Die geistliche Kraft von Torahgeboten – Teil 3: Tefillin
Viele Menschen, Gruppen und Gesellschaften bedienen sich den Weisheiten der Torah und erleben, welch positive Kraft die enthaltenen Ausrichtungen haben. Nicht aus Zufall ist unsere Kultur auf den Grundfesten der Zehn Gebote aufgebaut worden.
Doch die Torah hat eine tiefe geistliche Ebene, die nicht immer sofort ersichtlich ist. So gibt es einige Gebote, die auf den ersten Blick etwas seltsam wirken. Man fragt sich, aus welchem Grund man dieses oder jenes tun soll. Doch wenn man ein wenig genauer hinschaut, erkennt man die geistlichen Zusammenhänge – und die Kraft dahinter.
Nachdem wir uns in den ersten Teilen „Tzitzit“ und „Mesusot“ angeschaut haben, kommen wir heute zu einem noch spannenderem Gebot: Tefillin!
Tefillin
Wir kennen sie auch unter dem Namen „Gebetsriemen“ – traditionelle Tefillin sind Lederbände mit einer quadratischen Box daran, die sich jüdische Männer zum Morgengebet (manche auch länger) an Kopf und Arm binden. In den kleinen Boxen sind Pergamentstücke enthalten, die entsprechende Torahtexte enthalten – nämlich diejenigen, in denen darüber die Rede ist.
Das Besondere ist, dass es gleich vier (!) Aufforderungen in der Torah gibt, Worte der Torah „zum Zeichen auf die Hand“ zu binden und sie „zum Erinnerungszeichen über den Augen“ zu haben.
Nur sehr wenige andere Gebote, werden so häufig erwähnt!
Und schließlich muss auch beachtet werden, dass wir zwei der Aufforderungen sogar im Schma-Israel (das wichtigste jüdische Gebet) finden!
5.Mose 6,4-9: Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst; und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über den Augen sein; und du sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben.
5.Mo 11,18-21: So nehmt euch nun diese meine Worte zu Herzen und in eure Seele, und bindet sie zum Zeichen auf eure Hand, und sie sollen zum Erinnerungszeichen über euren Augen sein. Und ihr sollt sie eure Kinder lehren, indem ihr davon redet, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst. Und schreibe sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore, damit du und deine Kinder lange leben in dem Land, von dem der Herr deinen Vätern geschworen hat, dass er es ihnen geben werde, solange der Himmel über der Erde steht.
Die anderen beiden Erwähnungen finden wir in 2.Mose 13:
Vers 9: Und es soll dir wie ein Zeichen sein in deiner Hand und ein Erinnerungszeichen vor deinen Augen, damit das Gesetz des Herrn in deinem Mund sei, weil der Herr dich mit mächtiger Hand aus Ägypten herausgeführt hat.
Vers 16: Und das soll dir wie ein Zeichen in deiner Hand sein und wie ein Erinnerungszeichen vor deinen Augen, dass uns der Herr mit mächtiger Hand aus Ägypten herausgeführt hat.
Doch wir stellen schnell fest, dass wir hier ein Gebot vor uns haben, dessen simple Auslegung alles andere als „simpel“ ist! Das liegt daran, dass die Aufforderungen nicht wirklich aussagekräftig sind: „Zeichen in deiner Hand“ und „Erinnerungszeichen vor deinen Augen“… da gibt es viel Spielraum…
Bevor wir uns aber näher damit auseinandersetzen, können wir an dieser Stelle dem Hebräischen noch ein kleines Detail entnehmen:
Die Verse beschreiben ein „Zeichen“ (hebr. ot) an der Hand und ein „Erinnerungszeichen“ (hebr. totafot) vor den Augen. Interessant ist hierbei, dass „ot“ im Singular geschrieben ist und „totafot“ in der Mehrzahl. Das gibt uns den Hinweis, dass am Arm ein Zeichen sein soll und zwischen den Augen mehrere (später mehr dazu).
Die „richtige“ Auslegung
Viele, die sich neu mit der Torah auseinandersetzen, brüten lange über diesem Gebot. Wie soll es umgesetzt werden? Wann soll es umgesetzt werden? Wer soll es umsetzen?
Bisher wissen wir, dass es ein sehr wichtiges Gebot ist. Das zeigt auch der Kontext der obigen Verse. Doch wie ist es zu verstehen – und vor allem: Wie ist es umsetzbar?
Meiner Meinung nach kann man die unterschiedlichen Auslegungen in drei Kategorien einordnen:
1. Rein geistlich
Von christlicher Seite neigt man dazu, Torahgebote zu vergeistlichen und die physische/wörtliche Ebene auszublenden!
Das ist auch auf dem „Weg der Wiederherstellung“ gang und gäbe. Solche Sichtweisen tragen (leider) auch dazu bei, dass es ebenso unter „Hebrew Roots“ zu tausenden von verschiedenen Meinungen, Ansichten und Glaubensrichtungen gekommen ist.
Als einfaches Beispiel dient hierbei alles rund um den Tempeldienst. Die einen sehen alle Opfer- und Tempelgebote rein geistlich, abgeschafft und erfüllt. Doch andere betrachten diese Gebote nicht nur geistlich, sondern einfach als derzeit nicht praktizierbar – was sich in der Zukunft allerdings ändern kann (und sehr wahrscheinlich wird).
Viele weitere Inhalte der Torah könnte man hier anführen. Und die Aufforderung von Zeichen an Kopf und Arm gehört sicherlich zu dieser Liste…
Für mich sprechen allerdings zwei Punkte gegen die meisten derartigen Auslegungen:
1. Es ist verständlich und eine natürliche Reaktion, eine solche Meinung anzunehmen. Es ist nicht nur die christliche Prägung, die ihren Teil bewirkt. Ebenso beschreibt die Bibel selbst, wie die zehn Stämme die Torah als etwas Befremdliches sehen (vgl. Hos 8,12).
Und was passiert, wenn Handlungen für Menschen unvorstellbar oder sinnlos sind? Sie versuchen sie, anders zu erklären – zum Beispiel indem gesagt wird, dass sie ausschließlich geistlich zu verstehen sind.
2. Des Weiteren macht meiner Meinung nach eine Vergeistlichung dieses Gebotes (und der meisten anderen) zusätzlich keinen Sinn, weil die Torah allgemein nicht so zu verstehen ist.
Es gibt sehr wenige Gebote (wenn überhaupt), die nicht praktisch, sondern nur geistlich zu verstehen sind.
Das heißt natürlich nicht, Gebote hätten keine geistliche Bedeutung (darum ja diese Serie). Es geht an dieser Stelle um den Fehler (aus meiner Sicht), Gebote ausschließlich als geistlich anzusehen.
OK, wie kann man unser Zeichen-an-den-Arm-…-Gebot noch auslegen?
2. Eigene Auslegungen
Die Torah scheint diesem Gebot nicht viele Richtlinien zu geben. Insofern könnte man dies dahingehend interpretieren, dass man es nach eigenem Ermessen umsetzen kann – solange die wenigen Bedingungen erfüllt sind. Sicherlich ist das ein plausibler Ansatz!
Viele Geschwister tragen dazu zum Beispiel sehr schöne Armbänder, auf denen Passagen aus dem Shema-Jisrael zu finden sind. Und bestimmt gibt es dahingehend noch einige andere Versuche, dies umzusetzen.
Das ist alles andere als verkehrt oder schlecht. Doch es ist mir noch nichts über den Weg gelaufen, um das „Erinnerungszeichen vor den Augen“ in irgendeiner Art und Weise zu erfüllen zu können.
3. Die jüdische Auslegung
Schon einige Male habe ich über die Führungsrolle von Juda in der Familie Israel gesprochen. Die Stämme Israels haben unterschiedliche Aufträge und Begabungen erhalten. Und den Stamm Juda hat Gott dazu ausgewählt, die Familie zu führen und sogar die Torah auszulegen.
Und so stellt sich für mich nun die Frage, ob wir nicht genau einen solchen Fall vor uns haben: Macht es nicht Sinn, dass wir – um der Einheit willen – uns hier unterordnen und anpassen?! Schließlich wird es immer wichtiger werden, dass wir auf einen Nenner kommen, um irgendwann überhaupt eine Einheit bilden zu können.
Doch nicht nur das: Wenn man dieses Gebot nicht nur geistlich interpretieren möchte, fehlen einem die Alternativen, um es komplett auszuleben. Warum also nicht diese Version ausprobieren!?
Zuletzt sollten wir auch beachten, dass Yeshua selbst Tefillin („Gebetsriemen“) erwähnt hat:
Mt 23,5: Alle ihre Werke tun sie aber, um von den Leuten gesehen zu werden. Sie machen nämlich ihre Gebetsriemen breit und die Säume an ihren Gewändern groß
Das Besondere ist hier, dass Yeshua hier die jüdische Auslegung dieses Gebots aufgreift und das falsche Herz der damaligen Leiter kritisiert. Doch was er in diesem Zusammenhang nicht tut, ist, dass er die Auslegung im Allgemeinen kritisiert, verbietet oder gar auflöst!
Das kommt einer Bestätigung der jüdischen Tefillin durch Yeshua gleich! Und man muss stark davon ausgehen, dass Yeshua selbst Tefillin getragen hat – sonst wäre uns ein heftiger Streit diesbezüglich überliefert worden! Vor allem deshalb, weil das Gebot als ein sehr, sehr wichtiges angesehen wird.
Das wird noch deutlicher, wenn wir uns ein wenig die tieferliegenden Hintergründe anschauen…
Tefillin – Zeichen der Liebe!?
Was würdest du tun, wenn dir der Mensch, den du am meisten liebst, ein wunderschönes Geschenk macht? Würde nicht jeder von uns dieses Geschenk sehr ins Herz schließen!? Wir würden uns freuen und es mit großer Vorsicht behandeln – allein schon aus dem Grund, weil es von einem so besonderen Menschen kommt.
Kann es sein, dass es bei Tefillin sehr ähnlich ist? Denn der Zusammenhang zur Liebe zwischen Gott und den Menschen ist definitiv vorhanden:
5.Mose 6,4-9: Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst; und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über den Augen sein;
Wir wollen Gott von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all unserer Kraft lieben. Und die Torah beschreibt, wie eben diese Worte auf unserem Arm und unserem Kopf sein sollen.
Der Zusammenhang ist offensichtlich: Unser Herz, unsere Seele (Kopf) und unsere Kraft (Arm) sollen mit der Liebe zu unserem Schöpfer durchtränkt sein. Herz, Seele und Kraft stehen für unsere Emotionen, Gedanken und unsere Taten.
Interessanterweise habn die jüdischen Tefillin genau diese Intention: Man bindet sich ein Band so um den Arm, dass die schwarze Box mit dem Pergament so nah wie möglich am Herzen ist (am Bizeps). Der Rest vom ersten Band wird um Arm und Hand gebunden. Anschließend legt man das zweite Band um den Kopf.
Übrigens befindet sich in der Arm-Box EIN Pergament mit den obigen vier Schriftstellen und in der Kopf-Box vier Pergamente (auf jedem eine der Schriftstellen). So erfüllt man die obige Aufforderung von Singular (ot) und Plural (totafot).
Wir wollen Gott mit unserem Herzen, mit unserer Seele und mit all unserer Kraft lieben. Unsere gesamte persönliche Kraft weihen wir Gott. Das geschieht aus Liebe, weil die Liebe die Basis der ganzen Torah darstellt.
Diese Liebe ist im Leben mit der Torah essentiell! Sie drückt sich in Gefühlen (Herz), Gedanken und Worten (Kopf) und in Taten (Hand) aus.
Und so dürfen wir feststellen, dass Tefillin Liebeszeichen zwischen Gott und Seinem Volk sind. Sie sind Erinnerungszeichen dieser Liebe und – das wird durch viele Zeugnisse deutlich – besitzen eine geistliche Kraft, die eigene Liebe gegenüber Gott in Gefühlen, Worten und Taten zu vergrößern!!
Es ist das gleiche wie in einer Partnerschaft zwischen Menschen: Was passiert in einer solchen Beziehung, wenn sich jemand über das Geschenk des anderen (ein Schmuckstück o.ä.) täglich freut, es ehrt und darüber schwärmt!? Mit Sicherheit tut es der Beziehung mehr als gut!!!
Tefillin und die Zahl Sieben
Es gibt einen interessanten Zusammenhang zwischen Tefillin und der Zahl Sieben. Nicht aus Zufall wird im Judentum das Band des Arm-Tefillin siebenmal um den Unterarm gewickelt.
Tefillin sind ein Zeichen der Liebesbeziehung zwischen Gott und Seinem Volk. Und viele Male wird diese Beziehung in der Bibel mit einer Mann-Frau-Beziehung verglichen. Und so begegnen wir auch in einer jüdischen Hochzeit mehrfach der Zahl Sieben: Zum Beispiel in den „sieben Segen“, die in einer Hochzeitszeremonie gesprochen werden. Ebenso umrundet die Braut ihren Bräutigam siebenmal.
Zusammenfassend
Das Tragen von Tefillin ist ein sehr wichtiges Gebot der Torah. Allerdings finden wir dort keine genaue Erklärung, wie die Umsetzung genau auszusehen hat.
Was wir wissen ist:
- Die vier Texte aus der Torah sollen an Arm und Kopf stehen
- Im Hebräischen sieht man, dass das Zeichen für die Arm-Tefillin in der Einzahl steht, während die Erinnerungszeichen am Kopf in der Mehrzahl sind.
Trotz diesen wenigen Torah-Anweisungen gibt es – was sehr außergewöhnlich ist – unter Juden keinerlei Diskussionen über das Tragen von Tefillin. Die Regeln dazu sind von allen seit vielen Jahrhunderten akzeptiert.
Folgende Richtlinien sind dabei festgelegt:
- Das Aussehen und das Material
- Männer sollen es einmal am Tag tragen
- am besten während dem Morgengebet
- Die Art und Weise, wie Tefillin angelegt werden (hier Näheres dazu)
Gebetsriemen anzulegen sind ein wichtiges Gebot in der Torah. Yeshua hat sie indirekt bestätigt und wir erkennen, wie das Tragen von Tefillin unsere Liebe zu unserem Schöpfer nicht nur ausdrückt, sondern sogar vergrößert.
Natürlich weiß ich, dass diese offene Sicht gegenüber dieser jüdischen Sicht für den einen oder anderen eher abschreckend erscheinen mag. Doch “abschreckend” ist kein Grund, um etwas unter den Tisch fallen zu lassen. Hätten wir die Themen “Schabbat” oder “Torah” trotz abschreckend nicht für uns persönlich intensiv geprüft, würden wir diese Texte hier gar nicht erst lesen. Und das Tefillin-Gebot ist nun mal eines der wichtigsten in der Torah. Vor allem hat es eine große Kraft, die Liebe zu unserem Schöpfer zu vergrößern.
Vor wenigen Jahren wurden auf einmal Tallits (jüdische Gebetsschale) überaus beliebt. Warum sollte es mit Tefillin nicht genauso sein? Vor allem dann, wenn es solche Auswirkungen hat?
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mariusz86
25. Dezember 2016 @ 18:00
Shalom Hosea und alle die das verfolgen,
ich habe mich damit noch nicht so beschäftigt, was die Tefillin angehen, aber jetzt fühle ich mich bestätigt, es war immer mein Gedanke mir welche anzulegen, aber weil es Preislich sehr hoch liegt, die Tefillin sind Kosher gemacht und bei Doronia.de zu erhalten.
Aber jetzt mal zum Thema Geistlich: Ich bekomme es auch immer mit das etwas nur Geistlich zu verstehen wäre, aber wir sollen Torah lernen und aus-Leben. Torah ist Praxis und nicht nur Theoretisch. Muss ich jetzt mal so erwähnen.
Shalom und Segen im Herrn,
Mariusz 😉