Feste Feiern im Herbst – 4. Der Anfang des Jahres
Wann beginnt der Bibel nach das Jahr? Was ist der Kopf des Jahres? Und wann ist der Anfang der Monate?
Wir stehen unmittelbar vor Yom Teruah/Rosh Hashana und vielen brennt das Thema rund um den Jahresstart unter den Nägeln.
Doch die vielen Fragen scheinen das Thema nur noch komplizierter zu machen, als es ohnehin schon ist. Wie soll man da den Überblick behalten?
Dieser Artikel soll etwas Licht ins Dunkel bringen.
Gregors Erbe
Beginnt bei einem Gläubigen das Interesse für die biblischen Festtage oder allgemein für die Torah, wird relativ schnell klar, dass der gewohnte Kalender, den wir im deutschsprachigen Raum benutzen, nicht viel mit dem Kalender der Bibel zu tun hat.
Die biblischen Festtage orientieren sich an biblischen Monaten. Und diese wiederum hängen von den Mondphasen ab. Der Gregorianische (unser gewohnter) dagegen ist ein Kalender, der sich nach der Sonne richtet.
Was also tun?
Stöbert man im Internet nach dem „richtigen“ biblischen Kalender, stößt man auf zig verschiedene Ansätze und Variationen. Welcher ist tatsächlich „richtig“? Jeder scheint eine Menge Argumente zu besitzen, die dafür sprechen.
Ein Ansatz
Werfen wir als erstes einen Blick in die Torah:
Dort stoßen wir auf folgenden Vers:
2.Mo 12,2: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.
Viele lesen diesen Auftrag Moses und kratzen sich am Kopf: Wieso steht hier eindeutig etwas vom „ersten Monat des Jahres“, obwohl die Juden am 1.Tischrei (der siebte Monat im biblischen Kalender) den Jahresbeginn feiern?
Es kann darauf nur drei Antworten geben:
- Juden haben diesen Vers übersehen.
- Juden kennen diesen Vers, ignorieren ihn aber, bzw. diskutieren ihn mit Argumenten hinfort.
- Wir haben noch die ein oder andere Information übersehen.
Beachtet man, dass viele jüdische Kinder schon als Jugendlich die Torah auswendig können, können wir die erste Möglichkeit getrost streichen.
Doch wie sieht es bei den beiden anderen aus?
Das gilt es im Folgenden zu klären. Und ein Ansatz dazu ist natürlich, sich weitere Stellen in der Torah und die Begründungen von Juden anzuhören.
Genau hingeschaut und trotzdem verwirrt…
Nehmen wir uns nochmal obigen Vers vor – auch wenn es dadurch noch etwas verwirrter wird:
2.Mo 12,2: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.
Hier steht, dass der 1.Nisan (der 1.1.) der „Anfang der Monate“ [im Hebräischen rosh chodeshim] ist. Was hier nicht steht, ist, dass der 1.1. der „Anfang des Jahres“ [rosh hashana] ist.
Stopp! Heißt „der erste Monat des Jahres“ nicht deutlich, dass es auch der „Anfang des Jahres“ ist?
Es wäre nur allzu logisch.
Doch falls es auch der „Anfang des Jahres“ ist, wären folgende Verse deutliche Wiedersprüche:
2.Mo 23,14-16: Dreimal im Jahr sollst du mir ein Fest feiern. Das Fest der ungesäuerten Brote sollst du halten: sieben Tage sollst du ungesäuertes Brot essen zur bestimmten Zeit im Monat Abib, so wie ich es dir befohlen habe; denn in diesem [Monat] bist du aus Ägypten ausgezogen. Und man soll nicht mit leeren Händen vor meinem Angesicht erscheinen. Sodann das Fest der Ernte, wenn du die Erstlinge deiner Arbeit darbringst von dem, was du auf dem Feld gesät hast; und das Fest der Einbringung am Ausgang des Jahres, wenn du den Ertrag deiner Arbeit vom Feld eingebracht hast.
2.Mo 34,22: Das Wochenfest sollst du halten mit den Erstlingen der Weizenernte und das Fest der Lese, wenn das Jahr um ist.
Zweimal wird uns hier berichtet, dass im Herbst das Ende des Jahres ist – und somit auch der Beginn des Jahres!
Wie gesagt, für uns macht das keinen Sinn, weil wir es gewohnt sind, dass das Jahr auch mit der Zählung der Monate beginnt. Doch Gott hat dies anders festgelegt, vielleicht sogar explizit geändert.
Halten wir fest:
Das Jahr startet im Herbst, aber die Zählung der Monate startet im Frühjahr.
Und warum?
Die Frage, die sich sofort anschließt, ist ein großes „Warum?“.
Warum macht Gott diesen Unterschied zwischen Beginn der Monate und Beginn des Jahres?
Etwa um uns zu verwirren?
Nein, um uns zu erinnern!
Der obige Vers aus 2.Mose 12,2 über die Zählung der Monate steht im Kontext des Exodus aus Ägypten. Der erste Monat war der Monat, an dem das Volk Israel aus Ägypten auszog und damit eines der größten Wunder erleben durfte.
Gott gab diesem eine so große Priorität (zu Recht), dass er ein eigenes Torah-Gebot dazu ernannte (im Kontext von Pessach):
5.Mo 16,3: Du darfst nichts Gesäuertes dazu essen. Du sollst sieben Tage lang ungesäuertes Brot des Elends dazu essen, denn du bist in eiliger Flucht aus dem Land Ägypten gezogen; darum sollst du dein Leben lang an den Tag deines Auszugs aus dem Land Ägypten gedenken!
Wir sind aufgefordert, uns „unser Leben lang“ an den Tag des Auszugs zu erinnern. Und diese Monatszählung ist somit eine Hilfe, um sich an diesen Exodus zu erinnern.
Doch – und so zeigen es sowohl die anderen Bibelstellen als auch die jüdische Überlieferung – beginnt das Jahr (und die Zählung des Jahres) im Herbst.
Für uns ist das eine Umstellung, definitiv! Aber vielleicht ist es auch eine der weniger schwierigen im Laufe dieser Wiederherstellungsbewegung.
„Der“ oder „ein“ Jahresstart?
Spricht man einen Juden direkt auf diese Problematik an, wird dieser einem antworten, dass natürlich der 1.Nisan (1.1.) ein Jahresstart ist. Aber der 1. Tischrei (1.7.) eben auch!
Auf was bezieht er sich bei einer solchen Antwort?
Juden kennen insgesamt vier Jahresbeginne:
- 1.Nisan (Nisan ist der 1. Monat) An diesem Tag wurden Könige gekrönt und die Jahre ihrer Herrschaft gezählt.
- 1. Elul (Elul ist der 6. Monat): An diesem Tag startet das Jahr für das Verzehnten des Viehs. Der Stichtag, ab dem man dies berechnete.
- 1.Tischrei (Tischrei ist der 7. Moant): An diesem Tag wurde der Überlieferung nach der Mensch erschaffen. Auch Abraham und Jakob wurden an diesem Tag im Jahr geboren, Sarah, Rahel und Hannah wurden „bedacht“, Josef aus dem ägyptischen Gefängnis entlassen und der Sklaverei der Kinder Israel in Ägypten ein Ende gesetzt.
- 15. Schewat (Schewat ist der 11. Monat): Man nennt es das „Neujahrsfest der Bäume“. Es beschreibt den Stichtag für das Verzehnten der Ernte. Er wurde zu einem Zeitpunkt im Winter gewählt, an dem es die wenigsten Ernten im Jahr gibt und die ersten Bäume zu knospen anfangen.
Der 1.Tischrei ist also ein Tag an dem viele Dinge „neu“ entstanden sind.
Und es ist der Gerichtstag an dem auch Yeshua alles neu machen wird.
Persönliche Sicht
Ich weiß, dass diese Thematik umstritten ist und dass es viele Stimmen gibt, die anderer Meinung sind. Das ist in Ordnung und ich räume die Möglichkeit ein, dass ich mich täuschen könnte.
Doch – und das ist mir wichtig – ich verurteile sicherlich nicht die ganzen Kalender-Forschungen. Ich sage auch nicht, dass sie falsch sind. Im Tausendjährigen Reich werden wir wieder nach dem richtigen Kalender leben – oder schon vorher, falls schon dann ein offizieller Sanhedrin eingesetzt wird. Übrigens gibt es auch im Judentum viele Forschungen und aktuelle Studien zu dieser Thematik.
Allerdings gibt es ein Problem, was wir dabei beachten sollten: Die Einheit! Verschiedene Kalender teilen eine Gruppe. Viele Kreise haben diese Erfahrung leider schon machen müssen. Und wenn wir alle Argumente in die Waagschale werfen – fehlender Sanhedrin, die Beschlüsse des letzten Sanhedrins, die Führungsrolle Judas, die essentielle Wichtigkeit der Einheit, die verheißene Wiederherstellung von Juda und Ephraim, etc – dann ist meiner Meinung nach (!) die logische Schlussfolgerung, dass wir nach dem jüdischen Kalender leben sollten (soweit uns das möglich ist).
Und so habe ich kein Problem damit, in diesen Tagen nicht nur ein „Chag Sameach“ – ein freudiges Fest – sondern auch ein herzliches „Shana Tova“ – ein gutes und gesegnetes neues Jahr – zu wünschen! 🙂
PS: Weiteres über den Kalender unter Der Kalender.
- Danke und Schalom – von Hosea Ben Zion - 26. Juli 2017
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Sabine
1. Oktober 2016 @ 10:05
Danke für den guten Beitrag. Wir sind sehr im griechischen Denken verhaftet, bei dem es immer nur ein richtig oder falsch gibt (richtig ist dann meistens, was ich denke…. 🙂 ). Im hebräischen Denken betrachtet man die Dinge aus verschiedenen Sichten und da kann vieles richtig sein, mitunter oft sogar scheinbar Gegensätzliches. Z. B. ist mein Auge von mir aus gesehen rechts und von meinem Gegenüber links – beides ist richtig!
Ich glaube, wenn wir uns mehr dieser Dinge bewusst werden, finden wir auch zueinander, ergänzen und schätzen uns mehr und werden zu einem funktionierenden fruchtbaren Leib…
Schabbat Schalom und Chag Sameach!!!
Hosea
7. Oktober 2016 @ 9:19
Ja, so sehe ich das auch. Vielen Dank, Sabine.
Shabbat Shalom
Ben
1. Oktober 2016 @ 13:49
Sehr schön lieber Hosea, Amen, dem kann ich mich voll anschließen. So seh ich’s auch, danke für die zusätzlichen Argumente, das mit dem Ausgang des Jahres oder dem Ende (wörtlich: תקופה: Tequphat: Revolution: “Zurückwälzung”) des Jahres kannte ich noch nicht, ist aber ein guter biblischer Hinweis für das Ende des Jahres im Herbst.
So ungewöhnlich oder weit hergeholt ist die Idee mehrer Jahresanfänge auch bei uns nicht, so beginnt heute z.B. in meinem Betrieb das neue Geschäftsjahr. (s.a. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschäftsjahr)
Da steht auch, dass das Wirtschaftsjahr in der dt. Landwirtschaft am 1.5. od. 1.6. beginnt und früher am 11.11. – also sollte uns nicht verwundern, wenn es auch früher und in der Bibel verschiedene Anfänge gibt. Ist auch irgendwie passend, wenn Adam das Licht der Welt zur Erntezeit entdeckt hat und nicht im Winter. Und das Jahr nicht mit Kälte od. Arbeit beginnt, sondern mit Ernte, Dank u. Festen!
Anna
1. Oktober 2016 @ 13:50
2. mos.34,22
Das Wochenfest ist nicht im Herbst,also nicht am Ende des Jahres. Wahrscheinlich ist hier “das Ende der Zyklus des Weizen bis zur Ernte” gemeint.
Wenn man das Jahr prophetisch betrachtet,muss das Bibl. Jahr mit Pessach anfangen,dann ist der 7. Monat/Herbstfeste prophetisch für das 1000-Jährige Reich/Shabat nach 6 Tage arbeit/6000 Jahr Menschheitsgeschichte.
Aber es macht ja trotzdem nichts aus das die Juden am1. Tischrei Neujahr feiern.
Ben
2. Oktober 2016 @ 14:17
Schalom Anna,
was hast du für eine Übersetzung?
Bei mir steht bei 2.Mo.34:18+22f folgendes:
“18Das Fest der ungesäuerten Brote sollst du halten.
22Das Fest der Wochen sollst du halten mit den Erstlingen der Weizenernte,
und das Fest der Einsammlung, wenn das Jahr um ist.
23Dreimal im Jahr soll alles, was männlich ist, erscheinen vor dem Herrscher, dem HERRN und Gott Israels.” (LU1912)
Also hier geht es nicht nur um das Wochenfest, sondern um alle drei der Pilger- & Erntedankfeste (deutlich gemacht durch Zeilenumbruch). Das letzte eben “das Fest der Einsammlung, wenn das Jahr um ist” = Sukkot / das Laubhüttenfest.
Wörtlich steht da, bei der “Zurückdrehung” des Jahres – ein schönes Bild, denn nach Sukkot schließt sich das Fest der Torahfreude direkt an, wo die Torahrolle wirklich zurückgedreht und gleich von neuem begonnen wird zu lesen. Also nicht nur eine Ende, sondern ein Ende mit Neuanfang.
Kay Tänzer
3. Oktober 2016 @ 14:48
Schemot 12,2
> הַחֹ֧דֶשׁ הַזֶּ֛ה לָכֶ֖ם רֹ֣אשׁ חֳדָשִׁ֑ים
> Ha’CHoDeSCH HaZeH La’KeM ROSCH CHoDaSCHIM
= Der Monat dieser [sei] für euch [das] Haupt / [der] Erste [der] Monate!
> רִאשֹׁ֥ון הוּא֙ לָכֶ֔ם לְחָדְשֵׁ֖י הַשָּׁנָֽה
> REiSCHON HUE La’KeM La’CHaDSCHeY Ha’SCHaNaH
= Anfang / Vorangehender er [sei] für euch für die Monate des Jahres!
Ein Jahr hat in der Regel 12 Monate! Der erste dieser 12 Monate des Jahres soll der Anfang dieser 12 Monate des Jahres sein! Wer hier etwas anders versteht möchte etwas anderes verstehen! Hört auf Yahwehs Worte, erlaubt dem Wort selbst > Yahuschua ha’Maschiach und der Ruach ha’Qodesch die er uns gesandt hat sein Wort für uns auszulegen, nicht denen die ihn verleugnen.
In Schemot 34,22 steht nicht Ende des Jahres, sonder Wende des Jahres. Dies hat nichts damit zu tun, dass hier das Jahr zu Ende ist. Das Jahr beginnt mit dem ersten Monat und endet mit dem zwölften. Wer schon mal ein richtiges Laubhüttenfest (im siebenten Monat) gehalten hat, der weiß darüber zu berichten! Das Laubhüttenfest beendet die warme Sommerzeit, es beginnt die kühlere Winterzeit. Das ist die Wende von der hier die Rede ist. Das Jahr wendet sich, es beginnt eine andere Zeit.
Schalom