Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre, und dass er eine Lust für die Augen und ein begehrenswerter Baum wäre, weil er weise macht; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab davon auch ihrem Mann, der bei ihr war, und er aß.(1. Mose 3,6)
Dass Eva sich Gedanken über die Worte der Schlange machte, ist im Prinzip noch nicht die Sünde. Sie war mit widersprüchlichen Informationen konfrontiert und musste diese verarbeiten. Dass sie ihre Schlussfolgerungen jedoch nicht mit den eindeutigen Weisungen Gottes abglich, wurde ihr und ihrem Mann (welcher sich gar keine Gedanken mehr zu machen schien) schließlich zum Problem.
Was für die ersten Priester im Garten Eden galt, galt sowohl für Aaron und seine Söhne als auch für uns.
Die Opferung des Jungstieres
Der Jungstier, welcher das Vertrauen in die eigene Stärke und die eigenen Gedanken repräsentiert, sollte also zur Stiftshütte gebracht werden.
Danach sollst du den Jungstier herzubringen vor die Stiftshütte. Und Aaron und seine Söhne sollen ihre Hände auf den Kopf des Jungstieres stützen. (2. Mose 29,10)
Das Stützen der Hände auf den Kopf des Tieres symbolisiert die Identifikation mit dem Tier. Im Grunde gaben die Priester damit zum Ausdruck, dass der Jungstier ihren Platz einnahm. Was mit ihm passierte, betraf sie direkt.
Und du sollst den Jungstier schächten vor YHWH, vor dem Eingang der Stiftshütte. (2. Mose 29,11)
Mose sollte das Tier schächten. Es fällt dabei auf, dass die Sündopfer sonst von den Sündern selbst getötet werden sollten (Vgl. 3. Mose 4,27-29). Doch bei der Weihung der Priester übernahm Mose diese Aufgabe (Vgl. Ibn Ezra).
Darin sehen wir einmal mehr, dass das Priestertum tatsächlich ein Geschenk war, welches sich weder Aaron konnte, noch wir uns verdienen können. Ein Priester Gottes zu sein ist ein Angebot, welches wir Menschen nur annehmen oder ausschlagen können.
Und du sollst von dem Blut des Jungstieres nehmen und mit deinem Finger auf die Hörner des Altars tun, alles [übrige] Blut aber an den Fuß des Altars schütten. (2. Mose 29,12)
Das Blut des Stieres sollte nun an die Hörner des Brandopferaltars aufgetragen werden. Den Rest des Blutes sollte Mose an den Fuß des Altars schütten.
Im Blut steckt das Leben (Vgl. 1. Mose 9,4). Die Hörner des Altars symbolisieren Gericht und Gerechtigkeit. Wir sehen dieses Verständnis in der Tat Adonijas, als dieser sich vor dem Gericht durch Saul in Sicherheit bringen wollte. Er ergriff die Hörner des Altars, um Schutz bei dem gnädigen und gerechten Gott zu suchen.
Adonija aber fürchtete sich vor Salomo und machte sich auf, ging hin und ergriff die Hörner des Altars. (1. Könige 1,50)
Zurück zum Blut des Jungstieres: Es symbolisierte das Leben des Priesters, welches durch den Allerhöchsten gerichtet werden würde. Dass ein Großteil des Blutes an den Fuß des Altars gegossen wurde, zeigt uns, dass ein Priester sein altes Leben aufgab. Er war nicht mehr länger ein gewöhnlicher Israelit. Er war ein Priester des Allerhöchsten mit besonderen Rechten und Pflichten.
Und du sollst alles Fett nehmen, das die Eingeweide bedeckt, und das Fett über dem Leberlappen und die beiden Nieren mit dem Fett, das daran ist, und sollst es auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen. (2. Mose 29,13)
Die Eingeweide und das Fett stehen für die inneren Beweggründe und Konflikte des Priesters. Es ist bekannt, dass sich emotionale Spannungen auch auf die Organe auswirken können. Tatsächlich sind unser Geist, unsere Seele und unser Leib eng miteinander verbunden. Ist eine dieser Ebenen geschädigt, wird auch die andere leiden.
Die Sünde schädigt unseren Geist nachhaltig. Indem wir unsere inneren Beweggründe, Gedanken und Probleme zu Gott bringen, werden wir auch wieder gesund. Im Grunde geht es darum, dass wir „unsere eigene Kraft“ aufgeben und uns mit Gottes Wegen in Einklang bringen.
Das bedeutet auch, dass unser altes Leben dann vorbei ist und wir unser neues Leben nach neuen Parametern – der Torah – ausrichten. Und deshalb wurden die Überreste des Stieres auch verbrannt.
Aber Fleisch, Haut und Unrat des Jungstieres sollst du außerhalb des Lagers mit Feuer verbrennen; denn es ist ein Sündopfer. (2. Mose 29,14)
Fazit
Die Darbringung des Sündopfers symbolisierte die Entscheidung des angehenden Priesters, das Leben als Sünder hinter sich zu lassen. Zukünftig sollte er heilig für YHWH leben – mit allen Konsequenzen.
Es ist dabei interessant zu sehen, dass das Opfer nicht durch die Priester selbst dargebracht wurde, sondern durch einen Stellvertreter – Mose.
Letztlich ist es die Bestimmung eines jeden Menschen, Priester des Allerhöchsten zu sein. Die Opfer sind für jeden schon dargebracht worden, alles, was wir tun müssen, ist hervorzutreten und uns auf dieses Angebot Gottes einzulassen.
Es liegt an uns, ob wir ein Leben in Heiligkeit führen wollen. Wenn wir uns dafür entscheiden, wird uns YHWH auch von der Last der Welt – der Sünde – befreien.
Bildquelle: Pixabay.com (Bild ist bearbeitet)
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