Ehuds ungewöhnliche Tat
Manche Geschichten aus der Zeit der Richter sind schwierig einzuordnen und manchmal auch kaum zu verstehen. Die Zeit der Richter war davon geprägt, dass es keinen König gab und ein jeder tat, was recht war in seinen Augen (Vgl. Richter 17,6). Das Volk Israel zerfiel in dieser Periode der Geschichte zunehmend in einzelne voneinander unabhängige Stämme. Die Einheit des Volkes verlor sich immer deutlicher in Zwistigkeiten und Streitereien bis hin zu Feldzügen der Stämme gegeneinander. Die Harmonie und Eintracht, in der Brüder beieinander wohnen sollen (Vgl. Psalm 133), lassen die Geschehnisse der Richterzeit nur allzu oft vermissen.
Wir sehen im Buch der Richter immer wieder den Selben Zyklus:
Da taten die Kinder Israels, was böse war in den Augen YHWH’s, und sie dienten den Baalen; und sie verließen YHWH, den Gott ihrer Väter, der sie aus dem Land Ägypten herausgeführt hatte, und folgten anderen Göttern nach, von den Göttern der Völker, die um sie her wohnten, und beteten sie an und erzürnten YHWH; denn sie verließen YHWH und dienten dem Baal und den Astarten. (Richter 2,11-13)
Israel verließ die Anbetung des einzigen und wahren Gottes YHWH um den Baalen und Astarten, kurz den Göttern der Kanaaniter, die sie längst vernichtet haben sollten, zu dienen. Dies hatte folgende Reaktion:
Da entbrannte der Zorn YHWH’s über Israel, und Er gab sie in die Hand von Räubern, die sie beraubten; und Er verkaufte sie in die Hand ihrer Feinde ringsum, sodass sie vor ihren Feinden nicht mehr bestehen konnten. (Richter 2,14)
YHWH wurde zornig und verkaufte Sein Volk in die Hand seiner Feinde. Israel sollte nicht länger das Haupt, sondern der Schwanz sein (Vgl. 5. Mose 28,44). Die Fremden, die Israel zum Teil hätte ausrotten sollen, begannen sie zu dominieren und zu unterdrücken. Doch YHWH ließ Seine Kinder nicht vollkommen allein in ihrer Not. Zwar hatte Israel sich durch eigenen Ungehorsam in die Unterdrückung geführt, doch Gottes Herzensanliegen war und ist immer die Befreiung und Errettung Seiner Kinder.
Doch erweckte YHWH Richter, die sie aus den Händen derer retteten, die sie beraubten. Wenn aber YHWH ihnen Richter erweckte, so war YHWH mit dem Richter und errettete sie aus der Hand ihrer Feinde, solange der Richter lebte; denn YHWH hatte Mitleid wegen ihrer Wehklage über ihre Bedränger und Unterdrücker. (Richter 2,16.18)
Der Richter Ehud
In einem dieser Zyklen waren es die Moabiter unter dem König Eglon, die Israel bedrückten.
Und die Kinder Israels taten wieder, was böse war in den Augen YHWH’s. Da stärkte YHWH Eglon, den König der Moabiter, gegen Israel, weil sie taten, was in den Augen YHWH’s böse war. Und er sammelte um sich die Ammoniter und die Amalekiter und zog hin und schlug Israel und nahm die Palmenstadt ein. Und die Kinder Israels dienten Eglon, dem König von Moab, 18 Jahre lang. (Richter 3,12-14)
Lange 18 Jahre dienten die Kinder Israel auf Grund ihrer Rebellion gegen ihren eigentlichen König – YHWH – den Moabitern und waren ihnen tributpflichtig. Diese Herrschaft der Moabiter war so schlimm für Israel, dass das Volk wieder seines Schöpfers gedachte und zu Ihm nach Erlösung schrie.
Da schrien die Kinder Israels YHWH. Und YHWH erweckte ihnen einen Retter, Ehud, den Sohn Geras, einen Benjaminiter, der linkshändig war. Und die Kinder Israels sandten durch ihn den Tribut an Eglon, den König von Moab. (Richter 3,15)
Ehud war der von Gott eingesetzte Richter, welcher Israel in die Freiheit führen sollte. Die Linkshändigkeit Ehuds sollte dabei noch eine besondere Rolle spielen, wie wir noch sehen werden.
Ehuds Rettungstat mag für uns auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen, doch werden wir noch sehen, dass er damit Gottes Handeln widerspiegelte.
Doch der Reihe nach.
Ehud war damit betraut, Eglon den Tribut der Israeliten zu überbringen. Doch Ehud traf besondere Vorbereitungen für das Aufeinandertreffen zwischen ihm und dem heidnischen König.
Da machte sich Ehud ein zweischneidiges Schwert, eine Spanne lang, und gürtete es unter seinem Gewand an seine rechte Hüfte. (Richter 3,16)
Ehuds Linkshändigkeit kam ihm bei seinem Plan zu Gute. Die meisten Schwertträger trugen ihre Waffe wohl an der linken Hüfte, damit sie ihr Schwert mit der rechten Hand ziehen konnten. Ein Schwert an der rechten Hüfte dürfte als eher ungewöhnlich gegolten haben.
Somit war es für Ehud auch bedeutend leichter, bewaffnet zu Eglon zu treten, vermutete doch kaum jemand seine Waffe an der rechten Hüfte.
Und er überbrachte Eglon, dem König von Moab, den Tribut. Eglon aber war ein sehr fetter Mann. Als er nun die Überreichung des Tributs vollzogen hatte, ließ er die Leute gehen, die den Tribut getragen hatten; er selbst aber kehrte um bei den Götzenbildern von Gilgal und sprach zu dem König: Ich habe dir, o König, etwas Geheimes zu sagen! Er aber sprach: Schweig! Und alle, die um ihn her standen, gingen von ihm hinaus. Da kam Ehud zu ihm hinein. Er aber saß in seinem kühlen Obergemach, das für ihn allein bestimmt war. Und Ehud sprach: Ein Wort Gottes habe ich an dich! Da stand er von seinem Thron auf. (Richter 3,18-20)
Ehud überreichte Eglon den Tribut und ließ seine Männer gehe. Er selbst jedoch wendete sich noch einmal zum König um, mit dem Hinweis er hätte eine geheime nur für ihn bestimmte Botschaft von Gott für ihn. Daraufhin ließ Eglon alle Männer, die um ihn herum waren, gehen und war mit Ehud allein.
Ehud aber griff mit seiner linken Hand zu und nahm das Schwert von seiner rechten Hüfte und stieß es ihm in den Bauch, und es fuhr auch der Griff der Klinge hinein, und das Fett schloss sich um die Klinge; denn er zog das Schwert nicht aus seinem Bauch, sodass es ihm hinten hinausging. (Richter 3,21-22)
Ehud nahm sein Schwert, welches er zu Eglon hinein geschmuggelt hatte, und tötete ihn. Danach verließ er das Obergemach von Eglon und kehrte nach Hause zurück.
Und als er heimkam, blies er in ein Schopharhorn auf dem Bergland Ephraim, und die Söhne Israels zogen mit ihm vom Bergland herab, und er vor ihnen her. Und er sprach zu ihnen: Folgt mir nach, denn YHWH hat die Moabiter, eure Feinde, in eure Hand gegeben! Und sie zogen hinab, ihm nach, und besetzten die Furten des Jordan gegen Moab hin und ließen niemand hinüber; und sie schlugen die Moabiter zu jener Zeit, etwa 10 000 Mann, alles starke und tapfere Männer, sodass nicht einer entkam. (Richter 3,27-29)
Ehud war davon überzeugt, im Sinne YHWH’s zu handeln. Er führte einen Feldzug gegen Moab an, den Israel tatsächlich siegreich beenden konnte. Israel war von Moab befreit.
Doch wie ist das Attentat Ehuds auf Eglon zu bewerten?
Zunächst hat Ehud den moabitischen König getäuscht und in eine Falle gelockt. Er hat ihn getötet, als er es nicht erwartete. Würde YHWH auch so handeln?
Es ist festzuhalten, dass YHWH den Feldzug Ehuds gegen Moab begünstigte. Wir wissen nicht genau, worauf die Überzeugung Ehuds beruht, in der Gunst Gottes zu handeln. Doch können wir in der Schrift erkennen, dass auch YHWH Seinen Feinden Fallen stellt, um sie zu Fall zu bringen. Im Folgenden seien einige Bespiele genannt.
Die Ägypter am Schilfmeer
Als YHWH die Kinder Israel aus Ägypte errettete, führte Er sie bewusst einen Umweg über das Schilfmeer, um dem Pharao mit samt seiner Armee eine Falle zu stellen.
Und YHWH redete zu Mose und sprach: Sage den Kindern Israels, dass sie umkehren und sich vor Pi-Hachirot lagern, zwischen Migdol und dem Meer; gerade gegenüber von Baal-Zephon sollt ihr euch am Meer lagern! Denn der Pharao wird von den Kindern Israels sagen: Sie irren im Land umher, die Wüste hat sie eingeschlossen! Und Ich will das Herz des Pharao verstocken, dass er ihnen nachjagt, und Ich will mich am Pharao und an seiner ganzen Heeresmacht verherrlichen; und die Ägypter sollen erkennen, dass Ich YHWH bin! Und sie machten es so. (2. Mose 14,1-4)
Die Abtrünnigen der Häuser Israel und Judah
YHWH gibt sich als Schlingen- bzw. Fallensteller der Abtrünnigen Seines Volkes zu erkennen, mit dem Ziel, diese zu Fall zu bringen, sie zu zerbechen oder in Gefangenschaft zu führen.
YHWH der Heerscharen, den sollt ihr heiligen; Er sei eure Furcht und euer Schrecken! So wird Er [euch] zum Heiligtum werden; aber zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns für die beiden Häuser Israels, zum Fallstrick und zur Schlinge für die Bewohner von Jerusalem, sodass viele unter ihnen straucheln und fallen und zerbrochen, verstrickt und gefangen werden. (Jesaja 8,13-15)
Er hasst die Gottlosen und lässt in Schlingen über sie regnen
YHWH prüft den Gerechten; aber den Gottlosen und den, der Frevel liebt, hasst Seine Seele. Er lässt Schlingen regnen über die Gottlosen; Feuer, Schwefel und Glutwind ist das Teil ihres Bechers. (Psalm 11,5-6)
Der Tag YHWH’s als Schlinge
Habt aber acht auf euch selbst, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Rausch und Trunkenheit und Sorgen des Lebens, und jener Tag unversehens über euch kommt! Denn wie ein Fallstrick wird er über alle kommen, die auf dem ganzen Erdboden wohnen. (Lukas 21,34-35)
Fazit
YHWH ist ein Kriegsmann (Vgl. 2. Mose 15,3). Im Krieg ist es gelegentlich ratsam einen Hinterhalt zu stellen oder eine Falle zu legen. Wir haben gesehen, dass YHWH dieses Handeln nicht fremd ist und er Ehuds Tat damit durchaus gut geheißen haben kann.
Das Wesen einer Falle oder Schlinge ist es, dass sie erst entdeckt werden soll, wenn es zu spät, das heißt, wenn das Opfer in der Falle sitzt. Reden wir von einem militärischen Hinterhalt, ist die eigene Armee natürlich über diesen informiert, doch sollte die feindliche Armee diesen erst entdecken, wenn sie in diesem Hinterhalt gefangen ist.
Gottes Feinde sind diejenigen, die Ihn ablehnen. Es sind diejenigen, die Ihm nicht gehorsam sind. Es sind diejenigen, die in Sünde leben und nach dem Trachten des Fleisches wandeln.
Doch was hat das mit uns zu tun?
Einerseits ist es natürlich für uns wichtig, darauf zu achten, dass wir nicht zu Feinden Gottes werden, indem wir uns von Ihm abwenden, wie es unsere Vorväter so oft getan haben. Wir sollten auf unsere Wege achten. Der Weg der Gnade und Buße ist uns immer offen.
Andererseits sollten wir uns aber auch vor Augen halten, dass die Menschen um uns herum, die Gott nicht kennen und nur den Wandel nach dem Fleisch kennen, zu Seinen Feinden gehören.
…weil nämlich das Trachten des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist; denn es unterwirft sich dem Gesetz Gottes nicht, und kann es auch nicht;… (Römer 8,7)
Wenn wir uns bewusst machen, dass Menschen, die Gott ablehnen und weiter in Sünde leben, direkt in eine Schlinge laufen, aus der sie nicht mehr herauskommen werden, sollte uns das nicht umso mehr motivieren, diese Menschen zu warnen? Für ihre Errettung vor dem Vater einzustehen? Für sie zu bitten? Unser Leben für sie zu geben?
Möge YHWH uns dabei unterstützen, denn Er hat keinen Gefallen am Tod des Gottlosen (Vgl. Hesekiel 33,11).
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