#08 Wajischlach – „Und er sandte”
1. Mose 32,4-36,43
Obadja 1,1-21; Matthäus 2,13-23
Als Jakob das Haus seines Onkels und Schwiegervaters Laban verließ und sich auf den Weg ins eigene Vaterhaus machte, war ihm sehr wohl bewusst, dass er dort nicht von jedem mit offenen Armen empfangen werden würde. Insbesondere Esau war immer noch wütend auf seinen jüngeren Bruder und Jakob wusste das. Er wusste, dass er in der Gegenwart Esaus in Lebensgefahr schweben würde.
Und Esau wurde dem Jakob feind wegen des Segens, womit sein Vater ihn gesegnet hatte; und Esau sprach in seinem Herzen: Die Zeit, da man um meinen Vater trauern wird, ist nicht mehr weit; dann will ich meinen Bruder Jakob umbringen. (1. Mose 27,41)
Esau hatte nicht vergessen, dass Jakob ihn zweimal mit List um sein Erstgeburtsrecht gebracht hatte und er war entschlossen, es sich zurück zu holen. Da der Segen über Jakob aber einmal ausgesprochen war, konnte Esau erst nach dessen Tod das Erbe des Erstgeborenen antreten. Und genau das war Esaus Plan.
Jakob wusste das. Er wusste, dass er in der Nähe Esaus nicht sicher war. Er wusste aber auch, dass er sich nicht für ewig vor seinem Bruder verstecken konnte. Doch Jakob hatte ein Problem. Er spürte seine Schuld und seine Verantwortung für den Streit mit seinem Bruder.
Er wusste sehr genau, dass er eine Notlage seines Bruders ausnutzte, um an das Erstgeburtsrecht Esaus zu kommen (Vgl. 1. Mose 2527-34). Und er wusste sehr genau, dass er den Segen seines Vaters auch nur durch Betrug erlangt hatte (Vgl. 1. Mose 27,35-36). Jakob fühlte sich schuldig gegenüber Esau und hatte gleichzeitig Angst, ihm zu begegnen, weil er sein Temperament kannte. Der Zwiespalt Jakobs einerseits die Beziehung zu seinem Bruder wieder in Ordnung bringen und seine Schuld ihm gegenüber begleichen zu wollen, andererseits aber um die Gefahr für sein Leben zu wissen, ließ ihm keine Ruhe.
Er versuchte Esau durch Geschenke zu besänftigen und teilte seine Familie auf, um im Falle eines Überfalls durch Esau nicht alle seine Geliebten zu verlieren. Doch letztlich verschafften ihm diese Maßnahmen keine Ruhe im Herzen. Er spürte, er brauchte Stille. Und so entschied er sich, seine Familie mitten in der Nacht aus ihrem Schlaf zu reißen und sie über den Jabbok zu führen, damit er auf der anderen Seite des Flusses allein sein konnte (Vgl. 1. Mose 32,23-24). Das Bedürfnis musste sehr stark in ihm gewesen sein.
Jakob aber blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. (1. Mose 32,25)
Mitten in der Nacht, Jakob war womöglich gerade im Gebet, tauchte ein Mann vor Jakob auf und versuchte ihn zu überwältigen.
Und als dieser sah, dass er ihn nicht bezwingen konnte, da rührte er sein Hüftgelenk an, sodass Jakobs Hüftgelenk verrenkt wurde beim Ringen mit ihm (1. Mose 32,26)
Jakob erwarb eine ernsthafte Verletzung aus dieser Begegnung. Wer war dieser Mann und warum tauchte er plötzlich auf, als Jakob allein war? Warum überfiel er nicht Jakobs Familie? Gab es dort nicht viel mehr zu rauben? Was war das Motiv dieses mysteriösen Mannes?
Die Schrift klärt uns darüber auf, wer sich hinter diesem Mann verbirgt.
Schon im Mutteschoß hielt er [Jakob] die Ferse seines Bruders, und in seiner Manneskraft kämpfte er mit Gott, er kämpfte mit dem Engel und siegte, er weinte und flehte zu ihm; in Bethel hat er ihn gefunden, und dort hat er mit uns geredet. (Hosea 12,4-5)
Es war der Engel JHWH’s – Jeschua persönlich – der Jakob in den Kampf verwickelte. Es ist gut möglich, dass Jakob eben betete, dass JHWH ihn von seiner Last befreien möge und er sich Frieden im Herzen wünsche. Die Antwort Gottes auf Jakobs Bitten war ein Ringkampf, bei dem Jakobs Hüftgelenk verletzt wurde.
Warum antwortete Gott Jakob auf diese Weise?
Ich denke, es ging Ihm um Jakobs Wandel. Nach diesem Kampf lief Jakob definitiv anders als zuvor. Er hinkte oder lahmte mindestens auf einem Bein.
Der Prophet Elia sprach einmal ähnliche Worte an das Nordreich:
Wie lange wollt ihr auf beiden Seiten hinken? Ist JHWH Gott, so folgt Ihm nach, ist es aber Baal, so folgt ihm! (1. Könige 18,21b)
Somit war die Verletzung Jakobs auch ein Spiegel seines bisherigen Wandels. Er vermochte es bis dahin nicht, ganze Sache mit Gott zu machen und für seine Schuld gerade zu stehen. Er fühlte sich schuldig und zwar zu recht. Doch schien ihm die Strafe und die Verantwortung für sein Vergehen zu hoch, als dass er sie hätte allein tragen oder übernehmen können. Kennen wir diese Geschichte nicht schon von Kain (Vgl. 1. Mose 4,13-15)?
Doch wie Kain erfuhr auch Jakob noch mehr als nur die Überführung seines Wandels. Er erlebte die Gnade Gottes.
Das hebräische Wort für Hinken oder Lahmen lautet פסח. Dieses ist das Selbe Wort, welches in unseren deutschen Bibelübersetzungen mit Passah oder Pessach wiedergegeben wird. Indem Gott Jakobs Hüftgelenk schlägt, schenkt Er ihm eine Pessacherfahrung.
Doch was heißt das? Wofür steht Pessach?
Es ist das Pessach-Opfer JHWH’s, der an den Häusern der Kinder Israels verschonende vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete! – Da neigte sich das Volk und betete an. (2. Mose 12,27)
Pessach steht für die übernatürliche Errettung Israels vor ihren Feinden. Gott beschützt und errettet die, welche sich in einem Bündnis mit ihm befinden. Doch die Art und Weise der Errettung bestimmt Er.
JHWH zeigte dem Jakob am Jabbok, dass er sich nicht selbst erretten konnte. Er war auf die Gnade Gottes angewiesen, dass Er ihn vor Esau beschützen würde. Und wer weiß, womöglich trug die völlig übernächtigte und gehbehinderte Erscheinung seines gealterten Bruders dazu bei, dass Esau Mitleid mit Jakob empfand.
Da lief ihm Esau entgegen, umarmte ihn, fiel ihm um den Hals und küsste ihn; und sie weinten. (1. Mose 33,4)
Somit hat Gott Jakob geschlagen, doch Er hat ihn auch errettet. JHWH hat ihm gezeigt, dass nur Er persönlich für seine Sicherheit sorgen kann und wird. Alle Tricks, die Jakob versuchte, konnten ihm nicht helfen. JHWH hat das Wunder gewirkt und Jakob vor seinem Feind übernatürlich beschützt. Nun konnte sich Frieden in seinem Herzen ausbreiten. Dieser Frieden ermöglichte es ihm auch, sich seinem Bruder komplett auszuliefern und sich vor ihm zu demütigen (Vgl. 1. Mose 33,3). Jakob vertraute auf die Gnade Gottes und dass Er ihn beschützen würde. Und wenn nicht, dann hätte er dennoch das Richtige getan.
Wie oft befinden wir uns in scheinbar ausweglosen Lebenssituationen? Wie oft tragen wir eigene Schuld und mühen uns damit, sie zu bekennen und zu bereinigen?
Jakob gibt uns ein Beispiel, wie wir in solchen Situationen agieren können. Er suchte Gott und lieferte sich Ihm letztlich ganz aus. Er rang mit Gott von Angesicht zu Angesicht und er vermochte es. Sein Wandel veränderte sich. JHWH rührte ihn an und Jakob war bereit für die Begegnung mit seinem Bruder und Feind Esau. Er war bereits sich unter das Joch der Torah zu demütigen, welche sogar die Liebe zu unseren Feinden von uns fordert (Vgl. 5. Mose 22,4).
Die Gottesbegegnung von Angesicht zu Angesicht gibt uns auch die Kraft, unseren Esaus von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Möge JHWH uns in diesen Begegnungen führen, erretten und beschützen!
- #25 Tzav – “Gebiete!” - 24. März 2024
- Purim und die Offenbarung der Braut - 19. März 2024
- 24 Wajikra – “Und er rief” - 17. März 2024