#07 Wajetze – „Und er zog aus“
1. Mose 28,10-32,3
Hosea 12,13-14,10; Johannes 1,41-51
In unserer aktuellen Lesung lernen wir die Familie Jakobs kennen. Jakob floh vor seinem Bruder Esau nach Haran zu seinem Onkel Laban, um sich dort eine Frau zu nehmen. Tatsächlich stieß er auf Rahel und war sofort in sie verliebt (Vgl. 1. Mose 29,10-11). Jakob war entschlossen, dass Rahel seine Frau werden sollte und so schlug er seinem Onkel Laban vor:
Ich will dir sieben Jahre lang dienen um Rahel, deine jüngere Tochter. (1. Mose 29,18b)
Laban willigte ein, doch letztlich entschied er sich noch am Hochzeitstag, Jakob zunächst seine ältere Tochter Leah zur Frau zu geben (Vgl. 1. Mose 29,23). Jakob bemerkte diesen Wechsel erst am nächsten Morgen (Vgl. 1. Mose 29,25) und war plötzlich mit einer Frau verheiratet, die er gar nicht wollte. Doch da er Rahel so sehr liebte, verpflichtete sich Jakob weitere sieben Jahre bei Laban für sie (Vgl. 1. Mose 29,27-28). Und so hatte Jakob zwei Frauen, wobei er Rahel liebte und Leah verachtete. Leah war jedoch fruchtbar, Rahel zunächst unfruchtbar (Vgl. 1. Mose 29,31).
Wir wollen im Folgenden etwas genauer untersuchen, warum Leah diejenige war, die dem Jakob zuerst und dazu die meisten Kinder gebar. Warum erwählte Gott Leah und nicht Rahel? Warum verschloss Er Rahel den Mutterschoß und öffnete Leahs?
Denn [JHWH] sieht nicht worauf der Mensch sieht; denn der Mensch sieht, was vor Augen ist, JHWH aber sieht das Herz an! (1. Samuel 16,7b)
JHWH hat eine andere Perspektive als wir. Er sieht Dinge, die für unsere Augen verborgen sind. Er sieht das Herz der Menschen und kann durch den äußeren Schein hindurch sehen. Wir wollen also untersuchen, was uns Gott in Seinem Wort über Leah offenbart, um ihr Herz besser zu verstehen und herauszufinden, warum JHWH sie zur Fruchtbarkeit erwählt hat.
Wir haben bereits bemerkt, dass Leah die ältere Tochter von Laban war. In der damaligen Zeit blieben die Töchter in der Regel im Haus ihres Vaters und halfen im Haushalt mit, bis sie heirateten. Die Ehe war (und ist es vor Gott auch heute noch) das Resultat des Loskaufens der Tochter durch ihren zukünftigen Ehemann aus dem Hause ihres Vaters. Der Ehemann übernahm damit die Verantwortung für die Frau und zahlte der Familie einen Brautpreis für sie. Der Brautpreis Jakobs waren die jeweils sieben Jahre Dienst bei Laban.
Der Brautpreis war im Kern ein Ausdruck der Wertschätzung und auch eine Art Bürgschaft des Mannes, dass er für die Tochter des Hauses zukünftig sorgen würde. War er dieser Pflicht nicht nachgekommen oder ließ er sich von der Frau scheiden, konnte sie zurück in ihr Vaterhaus und hatte dort bereits eine Rücklage – nämlich den Brautpreis. Der Vater des Hauses war also angehalten, den Brautpreis verantwortungsvoll aufzubewahren bzw. ertragreich anzulegen.
Nun konnte dieser Brautpreis natürlich auch missbraucht werden , sodass der Vater ihn als persönliche Bereicherung sah. So wie wir Laban, den Vater Leahs kennen lernen, schien er in diese Kategorie zu fallen. Bereits als Rebekka die Frau für Isaak wurde, war das Merkmal, welches ihn veranlasste den Knecht Abrahams in sein Haus zu holen, materieller Natur: Der kostbare Schmuck an Rebekka hielt ihn zur Gastfreundschaft an (Vgl. 1. Mose 24,29-33). Des Weiteren erfahren wir, wie Laban zum Ende von Jakobs Dienst, ihm seinen Lohn zehnmal veränderte, nur um ihn weiter an sich zu binden (Vgl. 1. Mose 31,41). Und wir erfahren, dass Laban ein Götzendiener war, der nicht ohne seine Teraphim leben wollte (Vgl. 1. Mose 31,30).
Diese Informationen zeichnen uns ein Bild eines sehr weltlich gesinnten Vaters der Leah, welcher zuvorderst auf seinen Gewinn aus zu sein schien. Nun war Leah also die älteste Tochter von Laban. Welchen Namen würde ein Vater seiner ältesten Tochter, derjenigen, die zuerst einem Mann verheiratet würde, geben. Wir wollen uns einmal eine Textstelle ansehen, in der die Wurzel (לאה), und damit die Bedeutung des Namens Leah, vorkommt:
Darum, so spricht JHWH: Daran sollst du [Pharao] erkennen, dass Ich JHWH bin: Siehe, ich will mit dem Stab, den ich in meiner Hand habe, das Wasser schlagen, das im Nil ist, und es soll in Blut verwandelt werden, sodass die Fische im Nil sterben müssen und der Nil stinken wird; und es wird die Ägypter ekeln [לאה], das Wasser aus dem Nil zu trinken. (2. Mose 7,17-18)
Stellen wir uns das Gefühl vor, welches die Ägypter befiel, als sie kein Wasser mehr in Ägypten fanden und jede Wasserquelle zu Blut geworden war. Da in alter Zeit Namen oft mit den Umständen der Geburt oder einem bestimmten Segen in Verbindung standen, schien Laban dem Namen nach ein sehr ähnliches Gefühl der Leah gegenüber gehabt zu haben. Aber warum?
Graben wir ein wenig tiefer.
Und Leah hatte matte Augen, Rahel aber hatte eine schöne Gestalt und ein schönes Angesicht (1. Mose 29,17)
Was heißt es, dass Leah matte Augen hatte? Ich denke, wir können hier zwei Bedeutungen ableiten. Und wieder helfen uns Parallelstellen, in denen das hier verwendete hebräische Wort רך zu finden ist.
Er [Jakob] aber antwortete [Esau auf die Bitte, ihn zu begleiten]: Mein Herr weiß, dass die Kinder noch zart [רך] sind; dazu habe ich säugende Schafe und Kühe bei mir; wenn sie einen einzigen Tag übertrieben würden, so würde mir die ganze Herde sterben. (1. Mose 33,13)
Der Ausdruck von zarten Kindern meint in diesem Zusammenhang, dass Jakobs Kinder zu schwach gewesen wären, um mit Esaus Tempo mitzuhalten. Wir sehen also die Idee von Schwäche in רך. Was könnte es also heißen, dass Leahs Augen schwach waren? Es könnte sehr wohl eine Sehbehinderung gemeint sein.
Wir wollen diesen Gedanken etwas ausführen. Der Unternehmer Laban bekam seine erste Tochter. Natürlich erwartete er, dass sie, bis sie sein Haus verlassen würde, ihm bei der Schafzucht und allen anderen anfallenden Arbeiten helfen würde. Wir sehen, dass Rahel ebenfalls eine Hirtin wurde (Vgl. 1. Mose 29,6). Und wenn die Erstgeborene dann verheiratet wäre, würde Laban sich den Brautpreis einstreichen und in sein Unternehmen investieren. Doch dann bemerkte der selbstsüchtige Laban, dass seine erste Tochter behindert war. Sie passte so überhaupt nicht in seine Vorstellungen. Sie war völlig ungeeignet für die Schafzucht. Und wer würde sie überhaupt heiraten wollen? Und wie würde er sie nennen? Leah erschien ihm passend. Es war wohl ein Wunder, dass sie noch am Leben war, als Jakob in die Familie Labans kam, wenn man bedenkt, dass behinderte Kinder in manchen Gesellschaften heute noch dem Tod preisgegeben werden – wir denken dabei auch an die hohe Zahl an Abtreibungen in den Industrieländern..
Fortan lebte Leah also im Haus ihres Vaters und ertrug die Enttäuschung, die Laban mit ihr verband. Sie ertrug die Schmähungen und Kränkungen. Und sie ertrug, dass sie wohl nie reine Liebe von ihrem Vater empfangen würde. Als sie später Jakob verheiratet wurde, erfuhr sie das Selbe wieder. Jakob hatte, genau wie Laban, nur Augen für Rahel. Leah jedoch verschmähte er (Vgl. 1. Mose 29,31).
Doch Leah hatte matte oder zarte Augen. Das Wort רך kann auch einfach mit zart, weich oder sanft übersetzt werden. Wir schauen uns eine weitere Stelle dazu an:
Abraham aber lief zu den Rindern und holte ein zartes [רך] und gutes Kalb und gab es dem Knecht; der eilte und bereitete es zu. (1. Mose 18,7)
An dieser Stelle wird רך als zart, im Sinne von zartem und weichem Fleisch, wiedergegeben. Dies war das beste Fleisch in seinem Haus, welches Abraham seinen Gästen vorsetzen wollte.
Jeschua sagte einmal:
Das Auge ist die Leuchte des Leibes. Wenn nun dein Auge lauter ist, so ist auch dein Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. (Lukas 11,34)
Leahs zarte Augen deuteten auf ihr zartes Gemüt hin. In all den Schwierigkeiten und Herausforderungen ihres Lebens, behielt sie ihren Sanftmut. Sie entschied sich dagegen, bitter über ihre Umstände zu werden und konnte somit reichlich Frucht bringen.
JHWH liefert uns mit Leah ein Vorbild für uns, wenn wir uns in schwierigen, schmerzhaften oder herausfordernden Lebenssituationen befinden.
Egal auf welche Umstände wir treffen. Egal wie schwierig und herausfordernd unser Leben ist, lasst uns in der Kraft des Messias Jeschua eine sanftmütige und barmherzige Gesinnung bewahren. Lasst uns ein Segen sein und den Schalom Gottes in diese Welt tragen!
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