#28 Emor – „Rede!“
3. Mose 21,1-24,23
Hesekiel 44,15-31; Matthäus 26,59-66
In der jüdischen Auslegung biblischer Texte gibt es verschiedene Methoden und Prinzipien, um die verschiedenen Bedeutungsebenen eines Verses auszuleuchten. Eine dieser Prinzipien ist die Unterscheidung zwischen den beiden Ebenen Halacha und Aggada.
Halacha kommt vom hebräischen halach, was gehen oder wandeln bedeutet. Halacha bezeichnet die Ebene eines Verses, in der uns Gott mitteilt, was wir tun sollen oder wie wir vor Ihm wandeln sollen. Halacha stellt eine Aufforderung an uns.
Aggada kommt vom hebräischen nagad, was berichten oder erzählen bedeutet. In der Aggada-Ebene berichtet uns Gott, was Ihm wichtig ist. Er offenbart uns Seinen Charakter und Seine Herzensanliegen.
Grundsätzlich können wir beide Ebenen in jedem Gebot finden. Wir können aus jedem Gebot eine Aufforderung an uns ableiten und gleichzeitig offenbart YHWH uns Sein Herz und was Ihm wichtig ist. Im Grunde entspricht die Zusammenführung beider Ebenen der Aussage Jeschuas:
Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist [Aggada] und in der Wahrheit [Halacha] anbeten. (Johannes 4,24)
Hinter jedem Gebot steckt der Geist und ein Anliegen Gottes. Wenn wir diesen Geist erfassen und darin im Gebot wandeln, beten wir den Vater im Geist und in der Wahrheit an.
Als Beispiel wollen wir uns einmal ein Gebot aus unserer Wochenlesung anschauen und versuchen die Halacha- und Aggada-Ebene herauszufiltern. Wir greifen uns dafür folgende Verse heraus:
Wer nun von dem Samen Aarons, des Priesters, ein Gebrechen an sich hat, der soll nicht herzunahen, um die Feueropfer YHWH’s darzubringen; er hat ein Gebrechen; darum soll er nicht herzutreten, um das Brot seines Gottes darzubringen. Doch darf er das Brot seines Gottes essen, vom Hochheiligen und vom Heiligen. Aber zum Vorhang soll er nicht kommen, noch sich dem Altar nahen, weil er ein Gebrechen hat, damit er mein Heiligtum nicht entweiht; denn Ich, YHWH, heilige sie. (3. Mose 21,21-23)
Aaron und seinen Söhnen fiel das Priestertum in Gottes Stiftshütte und später dem Tempel zu. Sie waren Repräsentanten himmlischer Wirklichkeiten, war doch die Stiftshütte und ihr gesamter Dienst nach dem Vorbild eines himmlischen Heiligtums eingerichtet (vgl. 2. Mose 25,9). Im himmlischen Heiligtum gibt es keine Priester mit einem Gebrechen, somit sollte es im irdischen Heiligtum auch keine geben.
Für jeden Nachkommen Aarons, der mit einer Behinderung auf die Welt gekommen war oder eine erworben hatte, war also klar, dass er nicht zum Altar würde treten dürfen, um auf diesem Opfer, das Brot Gottes, darzubringen. Wohl durfte er sich aber im Heiligtum aufhalten und von den Opferanteilen essen. Er würde anderen Aufgaben nachgehen können, aber vom Opferdienst war er ausgeschlossen. Soweit die reine Halacha-Ebene.
Doch was offenbart YHWH von sich in diesem Gebot? Wie können wir Sein Herz und Seine Absichten hinter dieser Satzung erkennen? Wie deuten wir diese Verse auf der Aggada-Ebene?
Zunächst einmal scheint es YHWH sehr wichtig zu sein, dass das himmlische Bild des Heiligtums und dessen Gottesdienst auf der Erde einwandfrei übertragen wird. In jedem Opfer ist von Jeschua die Rede. In jedem Opfer steckt eine himmlische Wahrheit. Und somit sollen nicht nur die Opfer, nach dem Vorbild Jeschuas, ohne Makel sein, sondern auch die Priester.
Außerdem lässt sich erkennen, dass ein Priester mit einem Buckel, unterschiedlich langen Gliedmaßen oder einer Sehbehinderung wohl einige Mühe gehabt hätte, gegebenenfalls ausgewachsene Stiere zu schlachten. Der Priesterdienst war durchaus eine körperlich anstrengende und manchmal auch gefährliche Arbeit. Nicht jedes Tier ließ sich ganz freiwillig zur Schlachtung führen. Die Priester mussten den Herausforderungen ihrer Arbeit auch gewachsen sein. Eine körperliche Einschränkung erhöhte deutlich die Unfall- und Verletzungsgefahr.
Insofern zeigt sich in diesem Gebot auch ein Schutzgedanke Gottes gegenüber den Priestern. Keiner sollte Aufgaben über sein Vermögen hinaus verantworten müssen. Keiner sollte sich in seinem Dienst in unkalkulierbare Gefahren bringen.
Doch wir können diesen Gedanken auch noch auf eine tiefere Ebene auf uns übertragen.
Das Gebrechen oder der Makel steht bildlich auch für unseren gefallenen Zustand vor Gott. In diesem Zustand können wir Gott keine wohlgefälligen Opfer darbringen. Wir sind keine reinen Priester. Wir benötigen Heilung und Erlösung von unserer gefallenen Natur. Und diese Heilung und Erlösung kann nur von einem reinen und makellosen Priester mit einem reinen und makellosen Opfer kommen. Und beides findet in Jeschua seine Erfüllung.
So lässt uns YHWH wohl in Seinem Haus wohnen und versorgt uns durch das Brot des Lebens – Jeschua (Vgl. Johannes 6,35). Doch Sein Ziel ist es darüber hinaus, dass wir wieder in unserer vollen Berufung als Priester nach der Ordnung Melchisedeks wandeln.
Wenn Jeschua wiederkommt und alle Dinge wiederhergestellt sind, inklusive unserer Leiber, wird es kein Gebrechen innerhalb der Priesterschaft Gottes mehr geben. Jeder wird in seinem vollen Potenzial wandeln können. Kein Gebrechen und keine Sünde wird uns mehr daran hindern, den Willen des himmlischen Vaters zu tun.
Wir dürfen uns freuen, einen Vater zu haben, dem es ein großes Anliegen ist, alles in unserem Leben wiederherzustellen – unsere Gesinnung, unsere Gesundheit oder unseren Dienst als Könige und Priester vor Ihm! Das ist in Seinem Herzen und Sein Wille für unser Leben! Er hat dies nicht nur in obigem Gebot offenbart. Sein ganzes Wort spricht davon.
Hallelujah!
Bildquelle: http://www.freebibleimages.org/illustrations/moses-tabernacle/
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bracha
4. Mai 2018 @ 6:12
Danke! Hallelujah! Amen!